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GENDER/022: Malawi - Staatschefin gegen Kriminalisierung von Homosexualität, Vorbild für Afrika? (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Juni 2012

Malawi: Staatschefin gegen Kriminalisierung von LGBT - Vorbild für Afrika?

ein Gastbeitrag von Monica Tabengwa*

Die traditionelle Verlobungsfeier von Tiwonge Chimbalanga (l.) und Steven Monjeza im Dezember 2009 löste in Malawi eine Kontroverse aus - Bild: © Claire Ngozo/IPS

Die traditionelle Verlobungsfeier von Tiwonge Chimbalanga (l.) und Steven Monjeza im Dezember 2009 löste in Malawi eine Kontroverse aus
Bild: © Claire Ngozo/IPS

18. Juni (IPS) - Kurz nach ihrer Amtseinführung hat die malawische Staatspräsidentin Joyce Banda eine Entkriminalisierung der Homosexualität angekündigt. Wie Banda dieses Ziel erreichen will, bleibt zwar dahingestellt. Doch steht ihr Vorstoß in einem krassen Gegensatz zu der Politik von Amtsvorgänger Bingu wa Mutharika, der Homosexualität öffentlich verdammt hatte.

In einer Region, in der die Rechte von Lesben, Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen (LGBT) im Namen traditioneller Werte mit Füßen getreten werden, dürfte Bandas Haltung Aufsehen erregen. Im besten Fall führt sie zu einem Nachdenken über eine Politik, die bisher die LGBT diskriminiert und homosexuelle Handlungen als Straftaten betrachtet hat.

Dass Banda ungewöhnliche Positionen einnimmt, zeigte sie kürzlich bereits damit, dass sie sich weigerte, in Malawi im Juli den Gipfel der Afrikanischen Union (AU) auszurichten. Der Staatenbund besteht nämlich darauf, den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir einzuladen, obwohl der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hat.

Die Tatsache, dass die ehemalige malawische Vizepräsidentin die Rechtslage der LGBT verändern will, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass sie das afrikanische Land auf den Pfad einer fortschrittszugewandten Demokratie und eines die universellen Menschenrechte und internationalen Institutionen respektierenden Staates zurückführen will.

Die Staatschefin, die seit ihrem Amtsantritt im April mit erheblichen Wirtschaftsproblemen fertigwerden muss, kündigte an, dass sie alle gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze rückgängig machen werde. Einige davon waren unter Mutharika verabschiedet worden.

Malawi würde damit der Legitimierung von Gewalt, Übergriffen und Diskriminierung einen Riegel vorschieben. Zum ersten Mal seit 1994 würde zudem ein afrikanisches Land Gesetze gegen LGBT aufheben und internationale Bemühungen zur Anerkennung von Homosexualität unterstützen.


Kontroverse im Vorfeld von AU-Gipfel erwartet

Wie wird Bandas Vorgehen von anderen afrikanischen Staats- und Regierungschefs wahrgenommen? Kurz vor dem AU-Gipfel am 15. und 16. Juli könnte die Präsidentin die Diskussion über traditionelle Werte auf dem Kontinent neu entfachen - trotz Bemühungen einiger Politiker, den Fortschritt rückgängig zu machen, der durch jahrelange Aktivitäten und internationale Rechtsprechung erreicht werden konnte.

Unter Mutharika war die Lage in Malawi eine vollständig andere gewesen. Im April 2010 wurden der Transvestit Tiwonge Chimbalanga und dessen Gefährte Steven Monjeza verhaftet und strafrechtlich verfolgt, nachdem eine Zeitung über ihre 'Verlobungsfeier' berichtet hatte.

Nach weltweiten Protesten begnadigte Mutharika das Paar "aus humanitären Gründen", beharrte jedoch darauf, dass sie Verbrechen an der malawischen Tradition und Kultur begangen hätten. Zur Bekräftigung erweiterte das Parlament im Dezember 2010 die existierenden Gesetze, die Geschlechtsverkehr zwischen Männern unter Strafe stellten. Seitdem ist auch Sex zwischen Frauen verboten.

Mutharika starb im April nach acht Jahren im Amt. Gegen die Korruption und Armut in einem der ärmsten Länder Afrikas hatte er wenig unternommen. 2011, als sich die Wirtschaftslage verschlechterte und der Unmut in der Bevölkerung wuchs, wurde die Regierung zunehmend repressiver. Im Juli vergangenen Jahres feuerte die Polizei auf Demonstranten. Dabei wurden 19 Menschen getötet, Dutzende verletzt und Hunderte festgenommen.

Viele Geber stellten daraufhin ihre Zahlungen an Malawi ein, darunter Deutschland, Großbritannien, die USA, Norwegen, die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank. Sie warfen Mutharika und seinem Kabinett einen schlechten Regierungsstil und die Veruntreuung von Finanzmitteln vor.


Schwule und Lesben für Kürzung von Gebermitteln verantwortlich gemacht

Obgleich Sanktionen für den Schutz der Menschenrechte sinnvoll sein können, hat jeder Versuch, auf die Rechte der LGBT abzuheben, eher wie ein Bumerang gewirkt. Politikern diente dies dazu, die Aufmerksamkeit der malawischen Bevölkerung von ihren eigenen korrupten Praktiken abzulenken. Die Regierung machte die LGBT für Kürzungen der Geberhilfe verantwortlich und schürte in dem Land den Hass auf Homosexuelle. Prominente Vertreter der LGBT-Bewegung erhielten daraufhin Drohungen.

Die öffentliche Meinung zu Bandas Eintreten für Homosexuelle ist daher gespalten. Einige Beobachter in Malawi und in der übrigen Region werden ihr wahrscheinlich vorwerfen, sich internationalem Druck zu beugen. Viele afrikanische Menschenrechtsaktivisten lehnen es zudem ab, dass Geber ihre finanziellen Zuwendungen von der Förderung der Rechte der LGBT in Afrika abhängig machen.

Als der britische Premierminister David Cameron damit drohte, direkte Hilfen für repressive Regierungen vor allem im Hinblick auf die Diskriminierung der LGBT-Gemeinschaft auszusetzen, äußerten mehrere Sozialaktivisten in Afrika Kritik.

Beim Wiederaufbau der Wirtschaft des Landes und der Aufwertung der Menschenrechte ist es ein wichtiger erster Schritt, dass Homosexuelle nicht länger als Kriminelle betrachtet werden. Damit muss allerdings der Wille einhergehen, gegen die Homophobie in der Öffentlichkeit anzukämpfen und die zivile Gesellschaft bei der umfassenden Stärkung der Menschenrechte zu unterstützen. (Ende/IPS/ck/2012)

* Monica Tabengwa ist eine bekannte botswanische Anwältin und Frauen- und Menschenrechtsaktivistin. Sie arbeitet für das LGBT-Programm von 'Human Rights Watch'.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2012