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GENDER/027: Asien - Für viele LGBT-Teenager beginnt Homophobie in der Familie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2014

Asien: Für viele LGBT-Teenager beginnt Homophobie in der Familie

von Jassmyn Goh


Bild: © Dennis Engbarth/IPS

Zwei Teilnehmer der 11. Gay-Pride-Parade in Taipei-Stadt am 26. Oktober 2013. Auf ihren Schildern heißt es: "Ich bin stolz, schwul zu sein. Ich bin kein Sex-Flüchtling!"
Bild: © Dennis Engbarth/IPS

New York, 30. Juli (IPS) - Abzuhauen erscheint vielen Teenagern als einfachster Weg, den Problemen zu Hause zu entkommen. Alex blieb keine Wahl. Als Transsexueller konnte er im Elternhaus nicht bleiben.

Rein physisch betrachtet kam Alex, der eigentlich anders heißt, als Mädchen zur Welt, das sich jedoch immer schon als Junge fühlte. "Ich kann mich noch gut an die Reaktion meiner Großmutter erinnern, als sie mich erwischte, wie ich im Stehen pinkelte. Sie schlug mich und sagte 'Verhalte dich wie ein Mädchen, verhalte dich wie ein Mädchen!'."

Alex und die Menschen, die als Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (LGBTI) in Asien leben, werden besonders häufig von ihren Angehörigen körperlich, seelisch und auch sexuell misshandelt. Dies geht aus einem Bericht der Internationalen Menschenrechtsorganisation von Schwulen und Lesben (IGLHRC) hervor.

Der Bericht hatte drei Jahre lang die Aussagen betroffener Japaner, Malaysier, Pakistaner, Philippiner und Srilanker zusammengetragen. Die extreme Gewalttätigkeit, mit der Familienangehörige auf LGBTI-Mitglieder reagieren, gehört zu den insgesamt sieben Schlüsselerkenntnissen der Studie, die zudem darauf aufmerksam machte, dass die Ablehnung und Gewalt der eigenen Familien die weitreichendsten Folgen für die Opfer hatten.

Als Alex 17 war und seine Eltern herausfanden, dass er eine Freundin hatte, wurde er in seiner Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Zudem bezog er Prügel. "Sie kontrollierten meine Internetaktivitäten und Telefonate. Ich musste genau sagen, wann ich wohin gehe. Das war alles ziemlich schrecklich", erinnert er sich heute, zehn Jahre später.

"Als mein Vater hinter mein neues Internet-Passwort kam, wurde ich verdroschen. Dann teilte er mir mit, dass in seinem Haus seine Regeln gelten und ich ja jederzeit gehen könnte. Was ich dann auch tat", erzählt Alex, der inzwischen studiert. "Es war einfach nicht zum Aushalten."

Laut Grace Poore, der Koordinatorin des Asien-Programms der IGLHRC und Hauptkoordinatorin des Forschungsprojekts, hat sich gezeigt, dass in Gesellschaften, in denen Religionen eine dominante Rolle spielen und ohne Rücksicht auf die menschliche Würde, Menschenrechte und die Möglichkeit, die eigene Andersartigkeit auszuleben, durchgesetzt werden, die Intoleranz gegenüber sexuellen Minderheiten in den Familien besonders groß ist.


Im Stich gelassen

"Ich fühlte mich damals verraten", erinnert sich Alex heute. "Das war eine Zeit, in der ich meine Eltern so sehr gebraucht hätte, doch waren sie einfach nicht für mich da. Sie hatten sich von mir abgewandt."

Der Bericht wies ferner darauf hin, dass es in den untersuchten Ländern für die LGBT keine eigenen Schutzhäuser gibt. LGBT-freundliche Häuser können aus der Sorge heraus, von staatlicher Seite geschlossen oder aber gesellschaftlich geächtet zu werden, keine Inserate schalten, um als LGBT-Anlaufstellen auf sich aufmerksam zu machen.

In Malaysia kontrolliert eine staatliche Religionsbehörde die Straßen. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Malaien im Lande die Scharia und das islamische Recht einhalten. "Das Bildungsministerium verlangt von den Lehrern, sie über weiblich wirkende Jungen zu informieren. Diese werden dann in religiöse Erziehungslager geschickt", berichtet Moore.

Pakistan gehört zu den mindestens 15 Ländern weltweit, die eine Religionspolizei besitzen. In mehr als 70 Staaten gibt es Gesetze, die Homosexualität kriminalisieren und Strafen vorsehen, die von Haft bis Todesstrafe reichen.

In Malaysia, Pakistan und Sri Lanka sind gleichgeschlechtliche Beziehungen gesetzlich verboten. In Japan und auf den Philippinen ist das zwar nicht der Fall, jedoch gelten im letzteren Land vage Regeln gegen homosexuelle Beziehungen. Allerdings verfügen die Philippinen über eine Verfassungsklausel, die allen Bürgern gleiche Rechte einräumt. In den anderen Ländern fehlen Gesetze, die Gewalt und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verbieten.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte in einer Mitteilung am 15. Mai die Gleichstellung der LGBT gefordert und wies bei dieser Gelegenheit auf die 'Frei-und-gleich-Kampagne des UN-Menschenrechtshochkommissariats (OHCHR) hin. "Die Menschenrechte gelten für alle, egal wer du bist und wen du liebst", sagte Ban.

Wie Toiko Kleppe vom OHCHR gegenüber IPS erklärte, ist die seit Juli 2013 laufende Kampagne die erste der UN gegen Homophobie. "Sie soll die Öffentlichkeit informieren und bilden. Die Botschaft, die wir verbreiten, lautet, dass LGBT genauso sind wie andere Menschen und sich nur in der Wahl ihrer Partner und ihrer geschlechtlichen Identität unterscheiden", fügte sie hinzu.


Bericht als Augenöffner

Der IGLHRC-Bericht habe bei vielen Lesern Bestürzung ausgelöst, berichtet Poore. Nun habe man vor, die Menschen in Webseminaren und öffentlichen Informationsveranstaltungen noch stärker für die schwierige Situation der LGBT zu sensibilisieren.

Ganze neun Jahre lebte Alex im Ausland. 2011 kehrte er nach Malaysia zurück. Dort fühlt er sich innerhalb der LGBT-Gemeinde gut aufgehoben. Sein Vater will auch heute nichts von ihm wissen. "Immer, wenn ich zu Hause vorbeischaue, werde ich von ihm ignoriert", sagt er. "Es kommt sehr selten vor, dass er das Wort an mich richtet." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/for-many-asian-lgbt-youth-homophobia-starts-at-home/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2014