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GEWERKSCHAFT/155: Plan von USA und Kolumbien zum Schutz von Gewerkschaftern hinkt Zielen hinterher (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2014

Arbeit: Gemeinsamer Plan von USA und Kolumbien zum Schutz von Gewerkschaftern hinkt Zielen hinterher

von Jim Lobe


Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Kolumbianischer Militärstützpunkt am Atrato-Fluss
Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Washington, 9. April (IPS) - Drei Jahre nachdem Kolumbien auf Forderungen der USA zum besseren Schutz von Arbeitsrechten eingegangen ist, halten sich die Auswirkungen des Arbeitsaktionsplans (LAP) nach Einschätzung von US-amerikanischen Politikern und Gewerkschaftern aus beiden Ländern in bescheidenen Grenzen.

Angesichts der fortgesetzten Morde und anderer Verbrechen an kolumbianischen Arbeitsrechtlern haben US-Parlamentarier und Aktivisten US-Präsident Barack Obama und dessen kolumbianischen Amtskollegen Juan Manuel Santos aufgefordert, sich stärker als bisher für die Einhaltung des Plans zu engagieren.

"Die Gewalt dauert an. In den ersten drei Jahren nach der Unterzeichnung des LAP wurden in Kolumbien 73 Gewerkschafter ermordet. Das reicht schon aus, um den Plan für gescheitert zu erklären", sagte Richard Trumka, der Vorsitzende des größten US-Gewerkschaftsverbands AFL-CIO, am 7. April in Reaktion auf einen neuen Bericht der unabhängigen Gewerkschaftsinformationsorganisation 'Escuela Nacional Sindical' (ENS), die über die Einhaltung von Arbeitsrechten wacht.


Straffreiheit für Firmen

"Trotz zahlreicher neuer Arbeitsgesetze und Dekrete und Hunderter neuer Inspektoren hat nicht ein einziges Unternehmen, das wegen Verstößen gegen die Rechte von Arbeitnehmern vom Arbeitsministerium mit Bußgeldern belegt wurde, bis jetzt seine Strafe gezahlt", erklärt Trumka. Nach wie vor missachteten Firmen im Land die Arbeitsrechte, ohne Strafen fürchten zu müssen. Seit Jahren gilt Kolumbien als eines der gefährlichsten Länder der Welt für Gewerkschafter. Seit Mitte der 1980er Jahre sind mehr als 3.000 Aktivisten getötet worden.

Als Gegenleistung für den von der Regierung in Bogotá geführten Anti-Drogen-Kampf in der Andenregion kommt das Land seit Längerem in den Genuss von Handelserleichterungen durch die USA. 2005 handelte der damalige US-Präsident George W. Bush mit seinem kolumbianischen Amtskollegen Álvaro Uribe ein Freihandelsabkommen aus. Doch der Vertrag stieß bei AFL-CIO und US-Menschenrechtsgruppen auf scharfe Kritik. Deren Verbündete im US-Kongress weigerten sich, das Abkommen zu ratifizieren, solange Bogotá keine Vorkehrungen zu einer substanziellen Verbesserung der Arbeitsrechte treffe.

Das Abkommen wurde auf Eis gelegt, bis Obama und Santos im April 2011 das so genannte US-kolumbianische Handelsförderabkommen unterzeichneten, dem der Arbeitsaktionsplan angehängt wurde. LAP verpflichtet die kolumbianische Regierung unter anderem dazu, Gewerkschaftsführer zu schützen und per Gesetz sicherzustellen, dass Arbeitermehmer nicht bei Subfirmen beschäftigt werden. Außerdem muss ein neues Arbeitsministerium geschaffen werden. Unternehmen, die ihren Beschäftigten den Beitritt zu Gewerkschaften verweigern, müssen demnach mit Strafen rechnen. Durch diese Regelungen soll sich Kolumbien internationalen Standards angleichen.


US-Kongress gab frühzeitig grünes Licht

Zunächst war geplant, das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens so lange zu verschieben, bis die im LAP festgeschriebenen Bedingungen erfüllt sind. Das Parlament in Washington billigte das Abkommen jedoch schon im Oktober 2011. US-Aktivisten haben vor kurzem die Einführung des Freihandelsabkommens als verfrüht kritisiert, da die USA dadurch eine Möglichkeit verloren hätten, mehr Druck auf die Santos-Regierung auszuüben.

"Die Billigung des Freihandelsabkommens durch den US-Kongress, ohne die Einhaltung der LAP-Klauseln sicherzustellen, hat den politischen Willen zur Umsetzung des Plans signifikant geschwächt. Damit ist LAP zu einer weiteren Enttäuschung für die Arbeitnehmer in Kolumbien geworden", heißt es in einer am 7. April verbreiteten gemeinsamen Erklärung von Trumka und den Vorsitzenden der beiden kolumbianischen Gewerkschaften CTC und CUT.

Die Erklärung, in der eine "ernsthafte Überprüfung" der Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf den Agrar- und Industriesektor Kolumbiens und dessen Exporte in die USA gefordert wird, ist von mehr als einem Dutzend weiterer Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen in beiden Staaten unterzeichnet worden.


US-Handelsbeauftragter sieht positive Entwicklung

Das Büro des US-Handelsbeauftragten (USTR), das die Umsetzung sowohl des Freihandelsabkommens als des LAP überwacht, veröffentlichte ebenfalls am 7. April einen eigenen Report, in dem die Entwicklung der vergangenen Jahre positiver dargestellt wurde. "Vor drei Jahren verhalf LAP beiden Ländern zu einem wichtigen neuen Regelwerk und Instrumenten zur Verbesserung der Sicherheit von Gewerkschaftsmitgliedern und zum Schutz der Arbeitsrechte. Wir haben seitdem bedeutende Fortschritte gemacht, doch es liegt noch viel Arbeit vor uns", erklärte der Handelsbeauftragte Michael Froman.

Laut dem Bericht der Behörde sind 671 Gewerkschaftsmitglieder in ein Schutzprogramm aufgenommen worden, für das 2013 ein Budget von fast 200 Millionen US-Dollar bereitstand. Rund 250 Fahrzeuge wurden Gewerkschaftsführern zu deren Schutz bereitgestellt.

Zudem sei die Zahl der in Kolumbien wegen ihres Engagements ermordeten Gewerkschafter seit dem Inkrafttreten von LAP von fast 100 auf durchschnittlich 26 im Jahr gesunken. "Ich weiß, dass die Regierung in Bogotá den Aktionsplan ernst nimmt", sagt Michael Shifter, der Präsident des Think Tanks 'Inter-American Dialogue' (IAD).

"Natürlich haben Aktivisten Recht, wenn sie fordern, dass die Bedingungen des Plans vollständig erfüllt werden müssen und beide Länder dafür in der Verantwortung sehen", meint Shifter. Es gebe aber dennoch Fortschritte, die sich noch weiter steigern ließen.

ENS zufolge hat der Aktionsplan sein Ziel hingegen völlig verfehlt. So seien Fortschritte beim Schutz von Arbeitnehmern vor Drohungen und Gewalt ausgeblieben. Die Ahndung von Morden an Gewerkschaftsführern sei ebenfalls nicht gewährleistet.

"Wir möchten betonen, dass Tausende Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften versucht haben, sich mit Hilfe der rechtlichen Vorschriften gegen Übergriffe bei der Arbeit zu schützen. Die meisten sind nun jedoch noch weniger geschützt als früher. Richter, Staatsanwälte und Arbeitsinspektoren weigern sich so gut wie immer, den Schutz zu gewährleisten, den der neue Rechtsrahmen vorsieht."

In vielen Fällen seien die Bemühungen um einen besseren Schutz der Arbeitnehmer und Gewerkschafter "nach hinten losgegangen", heißt es in dem Report. Besonders gefährdet sind demnach Beschäftigte in Häfen und in der Palmöl-Produktion. Ähnliche Bedenken äußerte ein im Oktober veröffentlichter Bericht der republikanischen Kongressabgeordneten George Miller und James McGovern, die einem parlamentarischen Ausschuss zur Überwachung der Arbeitsrechte in Kolumbien angehören. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/04/u-s-colombia-labour-rights-plan-falls-short/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2014