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INTERNATIONAL/029: Japan - Praktikanten aus China aufs Salatfeld, ausgebeutet statt ausgebildet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2011

Japan: Praktikanten aus China aufs Salatfeld - Ausgebeutet statt ausgebildet

Von Grit Porsch


Berlin, 20. Juni (IPS) - Scharfe Kritik an den Lebens- und Arbeitsbedingungen der über 150.000 sogenannten Praktikanten aus China, die für drei Jahre nach Japan vermittelt werden, erhebt die in Hongkong ansässige Nichtregierungsorganisation 'China Labour Bulletin' (CLB). So werden den Ankömmlingen gefährliche, schmutzige und arbeitsintensive Ex-und-hopp-Jobs zugeteilt, die an Japaner kaum zu vermitteln sind, wie CLB in einem Bericht mit dem Titel 'Throwaway Labour: The Exploitation of Chinese 'Trainees' in Japan' anprangert.

Für China ist der japanische Arbeitsmarkt ein gigantisches Geschäft, mit dem sich 2009 rund 1,5 Milliarden US-Dollar verdienen ließen. Auch Japans unter Arbeitskräftemangel leidende Wirtschaft profitiert von den Praktikanten aus dem Reich der Mitte, deren Löhne nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was einheimische Arbeitskräfte verdienen.

Grundlage der lukrativen bilateralen Arbeitsvermittlung sind das japanische 'Foreign Training and Technical Internship System' und die von der chinesischen Regierung geförderten Leiharbeiterfirmen, die den einheimischen Arbeitsmarkt durch Stellenvermittlung im Ausland entlasten. Von Chinesen, die sich für eine Praktikantenstelle in Japan bewerben, werden hohe Vermittlungsgebühren verlangt, für die sich viele vor allem vom Land kommende Bewerber hoch verschulden müssen.

Offiziell stellt Japan den chinesischen Praktikanten "professionelle Aus- und Weiterbildung am Arbeitsplatz" in Aussicht, "die sie nach Ablauf ihres Auslandsaufenthalts in der heimischen Industrie nutzen sollen". So ist es im 'Training and Technical Internship Manual for Trainees' zu lesen.


Finanzielle Anerkennung zurückgehalten

Tatsächlich landen die angeheuerten 'Gastpraktikanten' oft im Hinterland in Klein- und Mittelbetrieben, die sich keine einheimischen Arbeitskräfte leisten können. Ohne Sprachkenntnisse und soziale Kontakte bleiben die Chinesen isoliert. Um sie bei der Stange zu halten, zahlen viele Arbeitgeber den Lohn erst bei der Abreise nach drei Jahren aus.

Ein von CLB mit Rechtsschutz ausgestatteter Chinese berichtete von mehr als 700 überwiegend chinesischen Praktikanten, die es als Saisonarbeiter auf Salatfelder in ein 4.000 Seelen-Dorf im Bergland von Nagano verschlagen hatte. Sie erhielten ein monatliches 'Lehrgeld' von umgerechnet 60.000 bis 80.000 Yen (knapp 750 bis 1.000 US-Dollar). Nach Angaben eines Gemüsebauern hatten japanische Arbeiter selbst ein Lohnangebot von 200.000 Yen (fast 2.500 Dollar) ausgeschlagen.

Das schwere Erdbeben in Fukushima hat auch Chinas Praktikantenprogramm erschüttert. Nach Schätzungen der japanischen 'International Training Cooperation Organization' (JITCO) haben mehr als 70 Prozent der über 150.000 in Japan arbeitenden chinesischen Praktikanten, darunter 22.500 im Katastrophengebiet im Nordosten Beschäftigte, das Land verlassen. Jetzt hofft man in Japan, dass diese billigen Arbeitskräfte zurückkehren, denn sie hinterlassen vor allem in der Textilindustrie und in der Landwirtschaft ihres wirtschaftlich schwer gebeutelten Gastlandes eine große Lücke.

In der 'Business Week' warnte der Wirtschaftswissenschaftler Junichi Goto: "Wenn der Wiederaufbau beginnt und die Nachfrage steigt, wird der Exodus der ausländischen Arbeitskräfte schwerwiegende Folgen haben."

Der Neustart biete Japan aber auch eine Chance, mit der ungerechten Behandlung chinesischer Praktikanten Schluss zu machen, betont CLB. Die zivile Organisation empfiehlt: "Es wäre ein guter Anfang, wenn Japan und China bereit wären, die drei wichtigsten internationalen Abkommen, die ILO-Konvention 197 über die Rechte von Migranten, die ergänzende ILO-Konvention 143 sowie die UN-Konvention zum Schutz von Arbeitsmigranten und ihrer Familien zu ratifizieren." (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2011