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INTERNATIONAL/055: Ostafrika - Menschenhandel profitiert von Krisen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2011

Ostafrika: Hunger und Dürren gut fürs Geschäft - Menschenhandel profitiert von Krisen

von Peter Kahare


Rift Valley, Kenia, 10. November (IPS) - Hunger und Dürre in Somalia haben Amina Shakir nach Kenia verschlagen. Dass sie ihr Schicksal in die Hände einer Schlepperbande legte, kam sie teuer zu stehen. Sie gehört zu den vielen Frauen und Mädchen aus den Ländern am Horn von Afrika, die fernab der Heimat ein Leben als Arbeits- oder Sexsklavinnen fristen.

Ein 'Mukhali' (Swahili für Agent), wie die Leiter der illegalen Netzwerke in Somalia genannt werden, hatte ihr einen Platz in einem Lastwagen verschafft. Nach einer 1.000 Kilometer langen Fahrt erreichte sie Nairobi.

"Ich war nicht allein, auch andere Mädchen und ein Mann waren dabei", sagt sie. Die Gruppe sei von fünf Händlern begleitet worden. "Da sie uns zusicherten, bis zur Ankunft in Kenia für unseren Schutz zu sorgen, fühlte ich mich in guten Händen." Doch in Eastleigh, einem Stadtviertel der kenianischen Hauptstadt Nairobi, wurde Shakir an einen Geschäftsmann verkauft, für den sie nun als Ladenhilfe arbeiten muss.

'Womankind Kenya', eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Garissa in Kenias North Eastern Province, geht davon aus, dass jede Woche mindestens 50 Frauen und Mädchen nach Nairobi geschmuggelt werden. "Fahrzeuge, die Miraa (ein narkotisierendes Kraut) von Kenia nach Somalia transportieren, laden auf dem Rückweg Mädchen und Frauen, die für die Bordelle Nairobis bestimmt sind oder von Kenia aus in andere Staaten verschifft werden", berichtet Hubbie Hussein, die Leiterin von Womankind Kenya.


Pro Woche 200 illegale Einwanderer

Der Vizepolizeioffizier der größten und bevölkerungsreichsten kenianischen Provinz Rift Valley, Ephantus Kiura, bestätigt die Angaben. "Mehr als 200 illegale Einwanderer kommen jede Woche aus dem Sudan, Äthiopien, Tansania, Uganda und Somalia über die durchlässige, 400 Kilometer lange Grenze, die Kenia von seinen Nachbarländern trennt.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen in Kenias Coast Province illegal verbracht werden. Kinder aus Ruanda, Tansania, Äthiopien, Somalia und Uganda würden in Kenia als Haushaltshilfen, Sexarbeiter und Viehzüchter eingesetzt.

"Bis zum 28. September hielten sich mehr als 452.000 Flüchtlinge, überwiegend Somalier, im Daadab-Camp in Kenias North Eastern Province auf. Der riesige Ansturm von Flüchtlingen erschwert die Bewegung in der Region und macht die Betroffenen für Menschenhandel und andere Formen der Ausbeutung besonders anfällig", meint der IOM-Pressesprecher Jean-Phillipe Chauzy.

Hussein zufolge ist Nairobi zur Drehscheibe für den nationalen und internationalen Mädchenhandel geworden. Von hier aus werden die Heranwachsenden in andere Teile Kenias und ins Ausland verschickt. "Viele Mädchen werden nach Mombasa (der Touristendestination an der Küste) verbracht, wo der Sextourismus auch vor Kindern nicht Halt macht. Sie sind in Massagesalons oder Schönheitsläden tätig und werden von Reiseunternehmen und Hotels für sexuelle Dienste 'gebucht'.

Der Leiterin von Womankind Kenya zufolge fungieren Reiseleiter und Hotelangestellte als Headhunter, die sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen. Sie kassieren für die Vermittlung eines Mädchens im Alter von zehn bis 15 Jahren um die 600 US-Dollar. "Die gehandelten Kinder werden in abgelegene Villen in Mombasa gebracht", so Hussein.

Einem im Oktober vom 'International Peace Institute' und 'Africa Centre for Open Governance' veröffentlichten Bericht zufolge sind vor allem Frauen und Kinder Opfer des Menschenhandels und werden als Zwangs- oder Sexarbeiter missbraucht. Laut Bericht machen sich Menschenschmuggler Dürre, Armut und den Konflikt am Horn von Afrika zunutze, um ihre Opfer mit der Aussicht auf ein besseres Leben nach Nairobi zu locken.

"Die Menschen fliehen vor den Missständen in diesen Ländern nach Mombasa und Nairobi. Andere zieht es nach Tansania, Ruanda, Malawi und sogar nach Südafrika", berichtet Fatuma Asaad von der Anti-Korruptionsorganisation 'Transparency International'. "Viele, die sich ein besseres Leben ersehnt haben, enden in der Zwangsarbeit oder in Bordellen."


Gesetz gegen den Menschenhandel

Doch wie der Staatssekretär für Immigration im kenianischen Außenministerium, Emmanuel Kisombe, versichert, verfügt Kenia über ein wirksames Gesetz gegen den Menschenhandel. Von Präsident Mwai Kibaki im letzten Jahr unterzeichnet, ahndet es Verstöße mit 30 Jahren Haft und einer Geldstrafe von 300.000 US-Dollar.

Doch Kiura zweifelt, dass das Gesetz den Handel mit Menschen unterbinden kann. Die Korruption innerhalb der Sicherheits- und Einwanderungsbehörden sei so groß, dass seine Umsetzung unwahrscheinlich sei, sagte er.

Einem kenianischen Menschenhändler zufolge verfügen die Netzwerke über beste Verbindungen zu Politikern, Polizeioberen sowie Vertretern der Einwanderungsbehörden, der Fluggesellschaften und sogar von Nichtregierungsorganisationen. Diese einflussreichen Leute einschließlich Diplomaten und Minister in Kenia hätten dafür gesorgt, dass sich die Nachfrage nach ausländischen Visa zu einem lukrativen Geschäft entwickelt habe. Sie seien für 10.000 bis 15.000 Dollar zu haben.

Nach Angaben von Aggrey Adoli, dem Polizeioffizier der Coast Province, werden jede Woche um die 140 Personen verhaftet, die von Schmugglern illegal nach Kenia gebracht wurden. 7.280 Festnahmen jährlich seien aber nur die Spitze des Eisbergs, meint er. Dürre und Konflikte hätten die Zahl der Flüchtlinge deutlich erhöht. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.womankindkenya.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105677

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2011