Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

INTERNATIONAL/142: Chile - Moderner Sklavenhandel breitet sich aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2013

Chile: Moderner Sklavenhandel breitet sich aus

von Marianela Jarroud



Santiago de Chile, 26. Februar (IPS) - Der Menschenhandel in Chile boomt, heißt es in einem Bericht des US-Außenministeriums. Das lateinamerikanische Land ist demzufolge "Ursprungs-, Transit- und Zielland für Opfer von Menschenhändlern". Männer, Frauen und Kinder werden demnach sexuell ausgebeutet oder zu Niedriglöhnen beschäftigt.

Die Schätzungen liegen dabei weit über den offiziellen Angaben. "Die Zahl der untersuchten Kriminalfälle im Zusammenhang mit dem Menschenhandel unterscheidet sich wesentlich von unserer Wahrnehmung, dass die Zahl der Opfer rapide zugenommen hat", sagte der Chef der Abteilung für Wirtschaftskriminalität der chilenischen Polizei, Mauricio Fernández, gegenüber IPS. "Wir gehen davon aus, dass viele Fälle entweder nicht angezeigt oder nicht weiter verfolgt werden."

Nach Angaben der zuständigen Unterabteilung des Innenministeriums wurden von 2007 bis 2011 22 Menschen als Opfer von Menschenhandel identifiziert, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Im gleichen Zeitraum konnten 63 Personen im Zusammenhang mit dem Verbrechen gefasst und zehn von ihnen rechtskräftig verurteilt werden.


Falsche Versprechungen

Genaue Zahlen nennt auch der Bericht über den Menschenhandel des US-Außenministeriums nicht. Die Behörde sieht Chile allerdings als einen großen Umschlagplatz, wobei viele der als Sexarbeiter oder Billiglöhner ausgebeuteten Menschen aus Chile selbst stammen. "Doch auch Frauen und Mädchen aus anderen lateinamerikanischen und karibischen Ländern wie Argentinien, Bolivien, Peru, Paraguay, der Dominikanischen Republik und Kolumbien werden mit falschen Versprechungen nach Chile gelockt, wo sie dann zur Prostitution und sklavenartiger Hausarbeit gezwungen werden."

In Lateinamerika sind nach Angaben der Organisation Amerikanischer Staaten zwei Millionen Menschen Opfer von Menschenhändlern. Das Geschäft bewegt 6,6 Milliarden US-Dollar.

Im Jahr 2011 verabschiedete das chilenische Parlament ein Gesetz, das diese Praxis verbietet. Im Gesetz Nr. 20.507 werden die unterschiedlichen Typen des Menschenhandels definiert. Als Opfer gelten nicht zuletzt jene Menschen, die verschleppt werden, um einer bestimmten Arbeit nachzugehen. Auch der Handel mit Migranten fällt unter das Gesetz.

"Seitdem es das Gesetz gibt, wurden die Untersuchungen dieser Fälle verschärft", berichtet Fernández. Es sei ferner zu vermehrten Anklagen gekommen. Allerdings habe sich gezeigt, dass die Polizei nicht ausreichend auf die Untersuchung solcher Fälle vorbereitet sei. Die Beamten benötigten zudem eine bessere Ausrüstung.


Ex-Präsidentschaftskandidat angeklagt

Der Menschenhandel machte im Jahr 2011 Schlagzeilen, als 67 Paraguayer entdeckt wurden, die illegal und unter menschenunwürdigen Bedingungen in Unternehmen des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Francisco Javier Errázuriz arbeiten mussten. Errázuriz wurde vom Innenministerium und dem Institut für Menschenrechte wegen des Handels mit Immigranten angezeigt und sein Fall vor Gericht verhandelt. Am 14. Februar dieses Jahres wurde das Verfahren jedoch eingestellt, da ein medizinisches Gutachten dem Angeklagten Unzurechnungsfähigkeit attestierte.

Anfang 2012 wurde bekannt, dass der Unternehmer und ehemalige Honorarkonsul der Pinochet-Diktatur Eugenio Mujica 43 Peruaner auf sein Landgut gelockt hatte. Der Lohn, den er ihnen für die Pflaumenernte versprochen hatte, wurde nie ausbezahlt, die Lebensbedingungen stellten sich als wesentlich schlechter heraus als angegeben.

Um Frauen zu helfen, die beispielsweise zur Prostitution gezwungen wurden, haben das Katholische Institut für Migration 'Incami' und der Nationale Frauendienst ein Frauenhaus eingerichtet. Während es immer schlimm sei, zur Prostitution gezwungen zu werden, treffe es diejenigen Frauen noch härter, die vorher verschleppt worden seien. "Man wird an einen Ort gebracht, den man nicht kennt, an dem man keine sozialen Netze hat", sagt Ingrid Almendras von der Nichtregierungsorganisation Raíces, die sich mit sexueller Ausbeutung beschäftigt.

"Oft werden die Frauen in die Drogensucht getrieben, um ihre Abhängigkeit von ihren Zuhältern zu vergrößern." Um diese Frauen von ihrer Drogensucht zu befreien, müssten sie mindestens drei bis vier Jahre behandelt und betreut werden. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.incami.cl/home.php
http://www.ongraices.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102409

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2013