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INTERNATIONAL/145: Libyen - Drogensucht wird zum Problem, Sicherheitskontrollen zu lasch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. April 2013

Libyen: Drogensucht wird zum Problem - Rauschgifthändler profitieren von laschen Kontrollen

von Maryline Dumas


Bild: © Maryline Dumas/IPS

Mitglieder der Polizei-Sondereinheit zur Bekämpfung von Drogen- und Alkoholschmuggel
Bild: © Maryline Dumas/IPS

Tripolis, 5. April (IPS) - Eine Dosis LSD oder des Schmerzmittels Tramadol kostet in Libyen umgerechnet 78 US-Cent. Dass sich in dem nordafrikanischen Land selbst arme Menschen Drogen leisten können, ist beabsichtigt. "Die niedrigen Preise sollen die Nachfrage steigern und den Markt vergrößern", kommentiert ein westlicher Diplomat in Tripolis die Lage. "Sobald genug Menschen süchtig sind, werden die Preise in die Höhe gehen."

Über die Zahl der Rauschgiftabhängigen in Libyen liegen zwar bisher noch keine genauen Angaben vor. Sicher ist jedoch, dass der Drogenhandel blüht. Abdullah Fannar, der stellvertretende Leiter des psychiatrischen Krankenhauses in Gargaresh, einem wohlhabenden Viertel im Osten von Tripolis, nimmt die zunehmende Zahl von Drogensüchtigen mit Sorge zur Kenntnis. "Wir hatten vor zehn Jahren für diese Patienten eine spezielle Abteilung und denken jetzt daran, sie wiederzueröffnen."

Wie Fannar berichtet, werden in sein Krankenhaus drogenabhängige Häftlinge eingewiesen. Auch sprechen immer mehr Angehörige von Suchtopfern vor, die sich dort Hilfe erhoffen. Betroffen sind in erster Linie junge Leute und Rebellen, die nach dem Krieg unter posttraumatischen Störungen litten, meint der Mediziner. In Libyen sind Drogen und Alkohol verboten. Anfang März starben mehrere Dutzend Menschen durch eine Vergiftung mit Methanol in gepanschtem Alkohol.

Der Schmuggel von Drogen und Alkohol in Libyen ist kein neues Phänomen. Unter dem früheren Machthaber Muammar al Gaddafi (1969-2011) wurde Libyen als Drehscheibe des illegalen Handels zwischen Afrika und Europa in mehreren Berichten der Vereinten Nationen erwähnt. Seitdem die neue libysche Regierung die Grenzen nicht mehr streng kontrolliert, hat der Rauschgiftschmuggel zugenommen.


Schärfere Grenzkontrollen geplant

"Wir kennen das Problem mit dem Alkohol- und Drogenschmuggel, vor allem an unseren südlichen Grenzen", sagte Oberst Adel Barasi, ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Wir arbeiten an einer Überwachungsstrategie sowie an Training und Ausbildung der Sicherheitskräfte. So Gott will, wird die libysche Armee bald in der Lage sein, unsere Grenzen zu schützen."

Wie Céline Bardet, Expertin für grenzüberschreitende Verbrechen, berichtet, führen globale Drogenschmuggelrouten bevorzugt durch Länder mit laschen Sicherheitskontrollen. Sie befürchtet, dass sich die Situation in Libyen noch weiter verschlechtern wird. Bardet, die als Beraterin für die Europäische Kommission tätig ist, schließt nicht aus, dass in Libyen sogar bereits Drogen produziert werden, auch wenn es dafür bisher keine Beweise gibt. "Die Polizei nimmt sich aber mit internationaler Hilfe allmählich des Problems an."

In einem Stadtteil im Osten von Tripolis kann eine im vergangenen Jahr gegründete Sondereinheit der Polizei im Kampf gegen Drogen- und Alkoholschmuggel Erfolge vorweisen. So berichtet Abdulkahim Belhasi, der Sprecher der Einheit, dass sieben Kilo Heroin und Kokain beschlagnahmt wurden, außerdem eine nicht näher bestimmte Menge an Cannabis, 1.400 Tramadol-Tabletten, Whiskey und Wodka sowie 1.400 Liter gepanschter Alkohol. Die konfiszierten Güter sollen vernichtet werden.

Bei der jüngsten Razzia, die am 23. Februar von dem Sprecher der libyschen Marine, Oberst Ayoub Gacem, bekannt gemacht wurde, konfiszierte die libysche Küstenwache 30 Tonnen Rauschgift. Drei Personen wurden festgenommen. Welche Art Drogen gefunden wurden, ist nicht bekannt.

"Wir befinden uns im Krieg gegen diejenigen, die das moralische Gerüst unserer Jugend zerstören wollen", betont Belhasi, der Gaddafi-Anhänger für den Schmuggel verantwortlich macht. Sie seien die einzigen, die über genügend finanzielle Mittel verfügten. Doch über derartige Anschuldigungen kann ein junger Drogenkonsument, der sich Anonymität ausbat, nur lachen. Wie er berichtet, verfolgen die Islamisten im Namen der Scharia jeden, der sich einen Drink oder Joint genehmige.


Drogenhändler besser ausgestattet als die Polizei

Khaled Kara, ein Mitglied einer Organisation, die gegen Drogen kämpft, warnt vor jeder Form von Generalverdacht. "Ich trage einen Bart und könnte für einen Islamisten gehalten werden", sagt er. "Tatsächlich bin ich gemäßigt." Kara bereitet vor allem die Gewaltbereitschaft der Drogenschmuggler Sorge. "Sie schrecken vor nichts zurück, wenn es darum geht, ihr Geschäft zu schützen. Mit Raketenwerfern sind sie sogar besser ausgestattet als die Polizei, die nur Handfeuerwaffen besitzt", erläutert er.

Die Mitglieder der Sondereinheit räumen ein, dass sie eine bessere Ausrüstung gut gebrauchen könnten. Sie stehen vielfach unter Druck. "Mein 18 Monate alter Sohn wurde entführt", berichtet ein Beamter namens Kamal, der seinen vollen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will. "Als wir ihn nach einigen Stunden fanden, entdeckte ich eine Botschaft für mich: 'Wenn du nicht deine Arbeit aufgibst, wird das nächste Mal deine Frau dran sein." Angesichts solcher Gefahren lassen sich die meisten Polizisten der Einheit nur mit Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit blicken. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2013/04/libyans-fighting-drug-dealers-for-our-country/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2013