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INTERNATIONAL/188: Somalia - Keine Geldüberweisungen mehr aus dem Ausland möglich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2015

Somalia:
Wichtigste Lebensader gekappt - Keine Geldüberweisungen mehr aus dem Ausland möglich

von Lisa Vives


Bild: © Oxfam/Petterik Weggers

Frauen in Somalia
Bild: © Oxfam/Petterik Weggers

New York, 26. Februar (IPS) - Der Goodwill-Botschafter der kenianischen Hilfsorganisation 'Adeso', der Schauspieler Barkhad Abdi, hatte in der vorletzten Februarwoche zum ersten Mal seit vielen Jahren sein ehemaliges Heimatland Somalia besucht. Anlass war nicht der Selbstmordanschlag auf ein Hotel in Mogadischu mit 25 Toten und 40 Verletzten. Vielmehr wollte er auf ein Problem hinweisen, das besonders die einfachen Leute des Landes betrifft: den Verlust der Transferwege für die Geldüberweisungen der in der Diaspora lebenden Somalier.

Bisher überwiesen Exil-Somalier jährlich 1,3 Milliarden US-Dollar an die Verwandten daheim. "Die kleinen Beträge, die die im Ausland lebenden Somalier ihren Angehörigen zukommen ließen, stellten die wichtigsten Einnahmen des Landes dar", heißt es in einem neuen von Adeso, 'Oxfam International' und dem 'Global Center on Cooperative Security' am 19. Februar herausgegebenen Bericht mit dem Titel 'Hanging on by a Thread'.

Die Überweisungen machten zwischen 25 bis 45 Prozent des somalischen Bruttoinlandsprodukts aus und überstiegen die humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und die Auslandsdirektinvestitionen zusammengenommen. Die Geldsendungen hätten geholfen, die Rolle der Somalierinnen zu stärken, und Männern eine Alternative zu dem Angebot der bewaffneten Gruppen geboten, sich ihnen anzuschließen. "Das Geld ist die Lebensader des Landes."

Da es in Somalia kein formelles Bankensystem gibt, waren kleine Geldvermittlerfirmen entstanden, die sich auf den internationalen Geldtransfer spezialisiert hatten. Über diese Kanäle kamen die Überweisungen auf legalem Weg bei Verwandten und Freunden an. Doch damit die Firmen die Gelder transferieren können, brauchen sie Bankkonten. Doch die wurden ihnen von den meisten Finanzinstituten nach und nach gekündigt - zuletzt von der kalifornischen 'Merchants Bank' (MBC).

Die Entscheidung begründete die MBC damit, dass es ihr nicht gelungen sei, die Bedürfnisse der Geldübermittlungsfirmen mit den eigenen Sicherheits- und Sorgfaltsauflagen in Einklang zu bringen. Der Großteil der Geldüberweisungen nach Somalia kommt aus den USA.


Kritik

Wie Laura Hammond von der 'UK School of Oriental and African Studies' erklärt, haben die Somalier, die in den USA leben, seit dem Rückzug der MRC aus dem Geschäft mit den Auslandsüberweisungen Anfang Februar nur noch drei Möglichkeiten: Sie können die Zuwendungen an ihre Verwandten am Horn von Afrika einstellen. Sie können versuchen, sich legale alternative Wege zu erschließen, was jedoch höhere Bearbeitungsgebühren und geringere Beträge bedeuten würde." Oder aber sie nutzen inoffizielle und illegale Wege."

Der britische Journalist George Monbiot warf der US-Währungskontrollbehörde sogar vor, "der mächtigste Terroristenanwerber der Welt zu sein". Die Folgen ihrer Entscheidung, in einem der ärmsten Staaten eine humanitäre Katastrophe auszulösen, könnten noch jahrzehntelang weltweit zu spüren sein. "Während der Hungersnot 2011 retteten britische Somalier hunderttausende Menschenleben, indem sie Geld in die Heimat schickten. Sie erreichten ihre Familienmitglieder, noch bevor Hilfsorganisationen aktiv werden konnten", erinnerte Monbiot in einem Beitrag in der britischen Zeitung 'The Guardian'.

Die staatlichen Hilfsagenturen hätten damals dieselben informellen Überweisungswege - die Hawala - genutzt, um 1,5 Millionen Menschen Geld zu schicken und damit weiteren hunderttausenden Menschen das Leben zu retten. "Heute sind etwa drei Millionen der sieben Millionen Somalier mit Nahrungsmitteln unterversorgt. Die Geldzufuhr zu kappen, wird fürchterliche Folgen haben", ist Monbiot überzeugt.

Den Journalisten zufolge wurden mit den Geldern aus dem Ausland in Somalia Schulen und Wohneinheiten gebaut und Geschäfte gegründet. Das seien wichtige Maßnahmen, um ein Land zu befähigen, sich aus eigener Kraft aus Abhängigkeit und Chaos zu befreien. Die teureren Überweisungswege, etwa 'Western Union', seien keine Option, auch weil diese Unternehmen bisher nicht am Horn von Afrika operierten.


Geld wird nun im Untergrund verschoben

Oxfam geht davon aus, dass ein großer Teil der etwa 200 Millionen Dollar, die jedes Jahr von den USA aus nach Somalia geschickt wurden, nun im Untergrund fortbewegt werden wird. Wie in alten Zeiten würden die Beträge nun, in Taschen versteckt, auf Reisen geschickt.

Der Goodwill-Botschafter Abdi war beeindruckt, wie sich sein Geburtsland entwickelt hat. "Ich hatte erwartet, in ein Land zu kommen, das am Boden liegt", sagte er. "Stattdessen stieß ich überall auf menschliche Widerstandsfähigkeit, Unternehmergeist und Hoffnung. Ich sah nicht nur den Konflikt, die Dürre und den Hunger, sondern auch Menschen, die sich eine bessere Zukunft aufbauen."

Die Geldüberweisungen aus Übersee spielten dabei eine wichtige Rolle, so der Schauspieler. "Diese Lebensader darf nicht abgeschnitten werden, wenn nicht die bisherigen Fortschritte zunichte gemacht werden sollen." (Ende/IPS/ck/2015)


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IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

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