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KRIMINALITÄT/066: Bahrain - Kindesmissbrauch nimmt zu, milde Strafen für die Täter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2012

Bahrain: Kindesmissbrauch nimmt zu - Milde Strafen für die Täter

von Suad Hamada



Manama, 26. September (IPS) - Eine 34-jährige Lehrerin, deren achtjähriger Sohn im Alter von drei Jahren Opfer sexueller Übergriffe wurde, hat den Vorfall nie zur Anzeige gebracht. Da war die Angst, man könnte ihr vorgeworfen, nicht ausreichend auf das Kind aufgepasst zu haben.

"Das Hausmädchen hat ihn draußen nur einen Moment allein gelassen, um Milch zu holen", erzählt sie IPS. Mehrere Teenager hatten ihn zu einem Rohbau in der Nähe geführt", erzählt sie. Die Haushaltshilfe überraschte die Jugendlichen dabei, wie sie das Kind sexuell belästigten.

"Ich konnte den Vorfall nicht melden, weil die Täter in der Nachbarschaft wohnen", erklärt die Frau. "Ich will nicht, dass die Leute mir Vorwürfe machen oder meinen Jungen bloßstellen." Sie brachte ihren Sohn nach dem Missbrauch auch nicht zum Arzt.

Kinderaktivisten gehen bei Missbrauchsfällen in der konservativen bahrainischen Gesellschaft von einer hohen Dunkelziffer aus. Eltern scheuen sich vor rechtlichen Schritten, nicht zuletzt weil die Täter häufig aus der eigenen Familie oder der Nachbarschaft stammen.

Die ehemalige Leiterin des staatlichen Kinderschutzzentrums, Fakhriya Dairi, erklärt, dass ihre Organisation anonyme Anzeigen von Nachbarn oder engen Angehörigen erhält. "In einigen Fällen schaffen wir es, die Übergriffe nachzuweisen. In anderen Fällen gelingt es den Eltern die Wahrheit zu verbergen."

Kinderschützer und Juristen kritisieren, dass die Täter, die zur Rechenschaft gezogen werden, zu milde Strafen erhalten. Außerdem gebe es keine Gesetze, die sich auf dieses konkrete Problem des Kindesmissbrauchs bezögen.

Sharifa Swar, die Direktorin des Batelco-Zentrums für Hilfe gegen Gewalt in der Familie hat einen deutlichen Anstieg der Missbrauchsfälle festgestellt. So werden dem Zentrum jede Woche durchschnittlich drei Fälle gemeldet. Im vergangenen Jahr registrierte das Zentrum insgesamt 408 Fälle von Missbrauch, nicht nur an Kindern, sondern auch an Frauen. Bislang hat Bahrain noch keine umfassende Studie über Kindesmissbrauch durchgeführt, daher sind offizielle Zahlen kaum vorhanden.

Auch Swar geht von einer hohen Dunkelziffer aus. "Wir brauchen strenge Gesetze, um unsere Kinder zu schützen", forderte sie in einer Mitteilung. "Die geltenden Gesetze sind nicht mehr zeitgemäß und können Tätern dazu verhelfen, der Strafe zu entgehen."


Täter kommen mit milden Strafen davon

Nach geltendem Recht muss ein Erwachsener, der ein Kind unter zwölf Jahren sexuell missbraucht, mit bis zu 15 Jahren Haft rechnen. Ist das Opfer älter, verringert sich das Strafmaß auf maximal neun Jahre. Die Aktivistin Fawziya Janahi weist jedoch darauf hin, dass sich viele Täter der Strafe entziehen. Erst kürzlich sei ein 25-jähriger Mann zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, nachdem er ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt hatte. Er hatte behauptet, der Sex sei einvernehmlich erfolgt.

"Ich kämpfe immer noch für die Rechte einer 14-Jährigen, die schwanger wurde, nachdem sie von vier Männern vergewaltigt worden war", berichtet die Juristin. "Nur einer der Täter hat bisher gestanden. Er könnte der Strafe entgehen, wenn er einverstanden wäre, das Opfer zu heiraten." Unzureichende Gesetze und Vorurteile in der Gesellschaft machten sexuellen Missbrauch für das Opfer zu einem lebenslangen Leiden.

Janahi plädiert daher für eine Verschärfung der Gesetze durch eine Reform des Strafrechts. Sie hofft auf ein Gesetz gegen häusliche Gewalt, das derzeit dem Parlament vorliegt. Es könnte die Rechte von Missbrauchsopfern stärken. Eltern, die die Übergriffe verheimlichten, könnten wegen Vernachlässigung und Misshandlung zur Verantwortung gezogen werden.

Das 'Be Free'-Zentrum, das sich für sichere Lebensbedingungen für Kinder einsetzt, hat außerdem einen ethischen Kodex zum Schutz von Kinderrechten entworfen. Das Dokument kann unter anderem Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Medien als Basis dafür dienen, beim Entwurf ihrer Strategien die Sicherheit von Kindern zu berücksichtigen. Vertreter der Zivilgesellschaft suchen derzeit die Unterstützung von Abgeordneten für das neue Gesetz.


Beratung und Kurse für Kinder

Laut der Direktorin von 'Be Free', Rana Al Sairafi, werden 50 bis 60 Prozent aller Fälle von Kindesmissbrauch nicht gemeldet. Um die Familien zu erreichen, die sich Behörden oder Nichtregierungsorganisationen nicht anvertrauen wollten, hat das Zentrum eine Hotline geschaltet, über die kostenlose Beratung unter Wahrung der Anonymität angeboten wird. Außerdem werden Kurse für Kinder unterschiedlicher Altersgruppen abgehalten, in denen sie lernen, wie sie sich vor Missbrauch und Ausbeutung schützen können.

Dairi bietet in einem eigenen Zentrum kostenpflichtig Beratung an, die in der letzten Zeit aber weniger genutzt wird. Sie vermutet, dass sich viele arme Familien aufgrund akuter finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr an sie wenden können.

Für Therapien und psychologische Hilfe berechnen private Kliniken durchschnittlich 50 US-Dollar pro Sitzung. Oftmals dauern die Therapien bis zu einem Jahr. Für die 14.000 Bahrainer, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sind diese Kosten nicht zu schultern. Sie verdienen monatlich umgerechnet höchstens 1.000 Dollar. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.befreecenter.org/en/
http://www.ipsnews.net/2012/09/child-abuse-on-the-rise-in-bahrain/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2012