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REDE/063: Von der Leyen - Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, 23.09.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vor dem Deutschen Bundestag am 23. September 2011 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Das Gesetz, das wir heute abschließend beraten, behandelt die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen mit der Neuordnung der Instrumente vor allen Dingen die Zahl der Instrumente reduzieren; denn wir wissen, dass Vermittlerinnen und Vermittler vor Ort aus dem Instrumentenkasten ein bestimmtes Reservoir kennen und das dann auch anwenden. Masse ist hier nicht gefragt - sie verwirrt nur -, sondern Zielgenauigkeit. Wir wollen deshalb auch mehr Flexibilität für die Vermittlerinnen und Vermittler vor Ort ermöglichen. Schließlich haben wir die Akzente verschoben. Über all das wollen wir heute debattieren.

Das Gesetz kommt zur rechten Zeit; denn die Nachfrage nach Arbeit ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Das zeigt sich auch an allen Daten: Wir haben eine Rekordbeschäftigung, die höchste seit der Wiedervereinigung; es gibt eine Million offene Stellen; die Arbeitslosigkeit ist unter drei Millionen gesunken; und es gelingt uns inzwischen, die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit langsam, aber sicher abzubauen.

Das war viele, viele Jahre nicht der Fall. Allein in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen von 1,7 Millionen fast auf die Hälfte gesunken, nämlich auf 880 000. Das ist erfreulich für die Menschen; das ist erfreulich für den Arbeitsmarkt. Es ist ein Zeichen der guten Bilanz der Bundesregierung unter Angela Merkel.

Diese gute Zeit am Arbeitsmarkt wollen wir nutzen und die arbeitsmarktpolitischen Instrumente neu ausrichten. Wir rechnen weiterhin mit einer stabilen Wirtschaft und einem robusten Arbeitsmarkt, auch wenn wir wissen, dass es internationale Risiken gibt. Trotzdem: Der Arbeitsmarkt ist robust.

Wir müssen umstellen von dem Szenario der Massenarbeitslosigkeit, das wir lange hatten, auf das Szenario "Wir suchen Fachkräfte". Dazu müssen die Menschen passgenau qualifiziert werden. Das heißt, wir müssen auch die alten Förderrezepte, die in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit funktioniert haben, sorgfältig überprüfen. Das haben wir getan. Wir räumen gewissermaßen den Instrumentenkasten mit diesem Gesetz auf.

Wir wollen eine einfache Handhabung, wir wollen passgenaue und individuelle Hilfen. Deshalb möchte ich zwei Punkte aufgreifen, die oft in der Kritik sind, die aber auch zeigen, wo die neuen Akzente liegen.

Wir gehen weg von der globalen Betrachtung der Arbeitslosen, insbesondere der Langzeitarbeitslosen, und sagen nicht mehr: "Alle Instrumente müssen für alle passen" - also nach dem Motto: "One fits all", Instrumente von der Stange -, sondern wir wollen Instrumente, die personenzentriert, individuell und passgenau sind.

Nehmen wir zum Beispiel die Gruppe der Alleinerziehenden. Langzeitarbeitslose Alleinerziehende waren über Jahre ein Block, in dem sich kaum etwas bewegt hat, weil die Grundhaltung in etwa lautete: Sie hat ein Kind; es lohnt sich sowieso nicht. - Wir haben im letzten Jahr eine Umstellung vorgenommen und gesagt: Das Motto muss lauten: Weil sie ein Kind hat, müssen wir dafür sorgen, dass Kinderbetreuung gewährleistet ist, dass es familienfreundliche Arbeitsplätze gibt, dass Netzwerke gebildet werden. - Wir stellen jetzt unter dem Strich fest: Die Langzeitarbeitslosigkeit der Alleinerziehenden sinkt schneller als die Langzeitarbeitslosigkeit insgesamt. Dies zeigt: Die passgenaue Ausrichtung unserer Instrumente ist in dieser Zeit der richtige Weg.

Immer wieder wird die Summe, die für die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung gestellt wird, kritisiert. Die sinkende Arbeitslosigkeit bringt mit sich, dass wir nicht mehr ein und dieselbe starre Summe ausgeben müssen. Dennoch steht im Rahmen der Grundsicherung in 2012 knapp eine Milliarde Euro mehr für Eingliederung und Verwaltung zur Verfügung, als es im Jahr 2007 der Fall war. Alle wissen: Dazwischen gab es eine Krise und ein Konjunkturpaket gegen Arbeitslosigkeit. Der Vergleich zeigt: Heute steht 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung. Damals gab es aber 660 000 Langzeitarbeitslose mehr als heute. Das heißt, wir stellen mehr Mittel zur Verfügung, obwohl es weniger Arbeitslose gibt und der Arbeitsmarkt deutlich aufnahmefähiger ist. Es geht also nicht nur um die Masse der Instrumente. Es geht vor allen Dingen um Zielgenauigkeit und Präzision.

In der Grundsicherung für Arbeitsuchende verändern wir etwas, gerade mit Blick auf die öffentlich geförderte Beschäftigung. Wir gehen weg von der Dauerförderung künstlich geschaffener Arbeitsplätze. Sie waren in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit richtig. Sie sind für Menschen, die überhaupt keine Chance am Arbeitsmarkt haben, auch heute noch richtig. Aber in einer Zeit, in der auf dem ersten Arbeitsmarkt händeringend Arbeitskräfte gesucht werden, dürfen sie nicht weiterhin das dominierende Instrument sein.

Die Untersuchungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass zu häufig die Falschen künstlich geförderte Arbeitsplätze hatten und Menschen dadurch sogar Chancen, in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren, verpasst haben. Deshalb verfahren wir nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip. Wir sagen zum Beispiel: Es muss genau begründet werden, warum jemand einen 1-Euro-Job braucht. Dann kann er auch zur Verfügung gestellt werden. Dies darf aber nicht mehr mit der bisherigen Pauschalität und in der bisherigen Größenordnung geschehen. Ich glaube, das ist eine richtige Umstellung.

Wir müssen weg von der künstlich geförderten Beschäftigung und viel stärker auf Weiterbildung und Qualifizierung setzen, damit die Menschen aufgrund ihrer Qualifikation Anschluss an den ersten Arbeitsmarkt finden. Deshalb investieren wir bei weniger als drei Millionen Arbeitslosen drei Milliarden Euro in Weiterbildung und, insbesondere mit Blick auf Jugendliche, 3,2 Milliarden Euro in den Bereich des Übergangs von Schule, Ausbildung und Beruf. Dadurch helfen wir passgenau den jungen Menschen, die, obwohl es derzeit viele offene Lehrstellen gibt, noch nicht die richtige Lehrstelle gefunden haben. 500 000 jungen Menschen greifen wir damit unter die Arme.

Ich glaube, wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zur rechten Zeit kommt, die richtigen Akzente setzt und die richtige Politik unterstreicht.


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Quelle:
Bulletin Nr. 95-2 vom 23.09.2011
Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen,
zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt
vor dem Deutschen Bundestag am 23. September 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2011