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GRIECHENLAND/002: Generalstreik in Griechenland (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 16. Juni 2011

Generalstreik in Griechenland

Umfassende Streikbeteiligung der Schaffenden im öffentlichen Dienst und in wichtigen Teilen der Privatwirtschaft

Von Heike Schrader, Athen


Als Antwort der Betroffenen auf die neuen von Regierung und Kreditgebern geforderten Sparmaßnahmen fand am Mittwoch der dritte Generalstreik des Jahres in Griechenland statt. Die Beteiligung im öffentlichen Dienst und wichtigen Teilen der privaten Wirtschaft war umfassend: Sämtliche Schulen, Universitäten und Behörden blieben geschlossen, der öffentliche Fernverkehr ruhte, die Schiffe blieben in den Häfen, die Krankenhäuser nahmen nur Notfälle auf und alle größeren Industriebetriebe standen still. Starke Behinderungen gab es bei den Banken, wo sich nach Angaben der Gewerkschaftsdachverbände 90 Prozent der Angestellten der staatlich kontrollierten Finanzinstitute beteiligten. Dem Streik hatten sich auch viele Einzelhändler angeschlossen, die zumindest für einige Stunden die Rolläden herunterließen.

Der gestrige Generalstreik war auch für das widerständige Griechenland ein außergewöhnlicher. Denn neben den beiden Gewerkschaftsdachverbänden GSEE (Privatwirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) hatten auch die »Empörten« zu Protestaktionen aufgerufen. Bereits in den frühen Morgenstunden versammelten sie sich auf den Straßen der Hauptstadt, mit dem Ziel, das griechische Parlament symbolisch abzuriegeln. Denn dort sollte gestern die Diskussion um das »Mittelfristige Programm für eine Finanzwissenschaftliche Strategie« in der zuständigen Kommission beginnen. Es sieht ein umfangreiches Privatisierungsprogramm, neue drastische Steuererhöhungen für die Schaffenden und Rentner sowie weitere Beschneidungen bei den öffentlichen Ausgaben vor. Die vollständige Umzingelung des Parlamentes gelang nicht, da die Polizei bereits zuvor den Bereich um den Eingang zum Parlamentsgelände weiträumig abgesperrt hatte. Vor dem Parlament aber hatten sich gegen Mittag bereits zehntausende »Empörte« versammelt, die ihren Widerstand über die gegen den Volkswillen gerichtete Politik lautstark z um Ausdruck brachten.

Parallel dazu fanden gestern in Athen gleich drei weitere Kundgebungen und Demonstrationen statt. Die größte davon war die der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME. Die der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) nahestehende Gewerkschaftsfront beteiligt sich nicht an den Mobilisierungen der »Empörten«, deren Ablehnung aller Parteistrukturen von KKE und PAME als reaktionär kritisiert wird. Es brauche einen »koordinierten und gezielten Kampf« erklärte Alekos Avranitidis vor den versammelten PAME-Gewerkschaften. »Es reicht nicht, wenn das Memorandum über die Sparmaßnahmen aufgekündigt wird«, sagte der Gewerkschaftsfunktionär, »wir müssen die Politiken loswerden, die Memoranden gebären«. In einem anschließenden Marsch zog die PAME zum Syntagma-Platz vor das Parlament und forderte die dort Versammelten auf, sich dem Kampf der PAME für eine radikale Veränderung der Verhältnisse anzuschließen.

Zeitgleich fanden wenige hundert Meter voneinander entfernt die Kundgebungen der Gewerkschaftsdachverbände sowie der unabhängigen Basisgewerkschaften und der außerparlamentarischen Linken statt. »Die Erwerbstätigen weigern sich, ein weiteres Mal für die Schuldenkrise und die Fehler der neoliberalen Politik zu bezahlen«, erklärte Stathis Anestis, Generalsekretär der GSEE auf der Kundgebung der Dachverbände. Nachdem auch die Demonstrationen der Dachverbände, sowie der Basisgewerkschaften und außerparlamentarischen Linken am Parlament angekommen war, kam es dort zu Zusammenstößen mit der Polizei, als Demonstranten versuchen, die hermetische Absperrung vor dem Eingang zu überwinden. Schwerere Auseinandersetzungen lieferten sich am Nachmittag Autonome mit der Polizei.


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2011