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LIBYEN/002: Afrikanische Söldner in Libyen - Tatsache oder Rassismus? (afrol News)


afrol News - 26. Februar 2011

Afrikanische Söldner in Libyen - Tatsache oder Rassismus?


afrol News, 26. Februar - Protestierende in Libyen behaupten, gegen sie würden "afrikanische Söldner", hauptsächlich aus dem Niger und dem Tschad, eingesetzt. Andere Quellen bestreiten dies aus Sorge, daß Rassismus hinter dieser Behauptung stecken könnte.

Seit Beginn der libyschen Revolte berichten Protestierende aus dem ganzen Land von extremer Gewaltanwendung durch die libysche Armee, Polizeikräfte, Zivilagenten des Regimes sowie Scharfschützen und - mehr und mehr - von "schwarzafrikanischen Söldnern". Letztere Gruppe wird in wachsendem Maße als die brutalste beschrieben.

Die Protestierenden veröffentlichen Fotos und Videos im Internet mit der eindringlichen Botschaft, daß diese "den Einsatz afrikanischer Söldner dokumentieren". Einige dieser Videos zeigen in der Tat bewaffnete Gruppen dunkelhäutiger Personen mit und ohne Uniform.

Das stichhaltigste Indiz für die Anwesenheit "schwarzafrikanischer Söldner" kommt aus den "befreiten Städten" Benghazi und Al-Bayda, in denen Dutzende Afrikaner aus Subsahara im Kampf gefangengenommen und interniert wurden. Ihre beschlagnahmten ID-Karten deuten darauf hin, daß die angeblichen Söldner hauptsächlich aus den Nachbarstaaten Niger und Tschad stammen, aber auch aus dem Sudan und anderen Staaten südlich der Sahara.

Die Existenz von Söldnern aus Subsahara in Libyen wird jedoch auch von mehreren Quellen bestritten. Oberst Ghaddafi hat in seiner ersten Fernsehansprache mehrfach auf diese Behauptungen angespielt und daran erinnert, daß Libyer "sowohl hell- als auch dunkelhäutig" und von unterschiedlicher Herkunft seien.

Herr Ghaddafi hat sich natürlich als am wenigsten verläßliche Quelle in dieser Auseinandersetzung erwiesen, und die Tatsache, daß er darauf besteht, daß es keine afrikanischen Söldner in Libyen gibt, weist deshalb eher auf das Gegenteil hin.

Eine weitere Quelle, die die Existenz von Söldnern aus Subsahara in Libyen vehement bestreitet, ist der Außenminister des Tschad. "Es werden keine Bürger aus dem Tschad geschickt oder hier rekrutiert, um als Söldner in Libyen zu dienen", lautete die Erklärung des Ministeriums mit der Ergänzung, der Tschad sei in keiner Weise an den aktuellen Geschehnissen in Libyen beteiligt.

Die wiederholten Berichte über Söldner aus dem Tschad "könnten einen ernsthaften physischen und materiellen Schaden für in Libyen lebende Bürger des Tschad nach sich ziehen", lautete die Regierungsstellungnahme aus dem Tschad, die darüber hinaus an die "Staatsbürger des Tschad, die friedlich in diesem Bruderland gelebt haben, appellierte, von allen Aktionen abzusehen, die ihre Sicherheit gefährden könnten".

Von der Militärregierung des Niger - die sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt vollkommen darauf konzentriert, freie und faire Wahlen abzuhalten, um eine Periode des demokratischen Wandels zum Abschluß zu bringen - gibt es keinen Kommentar zu den Ereignissen in Libyen oder den Anspielungen auf Söldner aus dem Niger. Sogar die Presse im Niger zeigt wenig Interesse an dem Thema. Jegliche Verwicklung der nigrischen Regierung in die Anwerbung von Söldnern für Libyen ist jedenfalls Fall vollkommen unwahrscheinlich.

Unterdessen deuten Berichte westlicher Journalisten, die sich jetzt in Al-Bayda und Bengazi aufhalten, darauf hin, daß die Geschichten über gefangene Subsahara-"Söldner" übertrieben oder sogar falsch sein könnten. Journalisten wurde der Besuch bei einigen gefangenen "Söldnern" erlaubt, die jedoch zuviel Angst hatten, um mit ihnen oder irgendjemand anderem zu sprechen.

Von den örtlichen Behörden wurden sie informiert, daß die meisten Bürger aus dem Niger oder dem Tschad ursprünglich auf der Arbeitssuche nach Libyen gekommen seien. Sie seien ursprünglich in der Oase Sabah - inmitten der Sahara gelegen und nach wie vor loyal auf der Seite Herrn Ghaddafis - von offiziellen Vertretern mit dem Versprechen auf Arbeit in Tripolis abgeholt worden. In der Hauptstadt habe man sie in Armeekasernen geschickt, ihnen Waffen und eine große Geldsumme gegeben und ihnen befohlen, auf Protestierende zu schießen.

Die Revolutionsbehörden in Bengazi und Al-Bayda fühlten sich nun verpflichtet, diese "Söldner" vor der öffentlichen Empörung zu schützen und teilten Journalisten mit, bei diesen Afrikanern handele es sich ebenfalls um Opfer des Ghaddafi-Regimes. Die "Söldner" haben den Journalisten allerdings bislang nicht die eigene Geschichte erzählt.


Afrikaner in Libyen leben in Angst

Gleichzeitig berichten Afrikaner aus Subsaharastaaten, sie seien zunehmend Verdächtigungen und Übergriffen ausgesetzt.

Unglücklicherweise gibt es in Libyen seit langer Zeit eine Basis für Rassismus - die in späteren Jahren auch vom Ghaddafi-Regime gefördert wurde, nachdem unzählige Afrikaner auf der Suche nach Arbeit die Sahara durchquerten, um nach Libyen und Europa zu gelangen. Subsahara-Afrikaner standen auf der untersten sozialen Stufe, und es gab zunehmende Berichte über Diskriminierung in Libyen.

Die wiederholten Berichte über "schwarzafrikanische Söldner", die libysche Demonstranten abschlachten, stammen aus ganz Libyen und von Exil-Libyern, die nicht an den Kämpfen teilgenommen haben, was darauf hindeutet, daß mehr hinter den Berichten stecken könnte - unter anderem Vorurteile gegen Afrikaner aus Subsahara im allgemeinen.

Bereits am Mittwoch erklärte das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die UNO sei "zunehmend in Sorge" wegen der vielen afrikanischen Migranten und Asylsuchenden in Libyen. "Wir haben zu diesem Zeitpunkt keine Verbindung zur Flüchtlingsgemeinde", meinte die UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming.

"Einige der Berichte, die wir aus dritter Hand erhalten, sind sehr beunruhigend", setzte sie hinzu. "Ein Journalist hat uns Informationen über Somalier in Tripolis zuteil werden lassen, die angeben, man mache unter dem Verdacht Jagd auf sie, sie seien Söldner. Er erzählte, sie fühlten sich in der Falle und hätten Angst, aus dem Haus zu gehen, obwohl sie dort wenig oder nichts zu essen hätten", berichtete Frau Fleming.

Die "Söldner"-Hysterie in Libyen führt bereits zu Übergriffen auf Afrikaner. Ein türkischer Bauarbeiter erklärte gegenüber der BBC: "Für unser Unternehmen arbeiteten etwa 70-80 Menschen aus dem Tschad. Sie wurden von den Angreifern mit den Worten: 'Ihr stellt Truppen für Ghaddafi' mit Heckenscheren und Äxten erschlagen. Die Sudanesen wurden auch ermordet. Wir haben es mit eigenen Augen gesehen."

Inzwischen kommen weitere beunruhigende Berichte von libyschen Protestierenden, die anscheinend überzeugt davon sind, daß afrikanische "Söldner" der Hauptfeind sind. Gestern wurde beispielsweise ein Video übers Internet verbreitet, das die Ausgabe schwerer Waffen an Protestierende zeigte, um sich "gegen Söldner zu verteidigen".

Aber nicht alle Libyer äußern sich haßerfüllt über die "Söldner". Eine kürzlich gezeigte Videoaufzeichnung dokumentiert, wie Protestierende einen angeblichen Söldner vor einem Lynchtrupp beschützten, nachdem er gefangen worden war. Und aus der "befreiten" Kufra-Oase kam, daß libysche Jugendliche als erste Unternehmung einer großen Anzahl gestrandeter Menschen aus dem Tschad halfen, in ihre Heimat zurückzukehren.


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Quelle:
afrol News - 26. Februar 2011
http://www.afrol.com/articles/37443
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in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2011