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KONVENTION/007: Definitionsprobleme bremsen Anti-Terrorismuskonvention aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2015

UN: Definitionsprobleme bremsen Anti-Terrorismuskonvention aus

von Thalif Deen



Bild: © Penn State/cc by 3.0

Studierende und Lehrkörper der 'Penn State University' am 19. Juni auf ihrem 'Marsch für Frieden, Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit' in Erinnerung an die Opfer US-amerikanischer Hassverbrechen
Bild: © Penn State/cc by 3.0

NEW YORK (IPS) - Ein Verbrechen aus Hass, ein Terroranschlag oder beides? Das Massaker an neun Gläubigen in einer afroamerikanischen Kirche in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina im vergangenen Monat hat in den USA eine Kontroverse über die Zuordnung des Attentats ausgelöst.

Nach Ansicht einer Sprecherin des US-Justizministeriums war das Verbrechen "zweifelsfrei" dazu gedacht, in der Gemeinde ein Gefühl der Angst und des Terrors zu verbreiten. Ihr Ministerium werde die Tat jedoch aus verschiedenen Blickwinkeln inklusive dem des Hassverbrechens und des innerstaatlichen Terrorismus heraus betrachten.

Hätte ein Muslim das Blutbad begangen, wäre sicherlich von einem Terrorakt die Rede gewesen, so Nihad Awad, Geschäftsführer des 'Council on American-Islamic Relations' (CAIR) mit Sitz in Washington. "Wird ein solches Verbrechen hingegen von einem weißen Überlegenheitsfanatiker oder Apartheid-Befürworter verübt, versuchen wir die Tat als das Werk eines psychisch kranken oder gedemütigten Menschen zu entschuldigen."


Unsicherheiten

Die Definition des Begriffs 'Terrorismus' stellt Regierungen, Menschenrechtsgruppen, Medien und die Vereinten Nationen weiterhin vor eine große Herausforderung. Während die USA und Israel die palästinensische Hamas als Terrororganisation bezeichnen, ziehen die Medien es vor, von einer "militanten Organisation" zu sprechen.

Im letzten Jahr hatte sich die Hamas mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgreich dagegen gewehrt, von der EU als Terrorgruppe gelistet zu werden. Der Vorwurf sei weder untersucht noch von kompetenter Stelle bestätigt worden. Er basiere ausschließlich auf Behauptungen, die in den Medien und im Internet kursierten, so die Hamas.

Seit fünf Jahren versucht ein UN-Ad-Hoc-Komitee die letzte von vier Konventionen gegen den internationalen Terrorismus auf den Weg zu bringen. Die Umfassende Übereinkunft gegen den internationalen Terrorismus (CCIT) wird von Indien unterstützt.

In einem Interview mit dem 'Time Magazin' im Mai hatte der indische Premierminister Narendra Modi von einem Schubladendenken im Umgang mit dem Thema 'Terrorismus' abgeraten. Wie er erklärte, sei es wenig hilfreich, den Taliban oder dem Islamischen Staat (IS) das Etikett der Terrororganisation aufzudrücken. Nichts bleibe wie es sei, und es gebe immer neue Gruppen.

Es sind die Definitionsprobleme, die den UN-Ad-hoc-Ausschuss in die Sackgasse gebracht haben. Denn was für die einen 'Terroristen' sind, sind für die anderen 'Freiheitskämpfer'. Der CCIT-Entwurf und die vorangegangenen Teilkonventionen greifen auf die strafrechtliche Definition terroristischer Akte zurück.

Wie UN-Botschafter Rohan Perera, Vorsitzender des Ad-hoc-Komitees und ständiger Vertreter Sri Lankas bei den Vereinten Nationen, erklärt, hat man bereits drei Anti-Terrorismus-Konventionen zustande bekommen: das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge (1997), das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (1999) und das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen (2005). Sie wurden allesamt von der UN-Vollversammlung angenommen.

Perera berichtet, dass die Verhandlungen über die vierte Übereinkunft im Herbst 2001 bereits weit gediehen waren - bis zu den Ereignissen des 11. Septembers. Ab da sei es nicht mehr gelungen, den politischen Willen zu mobilisieren, der für den Konsens erforderlich gewesen wäre.


Dringlichkeit

Doch was der Verabschiedung der CCIT weitere Dringlichkeit verleiht, sind die vielen Massaker und Zerstörungen, die auf das Konto der Gruppen 'Al Shabaab', 'Al-Qaida', 'Boko Haram' und IS gehen, die als Terrororganisationen bezeichnet werden.

"Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, wie dieses Phänomen weiter um sich greift", warnt der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Jeffrey Feltman. "Mit ihrer Botschaft des Hasses greift der gewalttätige Extremismus direkt die Legitimität der UN-Charta und die der Werte von Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde an, auf denen dieses Dokument und die internationalen Beziehungen aufbauen."

Laut Feltman, der auch Vorsitzender des UN-Arbeitsstabs Terrorismusbekämpfung (CTITF) und Exekutivdirektor des Ausschusses zur Bekämpfung des Terrorismus ist, gibt es fast 50.000 Twitter-Accounts mit jeweils 1.000 Anhängern, die den IS unterstützten.

Zu den Problemen, die noch geklärt werden müssen, um der CITT zum Durchbruch zu verhelfen, zählt UN-Botschafter Perera die Einwände verschiedener Staatengruppen bezüglich des Staatsterrorismus und Verbrechen, die im Rahmen nationaler Befreiungskämpfe gegen ausländische Besatzungsmächte sowie in Friedenszeiten von den Sicherheitskräften begangen werden.

Arabische Diplomaten sind der Meinung, dass Israel als ein Land herausgestellt werden sollte, das Staatsterrorismus betreibt. Doch die Verwendung des Begriffs wird von den USA und den meisten westlichen Staaten und Verbündeten Israels abgelehnt. Auf den Begriff angesprochen erklärte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq vor Journalisten im Februar: "Die Definition von Terrorismus und Terrorgruppe oder terroristischer Vereinigung ist den Mitgliedstaaten [...] vorbehalten. Diese müssen entscheiden."

Dazu meint Perera: "Es bleibt zu hoffen, dass im 70. UN-Jubiläumsjahr die Mitgliedstaaten den erforderlichen politischen Willen aufbringen, um die restlichen Hürden zu überwinden und mit Blick auf die CCIT einen Konsens erzielen." (Ende/IPS/kb/03.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/u-n-remains-divided-over-domestic-and-state-terrorism/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2015

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