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MELDUNG/008: Untersuchung der Angriffe auf Gaza-Flotte verschleppt - Kritik an Generalsekretär (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juli 2010

UN: Untersuchung der Angriffe auf Gaza-Flotte verschleppt - Kritik an Generalsekretär Ban

Von Thalif Deen


New York, 23. Juli (IPS) - UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist derzeit harschen Vorwürfen wegen der noch immer nicht angelaufenen Untersuchung der israelischen Übergriffe auf die Friedensflotte für Gaza ausgesetzt. Beim Angriff auf die Schiffe starben im Mai neun türkische Zivilisten. Unmittelbar nach der weltweit kritisierten Attacke hatte Ban eine internationale Prüfung vorgeschlagen.

Der renommierte Politikwissenschaftler Norman Finkelstein gehört zu denjenigen, die vor den Folgen einer Verschleppung warnen. "Ban verzögert die Bildung eines Untersuchungsausschusses", sagte er in einem Gespräch mit IPS. Er vergebe sich damit eine wertvolle Chance, Israel zu stoppen.


Gefahr für Libanon

Finkelstein rechnet damit, dass Israel einen Angriff auf den Libanon vorbereitet. "Dieser Angriff wird alle vorangegangenen in den Schatten stellen." Wenn Tod und Zerstörung im Libanon zu beklagen seien, trage Ban die Schuld. Schon einmal habe der UN-Chef gezögert: bei der Umsetzung der Ratschläge aus dem Bericht von Richard Goldstone über die israelische Militäroffensive gegen Gaza zur Jahreswende 2008/09 mit 1.400 Toten und über 5.000 Verletzten.

Die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung von Richter Goldstone beschuldigte Israel und Hamas der Kriegsverbrechen. Finkelstein meint, dass eine Umsetzung der Goldstein-Empfehlungen weitere Kriegshandlungen von israelischer Seite massiv erschwert hätte.


Ban unter Druck

Diplomaten erklären das Verhalten des UN-Chefs mit Druck aus den USA und anderen Staaten. Der Westen lehne eine internationale Untersuchung der letzten Übergriffe gegen den Willen Israels ab. Sollte Israel seine Zustimmung geben, was in Kennerkreisen für sehr unwahrscheinlich gehalten wird, so rechnen Experten mit einer verwässerten Prüfung, keinesfalls aber mit der vom UN-Sicherheitsrat geforderten umfassenden Analyse. Erst im Juni hat Israel eine eigene Untersuchung des Angriffs auf die Friedensflotte für Gaza in Auftrag gegeben.

Richard Falk, Experte für internationales Recht, hält nichts von dieser israelischen Initiative. "Es ist vollkommen klar, dass allein eine internationale Untersuchung zu einer umfassenden, objektiven und glaubwürdigen Einschätzung der Vorfälle führen kann", betont er. Eben so offensichtlich sei, dass Israel jeder internationalen Kritik und Untersuchung feindlich gegenüberstehe und nicht kooperieren werde. Das sei schon bei der Goldstein-Untersuchung so gewesen.


Alle Parteien ins Boot holen

UN-Sprecher Martin Nesirky allerdings bekräftigt, der UN-Generalsekretär arbeite mit aller Kraft für eine internationale Untersuchung. So habe er sich längst mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und auch mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu zu diesem Thema unterhalten.

Auch weist Nesirky alle Vorwürfe zurück: "Hier wird nichts verschleppt." Im Moment gelte es dafür zu sorgen, dass alle Parteien mitmachten. Auf die Frage, wer für die Verzögerung verantwortlich sei, die Türkei oder Israel, sagte er auf einer Pressekonferenz: "Es ist nicht meine Aufgabe, staatliche Positionen zu beschreiben. Allerdings möchte ich betonen, dass der UN-Generalsekretär in engem Kontakt zu allen Beteiligten steht und auf eine positive Antwort wartet, damit die Kommission so schnell wie möglich ihre Arbeit aufnehmen kann." (Ende/IPS/kb/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2010