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ORGANISATION/534: UN - Kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Friedensoperationen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Dezember 2014

UN: Kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Friedensoperationen

von Lyndal Rowlands


Bild: © Jared Ferrie/IPS

UN-Blauhelme patrouillieren das südsudanesische Dorf Yuai
Bild: © Jared Ferrie/IPS

New York, 2. Dezember (IPS) - Die Vereinten Nationen haben eine neue Hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten soll, wie sich die beiden Komponenten der UN-Friedensmissionen - die politischen Sonder- und die Blauhelmeinsätze - besser miteinander kombinieren lassen, damit sich die Wirksamkeit der UN-Missionen erhöht.

Vor dem Hintergrund von Berichten über Mangel- oder Fehlinformationen der UN-Friedensoperationen etwa im Zusammenhang mit den Untersuchungen einer mutmaßlichen Massenvergewaltigung im sudanesischen Tabit sind zudem Forderungen nach mehr Transparenz und Verantwortlichkeit laut geworden, die den Ausschuss ebenfalls beschäftigen werden.

Im Interview mit IPS erklärte der Leiter der Hochrangigen Arbeitsgruppe, José Ramos-Horta, dass ernstzunehmende Vorfälle in den Einsatzgebieten der UN-Friedensmissionen die Notwendigkeit nach Veränderungen erkennen ließen. "Die UN dürfen nicht den Eindruck erwecken, als enthielten sie der Staatengemeinschaft wichtige Informationen über die Lage vor Ort vor", erklärte der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Staatspräsident Osttimors.

Bild: © Loey Felipe/UN

José Ramos-Horta (rechts), Vorsitzender der Hochrangigen Unabhängigen Arbeitsgruppe für Friedenseinsätze, stellt sich Fragen der Journalisten
Bild: © Loey Felipe/UN

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte am 31. Oktober die Bildung der 14-köpfigen Arbeitsgruppe zum Thema Friedensoperationen bekannt gegeben. Dass er zunächst lediglich drei Frauen in das Gremium berufen hatte, löste heftige Kritik aus. Das Versprechen, Frauen stärker an Friedensaktivitäten zu beteiligen, seien hohle Worte, hieß es.

Ramos-Horta erklärte gegenüber IPS, dass man sich im Klaren über diese Diskrepanz sei. Die Kritik sei richtig und nachvollziehbar gewesen, zumal der Schutz von Frauen und Kindern und die Stärkung der Rolle der Frau bei Friedensgesprächen und -abkommen im Mittelpunkt der Arbeit seines Teams stünden.


Rückendeckung für UN-Resolution 1325

Zu den neuen weiblichen Mitgliedern des Ausschusses gehört Radhika Coomaraswamy. Von der ehemaligen Sonderrepräsentantin für Kinder und bewaffnete Konflikte wird erwartet, dass sie sicherstellt, dass das Gremium an Plänen zur Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1325 arbeitet.

Ramos-Horta erklärte im IPS-Gespräch, dass die Arbeitsgruppe eng mit der UN-Frauenorganisation 'UN Women' kooperieren werde. Außerdem werde man sich die Standpunkte der zivilgesellschaftlichen und der Frauengruppen vor allem in den Regionen anhören, in denen Frauen von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen seien.

Für Konfliktstoff im Zusammenhang mit der Zusammenstellung des Panels hatte auch die Abwesenheit von Vertretern von Staaten wie der Demokratischen Republik Kongo (DRC), der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan gesorgt. Dort sind die UN-Friedensmissionen besonders gefordert.

Dass Ramos-Horta zum Vorsitzenden der Arbeitsgruppe ernannt wurde, hängt mit den Erfahrungen zusammen, die Osttimor mit UN-Friedensmissionen gemacht hat, und mit der jüngsten Rolle von Ramos-Horta als Beauftragter des UN-Generalsekretärs zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung in Guinea-Bissau. Beratungen mit Vertretern der Länder, in denen UN-Soldaten stationiert sind, könnten die Suche nach neuen Wegen zur Eindämmung der Konflikte erleichtern. In einigen Staaten sind sie außer Kontrolle geraten.

Der ehemalige osttimoresische Staatschef führt vor allem mangelnde Führungsstärke und eine fehlende Zusammenarbeit mit den lokalen Regierungen auf das Versagen zurück, Konflikte beizulegen. Aus diesem Grund hält er Beratungen mit Vertretern der betroffenen Länder für besonders wichtig.


Finanzierungsprobleme im Vordergrund

Allerdings könnte das Panel gezwungen sein, hauptsächlich Gespräche mit denjenigen Regierungen zu führen, die die meisten Truppen und Gelder für UN-Friedensmissionen bereitstellen. Ebenso wird es mit der Afrikanischen Union (AU) und der NATO verhandeln müssen, den zwei weiteren Bündnissen, die multilaterale Friedenstruppen entsenden.

Ramos-Horta zufolge ist es wichtig, die Schrecken vergangener Kriege nicht zu vergessen. Als Beispiele führte er das Massensterben in Kambodscha und den iranisch-irakischen Krieg an. Doch trotz der Komplexität und Härte, mit denen sich moderne Konflikte auszeichneten - als Beispiel nannte er die DRC und Syrien - sei die durchschnittliche Zahl der Todesopfer seit dem Ende des Kalten Krieges zurückgegangen. Die UN hätten ihre Friedensoperationen im gleichen Zeitraum hingegen ausgeweitet.

Ramos-Horta betonte, dass die Erwartungen an die internationale Gemeinschaft, möglichst schnell und effektiv auf Konflikte zu reagieren, zunehmen. "Der Zugang der Zivilgesellschaft zu relevanten Informationen hat sich verbessert", meinte er. Das erkläre den wachsenden Handlungsdruck der internationalen Gemeinschaft. "Hätte es in meinem Land die digitalen Medien doch schon 1975 gegeben!", meinte der Ex-Staatschef mit Blick auf den langen und blutigen Unabhängigkeitskampf in Osttimor. "Und wäre es doch von Anfang an zu einem ähnlichen internationalen Aufschrei gekommen, wie im Zusammenhang mit den jüngeren Konflikten in der Zentralamerikanischen Republik, im Irak, in Libyen und Syrien."

Um die Friedensmissionen effektiver zu machen, gelte es auch nach geeigneten Präventivmaßnahmen zu suchen. In diesem Sinne will Ramos-Horta zusammen mit den anderen Mitgliedern der Hochrangigen Arbeitsgruppe nach Mitteln und Wegen suchen, die politischen Sondermissionen finanziell besser zu stellen. UN-Chef Ban Ki-moon sieht sich angesichts der begrenzten Mittel für die derzeit elf politischen UN-Sondereinsätze gezwungen, zusätzliche Gelder aufzutreiben. Die UN-Blauhelmeinsätze werden aus einem eigenen, getrennten und hochdotierten Fonds finanziert. Für das Haushaltsjahr 2014/15 stehen derzeit sieben Milliarden US-Dollar bereit.

Die Hochrangige Arbeitsgruppe wird also vor allem Antworten auf die Frage finden müssen, wie sich das Problem der begrenzten Mittel lösen lässt, damit die UN die Arbeit erledigen können, die ihnen die internationale Gemeinschaft abverlangt. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/12/as-wars-multiply-u-n-takes-a-hard-look-at-peace-operations/

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IPS-Tagesdienst vom 2. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2014