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ORGANISATION/561: Entwicklung - Post-2015-Agenda unter Beschuss (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2015

Entwicklung: Post-2015-Agenda unter Beschuss

von Thalif Deen



Bild: © Evan Schneider/UN

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon (zweiter von links) auf Besuch in Dublin
Bild: © Evan Schneider/UN

NEW YORK (IPS) - Die Post-2015-Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen ist erneut unter Beschuss geraten. So bemängelt ein globales Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs), die zu den größten, bei den UN akkreditierten Gruppen (UNMG) gehören, dass es dem künftigen Fahrplan für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung an Dringlichkeit, klaren Umsetzungskriterien und konkreten Haftungsvereinbarungen fehlt.

Wie Savio Cavalho von der Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International', einem Mitglied der UNMG, kritisiert, ist die Agenda in ihrer derzeitigen Form eine bloße Absichtserklärung. Es fehle an klaren Mechanismen, die es der Zivilgesellschaft ermöglichen, ihre Regierungen für Versäumnisse und Rückschläge bei der Umsetzung der Agenda zur Rechenschaft zu ziehen.

"Untätige UN-Mitgliedstaaten können sich ohne weiteres aus der Affäre ziehen, indem sie sich hinter Prinzipien wie dem der nationalen Ownership verschanzen", warnt Cavalho. "Wir wollen jedoch, dass sie sich auf nationale Prioritäten festlegen, die mit den Menschenrechten vereinbar sind. Schließlich wollen wir 2030 Erfolge sehen."

Die Post-2015-Agenda mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) wird auf der UN-Konferenz im September in New York von mehr als 150 Staats- und Regierungschefs beschlossen. Die SDGs schließen sich den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) zur Armutsbekämpfung an, die Ende 2015 auslaufen. Sie beinhalten Vorschläge, wie sich Armut, Hunger und Ungleichheit bis 2030 bekämpfen lassen und den Menschen weltweit zu einem gesunden Leben, zu qualitativ hoher Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter verholfen werden kann. Auch unterbreiten sie Empfehlungen für einen nachhaltigeren Umgang mit Wasser, eine universelle Sanitärversorgung, eine produktive Beschäftigung und Industrialisierung sowie den Schutz der terrestrischen Ökosysteme.


Ausweichmanövern vorbeugen

Dem in der Agenda vorgesehenen Nachhaltungs- und Revisionsvorschlag fehle es an einem starken Mechanismus, um die Regierungen rechenschaftspflichtig machen zu können. Stattdessen werde häufig auf die Souveränität, Umstände und Prioritäten der Staaten abgehoben. Darin liege eine Gefahr, dass die universelle Verpflichtung zur Umsetzung der SDGs unterminiert werden könnte, warnen die UNMG. "Wir würden gern wissen, wie die UN-Mitgliedstaaten eine umfassende Mitwirkung insbesondere ihrer marginalisierten Bevölkerungsgruppen an Entscheidungen, die deren Leben betreffen, gewährleisten wollen."

Auch die größten bei den UN akkreditierten Frauenverbände, die mehr als 600 Frauengruppen in über 100 Ländern vertreten, stimmen in den Chor der Kritik ein. Shannon Kowalski von der Internationalen Koalition für die Gesundheit von Frauen zufolge könnten die SDGs Frauen zu einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheit, ihrer Bildungschancen und zu einem gewaltfreien Leben verhelfen.

"Doch damit diese Visionen Realität werden können, müssen wir sicherstellen, dass die Geschlechtergerechtigkeit zu einem zentralen Bestandteil unserer Bemühungen wird", sagte Kowalski. "Erst dann sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen."

Kowalski zeigte sich enttäuscht über die Ergebnisse der kürzlich in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zu Ende gegangenen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung.

"Wir hatten vergeblich auf ein progressives und faires Finanzierungsabkommen gehofft, das die Ursachen der globalen wirtschaftlichen Ungleichheit und deren Auswirkungen auf das Leben von Frauen und Mädchen bekämpft. Leider haben die Staaten auch bei der Bereitstellung neuer Mittel zur Finanzierung der SDGs gefehlt."

Laut Carvalho von Amnesty ist es ohne eine regelmäßige, transparente, ganzheitliche und partizipatorische Überprüfung sowohl der Fortschritte als auch der Rückschläge der SDGs unmöglich, einen wahren Transformationsprozess für nachhaltige Entwicklung auf den Weg zu bringen. "Die Post-2015-Entwicklungsagenda räumt zwar ein, dass die internationalen Finanzorganisationen nationale Entscheidungen anerkennen müssen. Doch geht sie nicht weit genug, um zu verhindern, dass die Aktivitäten der Banken gegen Menschenrechte verstoßen."


Prinzip der Universalität stärken

Dem Experten zufolge muss das in der Agenda verankerte Argument der Universalität gestärkt werden. Es sieht vor, dass nicht wie bisher in erster Linie die Entwicklungsländer, sondern auch die reichen Staaten auf die Einhaltung von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen verpflichtet werden. Dazu gehört seiner Meinung auch, dass die Industriestaaten ihren eingegangenen Entwicklungshilfeverpflichtungen nachkommen und für Steuergerechtigkeit sorgen.

In einer IPS vorliegenden Mitteilung der globalen zivilgesellschaftlichen 'Beyond 2015'-Kampagne werden ebenfalls starke MDG-Nachfolgeziele gefordert. Die SDGs könnten sich nur dann positiv auf das Leben der gesamten Menschheit auswirken, wenn die Menschen selbst an der Umsetzung der Ziele und Revisionsprozesse beteiligt würden. An die Staats- und Regierungschefs erging der Appell, unmittelbar nach der Annahme der Agenda mit der Umsetzung der SDGs zu beginnen. (Ende/IPS/kb/30.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/07/u-n-s-post-2015-development-agenda-under-fire/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2015

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