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UN-REPORT/108: Weltflüchtlingsbericht - deutlich weniger Asylsuchende in Deutschland, dramatische Entwicklung weltweit (UNHCR)


UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees
Pressemitteilung vom 19. Juni 2018

Weltflüchtlingsbericht:
deutlich weniger Asylsuchende in Deutschland, dramatische Entwicklung weltweit

Weltweit waren 2017 rund 68,5 Millionen Menschen wegen Konflikt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht. In Deutschland nahm die Zahl der Asylsuchenden im Vergleich zu 2016 hingegen deutlich ab.


Während in Deutschland die Zahlen drastisch gefallen sind, gibt es weltweit immer mehr Flüchtlinge. Krieg, Gewalt und Verfolgung haben die Zahl der Menschen auf der Flucht auf ein Rekordniveau steigen lassen - im fünften Jahr in Folge. Hauptursachen waren die Krise in der Demokratischen Republik Kongo, der Krieg im Südsudan und die Flucht Hunderttausender Rohingya- Flüchtlinge aus Myanmar nach Bangladesch. Und es sind in überwältigender Mehrheit arme Länder, die die Flüchtlinge aufnehmen: Dort leben 85 Prozent von ihnen. In Europa gehen die Ankunftszahlen von Schutzsuchenden hingegen zurück.

Alle zwei Sekunden wird ein Mensch zur Flucht gezwungen

Im am Dienstag veröffentlichten Global-Trends-Jahresbericht meldet UNHCR, das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, dass Ende des vergangenen Jahres 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht waren. Das sind fast drei Millionen mehr als 2016 (65,6). Darunter waren 16,2 Millionen Menschen, die während des Jahres 2017 zur Flucht gezwungen waren. Viele von ihnen sind mehrfach vertrieben worden. Zwei Drittel der Flüchtlinge kommen aus nur fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar und Somalia. Würde auch nur in einem dieser Länder der Konflikt enden, hätte das wesentliche Auswirkungen auf das Gesamtbild.

Mehr Flüchtlinge, mehr Asylsuchende, aber etwas weniger Binnenvertriebene

25,4 der insgesamt 68,5 Millionen Menschen sind Flüchtlinge, die wegen Konflikten und Verfolgung ihr Heimatland verlassen mussten. Das sind 2,9 Millionen mehr als 2016 - der größte Anstieg der Flüchtlingszahlen in einem Jahr in der Geschichte von UNHCR (seit 1951). Die Zahl der Asylsuchenden, die zum 31. Dezember 2017 noch auf das Ergebnis ihres Verfahrens warteten, stieg um 300.000 auf 3,1 Millionen. Einen kleinen Rückgang gab es hingegen bei den Binnenvertriebenen: 40 Millionen Menschen - deutlich mehr als zum Beispiel Polen Einwohner hat- waren im eigenen Land auf der Flucht. Das ist ein kleiner Rückgang zu 40,3 Millionen im Jahr zuvor. Migranten, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen, sind nicht Teil dieses Reports oder des Mandats von UNHCR.

Weltweit jeder 110. Mensch auf der Flucht

Weltweit gibt es jetzt mehr Flüchtlinge, Asylsuchende und Binnenvertriebene, als Frankreich oder Großbritannien Einwohner haben. Jeder 110. Mensch auf der Erde ist auf der Flucht!

"Wir stehen an einem Scheideweg. Um auf weltweite Fluchtbewegungen erfolgreich reagieren zu können, brauchen wir einen neuen und weit umfassenderen Ansatz, der einzelne Länder und Gesellschaften nicht allein lässt," sagte Hochkommissar Filippo Grandi. "Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Vierzehn Länder setzen in einer Pilotphase bereits einen neuen Rahmenplan für die Flüchtlingshilfe um. Und es ist nur noch eine Frage von wenigen Monaten, bis ein neuer Globaler Pakt für Flüchtlinge von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet werden kann." Grandi forderte alle Staaten auf, dieses Projekt zu unterstützen: "Kein Mensch wird freiwillig zum Flüchtling. Aber ganz freiwillig können wir diesen Menschen helfen."

In Deutschland deutlich weniger Flüchtlinge, ein Fünftel der Zahl von 2015 

Im vergangenen Jahr kamen 186.644 Asylsuchende nach Deutschland nach 280.000 im Jahr zuvor. Im Jahr 2015 waren es noch fünf Mal so viele wie im letzten Jahr. Der Trend hält an, auch im ersten Quartal 2018 sank die Zahl erneut um fast 16 Prozent.

Der Repräsentant des Hochkommissars in Berlin, Dominik Bartsch, dankte den Deutschen für ihre Unterstützung. "Deutschland hilft UNHCR finanziell, ist aber auch ein wichtiges Aufnahmeland. Das sind Leistungen, die weltweit gewürdigt werden und Deutschland viel Anerkennung eingebracht haben." Die Flüchtlingsdebatte müsse jedoch wieder sachlicher werden. "Es ist verständlich, dass über die Herausforderung der Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert wird. Leider wird aber kaum über die Chance gesprochen, das Potential dieser Menschen zu nutzen. Es liegt zuerst an Deutschland selbst, ob Flüchtlinge eine Bürde oder eine Bereicherung sind."

Global Trends rückt ein paar "gefühlte Wahrheiten" zurecht

Global Trends ist eine Faktensammlung, die dabei auch über ein paar "gefühlte Wahrheiten" aufklärt. Dazu gehört die Überzeugung, dass der größte Teil der Flüchtlinge in den Industrieländern des globalen Nordens Schutz gesucht hat. Stattdessen ist es nur jeder siebte. 80 Prozent der Flüchtlinge bleiben im Nachbarland, viele von ihnen leben in ärmlichsten Verhältnissen. Und auch die Nachbarländer, die, die am meisten helfen, sind fast durchweg arme Länder mit großen wirtschaftlichen und nicht selten sozialen Problemen.

Große Fluchtbewegungen über die Grenzen hinweg sind ebenfalls weniger verbreitet, als es die Zahl der weltweit 68 Millionen geflüchteten Menschen vermuten lässt. Fast zwei Drittel von ihnen sind Binnenvertriebene, die ihr eigenes Land nicht verlassen haben.

Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder

Zwei weitere Erkenntnisse aus dem Global-Trends-Bericht sind, dass die meisten Flüchtlinge in städtischen Gebieten leben (58 Prozent) - nicht in Camps oder ländlichen Gebieten. Das Bild des Flüchtlingscamps ist das bekannte, aber nicht das typische Bild. Zum zweiten sind die weltweit geflüchteten Menschen jung: 53 Prozent von ihnen sind Kinder, darunter viele sogar unbegleitet oder von ihren Familien getrennt.

Türkei größtes Aufnahmeland, jeder sechste Einwohner in Libanon syrischer Flüchtling

Genau wie die Zahl der wichtigsten Herkunftsländer war auch die Zahl der Länder, die viele Menschen aufgenommen haben, gering: Die Türkei blieb mit 3,5 Millionen aufgenommenen Flüchtlingen (hauptsächlich Syrer), nach absoluten Zahlen das weltweit größte Aufnahmeland. Relativ zur eigenen Bevölkerung hat der Libanon die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Jeder sechste Einwohner des Landes ist ein syrischer Flüchtling. Es sind gerade einmal zehn Länder, die fast zwei Drittel aller Flüchtlinge weltweit aufgenommen haben.

Kriege und Konflikte waren weiterhin die Hauptursachen für Vertreibung und Flucht, sichtbare Fortschritte in Richtung Frieden gab es selten. Rund fünf Millionen Menschen konnten 2017 in ihre Heimat zurückkehren, in erster Linie Binnenvertriebene. Unter den Heimkehrern gab es aber auch Menschen, die unter Zwang oder in unsichere Verhältnisse zurückkehrten.

Die Zahl der Flüchtlinge, die dank des Resettlement-Programms Schutz in einem Drittland fanden, sank wegen des niedrigeren Angebots an Plätzen in Aufnahmeländern um mehr als 40 Prozent auf rund 100.000 Menschen.

Der Global-Trends-Bericht wird jährlich weltweit zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni veröffentlicht. Der Bericht informiert über den neuesten Stand der internationalen Fluchtsituation, basierend auf Daten von UNHCR, nationalen Regierungen und weiteren Partnern. In diesem Zusammenhang beobachtete UNHCR im vergangenen Jahr besorgniserregende Ereignisse, etwa Zwangsrückführungen, Instrumentalisierungen von Flüchtlingen für politische Zwecke, Fälle, in denen Flüchtlinge zu Feindbildern aufgebaut wurden, ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt verweigert wurde und sogar einige Länder, die die Verwendung des Wortes "Flüchtling" ablehnen. Diese Fälle sind jedoch nicht Teil von "Global Trends", dafür gibt es einen gesonderten Bericht.


Den gesamten Bericht auf Englisch können Sie herunterladen unter:
http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2018/06/GlobalTrends2017.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 19. Juni 2018
UNHCR-Vertretung für Deutschland
Büro Berlin, Zimmerstraße 79/80. 10117 Berlin
Telefon +49 (0)30 - 202 202 0, Telefax +49 (0)30 - 202 202 20
E-Mail: gfrbe@unhcr.org
Internet: www.unhcr.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2018

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