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AGRAR/1610: Bodenmarkt gestalten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bodenmarkt gestalten
Reformvorschläge gegen Landkonzentration und Preisexplosion im Überblick

von Christine Weißenberg



Überschrieben sind die Vorschläge für bodenpolitische Änderungen aus der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) damit, dass es neben der Überarbeitung der Bodenverkehrsgesetze (Grundstücksverkehrsgesetz, Reichssiedlungsgesetz und Landpachtgesetz) vor allem auf eine anschließend konsequente Anwendung ankommt:


Verkauf und Pacht veröffentlichen

Die Genehmigung und somit der öffentliche Ablauf von Landverkäufen über 1 Hektar Fläche oder Verpachtung über 2 Hektar Fläche soll verpflichtend sein. Auf diese Weise können auch Preise für einen öffentlichen statistischen Überblick gesammelt werden. Um die Anzeigepflicht für Pachtverträge durchzusetzen, könnte die Rechtsgültigkeit des Vertrags oder die Auszahlung der EU-Flächenprämien daran geknüpft werden. In die Genehmigungspflicht einbezogen werden sollen die bisher gar nicht erfassten Zwangsversteigerungs-Fälle und der Verkauf ganzer Betriebe oder Anteilen davon.


"Ungesunde Landverteilung"

Dieser alte, unbestimmte Rechtsbegriff soll mit zeitgemäßem Inhalt gefüllt werden. Ursprünglich sollte der Passus "ungesunde Landverteilung" eine Zersplitterung des Bodeneigentums verhindern und ist einseitig ausgerichtet. In den vergangenen Jahren war die Übereignung an so genannte Wachstumsbetriebe entscheidendes Kriterium. Um eine Konzentration des Bodens in der Hand einzelner Unternehmen zu vermeiden, sollen analog zum Kartellrecht Kriterien entwickelt werden. Regional ansässige Betriebe sollten bevorzugt werden. Kriterien sollen nachvollziehbar sein und sich nach den Erfordernissen bäuerlicher Betriebe ausrichten. Ziel soll sein, eine große Anzahl vielgestaltiger landwirtschaftlicher Betriebe zu erhalten und neu zu schaffen. Existenzgründer und Nebenerwerbslandwirte sollen einbezogen werden.


Absenken der Preisobergrenze

Die Grenze zum Ablehnen einer Genehmigung wegen überteuertem Preis, soll von 150 % auf 120 % des Verkehrswertes bzw. der ortsüblichen, durchschnittlichen Pacht gesenkt werden. Zur Erstellung statistischer Vergleichswerte sollen nicht nur die Spitzenwerte für Neupacht sondern auch das deutlich niedrigere Pachtniveau bestehender Pachtverträge einbezogen werden.

Siedlungsgesellschaften treten oft als Vorkäufer auf und geben die Flächen anschließend an LandwirtInnen weiter. Diese Gesellschaften sollen ihre Vergabekriterien am oben formulierten Ziel ausrichten und transparent und nachvollziehbar gestalten. Damit die Bäuerinnen und Bauern bei Weitergabe nicht doppelt belastet werden, soll bei den Transaktionen die Grunderwerbssteuer nur einmal erhoben werden.


Kein Verkauf an Nichtlandwirte

Flächen sollen nur an LandwirtInnen verkauft werden können und nicht an Einzelpersonen oder Gesellschaften, die von nicht-landwirtschaftlichem Kapital dominiert werden. Ausnahmen von dieser Regel sollen explizit und klar formuliert werden. Während bei Vorkaufsrechten andere Käufer in Verträge einsteigen, soll es auch Richtlinien geben, die einen Verkauf grundsätzlich verbieten, um das Land in der Hand der Bewirtschafter halten zu können - besonders, wenn keine landwirtschaftlichen Interessenten vorhanden sind. Um die Vertragsfreiheit der Verkäufer nicht unnötig einzuschränken, könnten die Siedlungsgesellschaften ermächtigt werden, in solchen Fällen als Käufer und Verpächter für aktuell bewirtschaftende Betriebe einzusteigen. Genehmigungsverfahren sollen transparent ablaufen.


Transparenz

Grundstücksverkehrsausschüsse, die es nur in Niedersachsen gibt, sollen durch Genehmigungsbehörden auf Kreisebene ersetzt werden. Diesen kann ein Beirat aus sachkundigen Personen zur Seite gestellt werden, bestehend aus Vertretern der Berufsverbände, Landschaftsverbänden, Verbraucher- und Naturschutz. Die Genehmigungsbehörden sollen in Zukunft im Sinne einer vielfältigen. Landwirtschaft entscheiden, insbesondere wenn mehrere Bewerber um eine Fläche auftreten. Die Entscheidungskriterien müssen klar formuliert sein. Alle an Aufstockung interessierte Landwirtinnen, auch im Nebenerwerb, sollen sich registrieren lassen können, um vorab informiert zu werden, wenn in ihrer Gemarkung oder den Nachbargemarkungen Pacht- und Kaufverträge zur Genehmigung anstehen.


Neue BWG Vergabekriterien

In Ostdeutschland soll künftig der besonderen Situation von staatlichen Anteilen am Bodenmarkt Rechnung getragen werden: Die Vergabe von Landesflächen durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) erfolgte bisher vorwiegend an Großbetriebe mit mehr als 500 Hektar. Um diese Wettbewerbsverzerrung in Ostdeutschland zu korrigieren, sollen bäuerliche Betriebe, insbesondere unter 250 Hektar, einen verbesserten Zugang zu Land erhalten. Die noch verbliebenen 600.000 - 700.000 Hektar an BVVG- und Landesflächen sollen neu verteilt und unter bisher benachteiligten Betriebsleitern und Betriebsneugründern ausgeschrieben werden. Generell darf der Landerwerb durch Nebenerwerbsbetriebe nicht als "ungesunde Landverteilung" zu Gunsten von Großbetrieben mit regional hoher Landkonzentration ausgelegt und abgelehnt werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Frühjahr 2012 die internationalen "Freiwilligen Richtlinien für den Umgang mit landwirtschaftlichem Boden" unterschrieben und sollte diesen dementsprechend nicht nur in der Entwicklungspolitik sondern auch im eigenen Land folgen. In den Richtlinien zur Landvergabe ist u.a. die Beteiligung aller Akteure und ausdrücklich auch der Nebenerwerbslandwirte gefordert.


Fruchtbare Motivation: Boden für bäuerliche Betriebe

Auf der Suche nach Möglichkeiten, den Zugang zu Land für vielgestaltige bäuerliche Betriebe zu erhalten, hat die AbL Niedersachsen Ende letzten Jahres die Initiative für die Entwicklung eines Positionspapieres ergriffen. Im vorläufigen Papier sind bestehende Ideen und Anregungen für eine Änderung des Bodenrechts gebündelt. Hauptziel war es, konkrete Vorschlage für eine Anpassung bestehender, zur Steuerung vorgesehener Gesetze zu machen, um die Preisexplosionen auf dem Bodenmarkt einzudämmen und eine Landkonzentration in der Hand weniger zu verhindern. Eingeflossen sind Diskussionen verschiedener Tagungen zum Thema Bodenpolitik sowie Erfahrungen von seit längerem aktiven Menschen, wie Jörg Gerke, der besonders die Situation des ostdeutschen Bodenmarktes verfolgt. Ausgewertet wurden zudem Stellungnahmen von auf Bodenrecht spezialisierten Rechtsanwälten und Ansätze von bisherigen politischen Initiativen zur Änderung der Bodengesetze auf Länderebene.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2013