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ARBEIT/2495: Bessere Ausbildung führt nicht immer zu höheren Jobchancen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2015

Arbeit: Bessere Ausbildung führt nicht immer zu höheren Jobchancen


GENF/BERLIN (IPS) - Das globale Bildungsniveau ist im vergangenen Jahr weiter angestiegen, heißt es in der neunten Ausgabe der Schlüsselindikatoren des Arbeitsmarktes, die die Internationale Arbeitsorganisation ILO diese Woche veröffentlicht hat. Das bedeute jedoch nicht, dass die Arbeitslosenquote global gesunken sei.

In Ländern mit hohem Lohnniveau bedeutet eine bessere Ausbildung in der Regel auch einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, heißt es im ILO-Bericht. Anders sei dies bei Niedriglohnländern: Dort können die Menschen nicht davon ausgehen, dass ihre Jobchancen steigen, je höher ihr Bildungsabschluss ist.

"Wir haben es hier mit einer Diskrepanz zwischen gut ausgebildeten Menschen und der Zahl passender Arbeitsstellen zu tun", sagte Rosina Gammarano von der Statistikabteilung der ILO bei der Vorstellung des Berichts in Genf. "Wenn wir das Problem nicht rasch angehen, wird sich das schon bald negativ auf das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der entsprechenden Länder auswirken."

Dem Bericht zufolge wurde in den vergangenen 15 Jahren in 62 der 64 Länder, in denen Daten erhoben wurden, ein Anstieg an Jobs für Menschen mit einem Universitätsabschluss verzeichnet. Die größten Steigerungsraten wurden in Kanada, Luxemburg und Russland beobachtet.

Gleichzeitig, so der Bericht, hat sich im Durchschnitt der Anteil an Menschen am Arbeitsmarkt, die lediglich einen Hauptschul- oder gar keinen Abschluss vorzuweisen haben, verringert.


Wirtschaftskrise hat Jobchancen für Jugendliche gesenkt

Die meisten Länder, in denen die ILO einen Anstieg an Jugendarbeitslosigkeit verzeichnete, waren Länder mit hohem Lohnniveau, die besonders von der Finanzkrise der letzten Jahre getroffen wurden. Darunter sind europäische Länder wie Zypern, Irland, Italien, Griechenland und Spanien. In Niedriglohnländern wie Kambodscha sank die Jugendarbeitslosigkeit hingegen, genau wie in vielen Ländern mit mittlerem Einkommen wie beispielsweise Bulgarien.

In Entwicklungsländern stellte die ILO gleichbleibende Geschlechterunterschiede beim Zugang zum Arbeitsmarkt von jungen Leuten fest. In Ägypten beispielsweise seien mehr als 40 Prozent junger Frauen weder in einer Ausbildung noch haben sie einen Job. Bei jungen Männern sei dies nur zu 17,3 Prozent der Fall.

Insgesamt ist die Arbeitslosenquote weltweit gestiegen. Während im Jahr 2007 noch 6,4 Prozent ohne Job waren, waren es im Jahr 2014 bereits 7,2 Prozent. Die Zahl der 'Working poor' - Menschen, die einen Job, aber dennoch nicht genug Einkommen zum Leben haben - sank in den vergangenen 15 Jahren um 479 Millionen.

Die Höhe der Arbeitslosigkeit zu senken ist eines der Ziele der UN-Post-2015-Agenda. Ein Unterpunkt von Nachhaltigkeitsziel (SDG) Nummer 8 beschäftigt sich speziell mit Jugendarbeitslosigkeit. Bis zum Jahr 2020 soll die Zahl der jungen Menschen ohne Arbeit demnach "substantiell reduziert" werden.


Jugendarbeitslosigkeit trotz Wirtschaftswachstum

Ein Beispiel für die Ausmaße der Jugendarbeitslosigkeit ist auch Indien. Kürzlich teilte die indische 'National Sample Survey Organisation' (NSSO) mit, dass in Indien immer mehr junge Menschen arbeitslos sind, obwohl die Wirtschaft im Land immer weiter wächst. Besonders gut ausgebildete junge Inder suchen vergeblich einen Einstieg in das Berufsleben.

Laut der aktuellsten offiziellen Statistik lag die Arbeitslosenrate im Zeitraum 2013 bis 2014 zwar bei lediglich 4,9 Prozent. Erfasst wird hier allerdings nur die Dauerarbeitslosigkeit, über die kaum öffentlich diskutiert wird, weil sie sich stabil auf einem relativ niedrigen Niveau hält. Doch obwohl sich das Wirtschaftswachstum in dem Zeitraum auf 6,9 Prozent gesteigert hat, sind vor allem Gelegenheitsjobs im informellen Sektor, aber nicht genügend Stellen für hoch qualifizierte Bewerber geschaffen worden.

Die Regierung des Bundesstaates Uttar Pradesh hat kürzlich 2,3 Millionen Bewerbungen für 368 einfache Tagelöhner-Jobs erhalten. Unter den Bewerbern waren 250 Doktoranden, 25.000 Graduierte und 125.000 Examenskandidaten. In Chhattisgarh bewarben sich 75.000 Personen um 30 Jobs, die keine Vorbildung erforderten. Einige von ihnen waren Graduierte oder Ingenieure. In anderen indischen Bundesstaaten ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt ähnlich desolat.

Aus den im Fünf-Jahres-Rhythmus veröffentlichten Berichten der indischen 'National Sample Survey Organisation' (NSSO) geht hervor, dass viele gut ausgebildete Jugendliche über längere Zeit keine Beschäftigung finden. Drei Viertel der Langzeitarbeitslosen sind demnach Berufsanfänger im Alter von 15 bis 29 Jahren. Im Laufe der Jahre haben sich ihre Aussichten weiter verschlechtert. Laut dem Report für 2011/2012 waren in dem Zeitraum sogar vier Fünftel der Langzeitarbeitslosen Berufseinsteiger. Die wachsende Zahl erwerbsloser Jugendlicher setzt die Sozialsysteme des Landes erheblich unter Druck. (Ende/IPS/jk/20.11.2015)


Links:

http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52574#.VkxLoHqLe1F
http://www.ilo.org/global/statistics-and-databases/research-and-databases/kilm/lang--en/index.htm

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2015

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