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BANK/516: Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015

Money for Nothing
Krise als Geschäftsmodell

Infrastruktur auf Kosten von Mensch und Umwelt
AIIB - Das neue Schwergewicht unter den Banken

von Knud Vöcking


Wenn bislang von multilateralen Banken die Rede war, dachte man sofort an die Weltbank. In der Zivilgesellschaft kennt sie jeder - zumindest dem Namen und dem (zumeist schlechten) Image nach. Jetzt tritt eine neue Bank auf die internationale Bühne, die das Zeug dazu hat, ihr den prominenten Platz im öffentlichen Bewusstsein streitig zu machen: die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (AIIB).


Der Anstoss zur Gründung der Bank ging von China aus. Wie die "Neue Entwicklungsbank" der BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) soll sie ein Gegengewicht zur Weltbank und zu den regionalen Entwicklungsbanken, in diesem Fall der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB), bilden. Die BRICS-Staaten fühlen sich im bisherigen System der Internationalen Finanzinstitutionen (IFI) aus Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Regionalbanken unterrepräsentiert. Alle Versuche, ihnen durch Stimmrechtsreformen mehr Einfluss zu verschaffen, versandeten in langwierigen Verhandlungen und wurden schlussendlich vom US Kongress blockiert. Denn die Änderungen bedürfen der Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten der IFIs. Die USA halten in Weltbank und IWF eine Sperrminorität.


Geostrategisches Gerangel

Für die USA hat die AIIB auch eine geostrategische Bedeutung im Ringen mit China um die Dominanz im asiatisch-pazifischen Raum. Deshalb unternahmen die USA erhebliche diplomatische Anstrengungen, um ihre engen Verbündeten davon abzuhalten, sich an der Gründung der AIIB zu beteiligen. Mit der Ankündigung Großbritanniens im März 2015 als Gründungsmitglied einzusteigen, brachen allerdings alle Dämme. Australien, Südkorea, Frankreich, Italien und auch Deutschland folgten umgehend. Die USA blieben bei ihrer Haltung und begründeten dies mit dem Fehlen starker Standards in der AIIB. Demgegenüber begründete die Bundesregierung ihren Einstieg in die AIIB damit, für eben solche starke Umwelt- und Sozialstandards, sowie Transparenz und Beteiligungsrechte sorgen zu wollen. Deutsche offizielle Stellen sahen die AIIB von Anfang an auf einem guten Weg.[1]

Die Zivilgesellschaft steht der Gründung der AIIB mit großer Skepsis gegenüber. Die Regierungskonferenzen der G7 und der G20 haben große Aktionspläne zur Verbesserung der Infrastruktur in Globalen Süden beschlossen. Für die Umsetzung sollen die Internationalen Finanzinstitutionen sorgen. Dieser weltweite Drang nach immer neuen und immer größeren Infrastrukturprojekten birgt Gefahren für Mensch und Umwelt. Zwangsumsiedlungen durch Staudämme, Transportkorridore durch unberührten Regenwald, Hafenanlagen in Mangrovengebieten, Luftverpestung durch Kohlekraftwerke - die Liste ließe sich noch lang fortsetzen.


Infrastruktur braucht starke Standards

Um wenigstens die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern, sind starke Umwelt- und Sozialstandards und eine umfassende Einbeziehung der Betroffenen unabdingbar. Die bestehenden Standards der Weltbank und der anderen Banken sind wahrlich nicht ideal, bieten aber einen Ansatz zum Schutz von Mensch und Umwelt. Ihre Umsetzung in Projekten lässt jedoch deutlich zu wünschen übrig. Das zeigen die immer wieder auftretenden Skandale und die vielen Fälle, welche die Beschwerdeinstanzen der IFIs bearbeiten müssen. Die Weltbank überarbeitet derzeit ihre Standards mit der klaren Tendenz zur Aufweichung. [2] Begründet wird dies seitens der Weltbank unter anderem mit der Konkurrenz aus China.


Deutscher Einfluss?

Deutschland zeichnet 4,5 % des Grundkapitals der AIIB in Höhe von 100 Milliarden US Dollar. Laut Angaben des Finanzministeriums (BMF)[3] werden davon 900 Millionen direkt eingezahlt. Der Rest wird, wie das auch bei den anderen IFIs üblich ist, in Form einer Garantie bereitgestellt. Damit ist Deutschland nach China, Indien und Russland der viertgrößte Anteilseigner und nach China die zweitgrößte Volkswirtschaft, die Anteile an der AIIB hält.

In der Bundesregierung gab es ein ziemliches Gerangel zwischen BMF und BMZ, wer das federführende Ministerium bei der AIIB sein würde. Unter der Hand hörte man seitens des BMZ immer wieder, dass dort erhebliche Sorgen bestünden hinsichtlich der Standards der neuen Bank. Beim BMZ wird durchaus Wert auf Umweltbelange, Menschenrechte, Transparenz und Rechenschaftspflicht gelegt. Dies spiegelt sich auch beim Agieren in der Weltbank und den Regionalbanken wider, obwohl die Zivilgesellschaft nicht zufrieden ist, wenn man am Ende mal wieder faule Kompromisse eingeht. Dem BMF - zuständig für die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Europäische Investitionsbank - fehlt die Kultur von Transparenz und das Verständnis für starke Standards. So ist jedenfalls die Erfahrung der NGOs, die sich mit den beiden Banken intensiv befassen. Mit dem Kabinettsbeschluss von Anfang September, die Gründungsdokumente der AIIB zu unterzeichnen, dürfte die Machtfrage zugunsten des BMF geklärt sein.


Intransparenter Gründungsprozess

Lange Zeit war der Gründungsprozess AIIB eine Black Box. Von den Verhandlungen um die die Statuten der Bank[4] drang so gut wie nichts an die Öffentlichkeit. Bekannt wurde nach und nach der Zeitplan. Ende 2015 sollen alle Regierungsverhandlungen abgeschlossen und die Ratifizierung des Vertrags in den Mitgliedstaaten eingeleitet sein. Auch die Standards der Bank sollen dann verabschiedet sein. Anfang 2016 wird die Bank mit Sitz in Beijing ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen und erste Kredite vergeben.

Aber nicht nur die Zivilgesellschaft wurde im Dunkeln gelassen. Das BMF, wie gesagt immerhin Vertretung des viertgrößten Anteilseigners, erhielt erst nach mehrfacher Nachfrage Ende August den Entwurf der Umwelt- und Sozialstandards der AIIB. Eine als Konsultation angekündigte Telefonkonferenz mit den Interessensgruppen am 3. September 2015 wurde vom AIIB Vorbereitungsstab auf die Regierung beschränkt. Die Zivilgesellschaft wurde auf Konsultationen irgendwie und irgendwann im September/Oktober vertröstet, was dem BMF sichtlich unangenehm war. Jetzt hat die AIIB zwar den Entwurf ins Netz gestellt, aber gleichzeitig die Kommentierung bis Anfang Oktober befristet, wobei man hauptsächlich auf schriftliche Eingaben setzt. Ohne einen Konsultationsprozess mit allen Beteiligten auf Grundlage von Transparenz, breiter Information und ausreichender Beratungszeit werden die Beteuerungen von AIIB und Bundesregierung, man wolle gute Standards, unglaubwürdig.


Schlechter Entwurf gut kopiert

Der Entwurf der Standards hat frappierende Ähnlichkeit mit den neuen Weltbank-Standards. Man sieht deutlich, dass die AIIB von pensionierten Weltbank-MitarbeiterInnen beraten wird. Auch hier verlässt man sich stark auf die Kapazitäten und den Willen der Kreditnehmer, die Standards auch umzusetzen. Interessant ist, dass zum Beispiel ausdrücklich bei den Arbeitsrechten das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, die Koalitionsfreiheit (Gewerkschaften) und das Recht auf kollektive Verhandlungen (Tarifverhandlungen) aufgeführt werden.

Allerdings muss sich das immer im Rechtsrahmen des Nehmerlandes bewegen. Wie das in China oder Kambodscha praktisch umgesetzt wird, dürfte spannend werden. Auch beim Naturschutz und den Rechten Indigener findet man starke Analogien zum Entwurf der neuen Weltbank-Standards. Beim Schutz von Primärwäldern dagegen findet sich bei der AIIB interessanter Weise ein Verbot des Holzeinschlags, das die Weltbank gerade abschafft.

Man sollte allerdings nicht meinen, dass mit dem Entwurf der AIIB Standards ja alles halb so schlimm sei. Der Entwurf ist genauso schlecht wie der der Weltbank. In einigen wichtigen Bereichen lässt er darüber hinaus Lücken, die sehr bedenklich sind. Die Regelungen zur Veröffentlichung von Projektdokumenten sind völlig unbestimmt. Es werden keine Fristen benannt, um so informierte Konsultationen und die nötige Transparenz abzusichern. Die Kategorisierung von Projekten hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ist ebenfalls unklar. Sie öffnet Tür und Tor für eine falsche Einstufung, die weniger strenge Prüfungen und Abhilfemaßnahmen zur Folge hätten. In der Ausschlussliste fehlen Kohle und vor allem Atomtechnologie völlig.


Deutsche Glaubwürdigkeit steht infrage

Die Bundesregierung möchte bis Mitte Dezember die Ratifizierung des AIIB Beitritts durch Bundestag und Bundesrat bringen. Das geht nur mit einem verkürzten Verfahren. Anscheinend will man, wie schon im Falle das EU-USA-Freihandelsabkommens TTIP, im Handstreich unangenehmen Fragen ausweichen. Hauptsache, man ist mit im Boot und kann der deutschen Export- und Bauwirtschaft Gutes tun. Aber die Bundesregierung muss sich fragen lassen, wie es mit ihrer Glaubwürdigkeit bestellt ist? Wie passt die mögliche Finanzierung von AKWs durch die AIIB auch mit deutschem Steuergeld zum Atomausstieg? Wie verträgt sich die Finanzierung von Kohlekraftwerken durch die AIIB mit den Klimazielen? Wie bringt man die deutschen Verpflichtungen in Sachen Menschenrechte in Einklang mit schwammigen Standards? Bevor diese und weitere Fragen nicht geklärt sind, sollte der Beitritt zur AIIB nicht ratifiziert werden.

Der Autor ist seit 2002 Referent für Internationale
Finanzinstitutionen mit
Schwerpunkt Weltbank bei urgewald.


Anmerkungen:

[1] http://german.china.org.cn/business/txt/2015-04/16/content_35340962.htm.

[2] Siehe dazu Verbessern durch Verwässern? Die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank werden überarbeitet, Rundbrief Forum Umwelt und Entwicklung IV 2014, S. 31.

[3] https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/06/2015-06-10-o-top-aiib.html.

[4] http://www.aiib.org/html/aboutus/Basic_Documents/.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015, Seite 28-29
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015

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