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BERICHT/193: Interview mit Professor Suchanek - Kann man Ethik lehren? (idw)


Handelshochschule Leipzig - 06.07.2009

Kann man Ethik lehren?

Handelshochschule Leipzig (HHL) erprobt neues Konzept der integrativen Ethikausbildung


Im Interview spricht Prof. Dr. Andreas Suchanek, der zu einem der führenden deutschen Experten im Bereich Unternehmensverantwortung (Corporate Responsibility) zählt, über den Zusammenhang zwischen der Ethikausbildung an Business Schools und der Wirtschaftskrise. Mit u.a. dem Konzept des Co-Teaching geht Suchanek konkret auf Beispiel der Ethikausbildung an der Handelshochschule Leipzig (HHL) ein.


Frage: Im Zuge der Wirtschaftskrise wird gefragt: Haben Business Schools Anteil an der Misere auf den globalen Märkten? Wie würden Sie diesem Vorwurf begegnen?

Antwort: Ich glaube, man wird einräumen müssen, dass in der Ausbildung manchen Aspekten eines erfolgreichen und zugleich verantwortlichen Managements zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So wurde offensichtlich der Kapitalcharakter von Vertrauen nicht genügend verdeutlicht, wie man an den unterbliebenen Investitionen in diese spezifische Form von Kapital sehen kann. Die Vernachlässigung der Einbindung gehaltvoller ethischer Konzepte in die Lehre gilt allerdings meines Erachtens auch für nahezu alle anderen universitären Ausbildungen. Wir lernen es nicht genügend, Konzepte wie beispielsweise Vertrauen, Verantwortung oder Fairness in hochkomplexen Entscheidungssituationen kompetent anzuwenden. Und weil Marktergebnisse das Resultat sehr vieler untereinander abhängiger Handlungen, einschließlich derer von Konsumenten oder Politiker, die Rahmenbedingungen setzen, sind, sind hier alle Bildungseinrichtungen gefordert. Dennoch bin ich überzeugt, dass gerade Business Schools mehr investieren müssen in wirtschafts- und unternehmensethische Forschung und Lehre. Die Handelshochschule Leipzig (HHL) ist dabei, dies zu tun.

Frage: Kann man Ethik lehren?

Antwort: Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Letztlich geht es bei Ethik um Einsicht, und die kann man nicht wirklich vermitteln. Ethik ist ein Fach, bei dem die Studierenden selbst denken müssen, um ihr moralisches Urteilsvermögen zu schulen - und man kann sie nicht zwingen, dies zu tun. Auch hat man es an der Universität mit erwachsenen Menschen zu tun, die man nicht 'erziehen' kann oder sollte. Doch man kann ihnen Wissen vermitteln, sie für komplexe ethische Probleme und deren Relevanz im betrieblichen Alltag sensibilisieren und diese Probleme mit ihnen diskutieren. Die wichtigste Aufgabe besteht meines Erachtens darin, den Studierenden zu zeigen, dass und wie Ethik und konkrete betriebswirtschaftliche Fragestellungen miteinander verwoben sind, so dass sie den Gehalt ethischer Konzepte im betrieblichen Alltag sehen. Diesen Zusammenhang von Gestaltungs- und Argumentationskompetenz versuchen wir innerhalb der Ethikausbildung an der HHL zu vermitteln.

Frage: Die HHL gehört zu den Unterzeichnern der 'Principles for Responsible Management Education (PRME)'. Wie genau werden diese Prinzipien an der Leipziger Business School umgesetzt?

Antwort: Wir versuchen, schon bei der Auswahl der Studierenden darauf zu achten, ob eine hinreichende Sensibilität für die entsprechenden Themen vorliegt. Dann wird das Themenfeld 'Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung' am zweiten Tag der so genannten 'Welcome Days' für alle neu sich einschreibenden Studierenden behandelt, indem mit Partnern aus der Praxis, wie zum Beispiel BASF oder Evonik spezifische Aktivitäten und Projekte vorgestellt und diskutiert werden. Im Rahmen der verschiedenen Studienprogramme müssen alle Studierenden dann einen obligatorischen Kurs Unternehmensethik absolvieren. Weiterhin haben wir schon vor einiger Zeit begonnen, durch gemeinsame Veranstaltungen, das sogenannte Co-Teaching, das integrative Denken zu fördern. Das ist meines Erachtens von grundlegender Bedeutung für eine Umsetzung der 'Principles for Responsible Management Education (PRME)'.

Frage: Was verbirgt sich genauer hinter diesem Konzept des Co-Teaching und: Werden die Studierenden hierdurch zu besseren Unternehmern oder Managern?

Antwort: Hinter der Idee des Co-Teaching steht der Gedanke, dass Studierende in aller Regel mit separierten Wissensblöcken konfrontiert werden und selbst die Integration leisten müssen. Wünschenswert wäre aber eigentlich, wenn sie im Rahmen ihres Studiums bereits vermehrt die Möglichkeit bekämen, in einer Veranstaltung spezifische Themen aus verschiedenen Perspektiven kennenzulernen und so Zusammenhänge - sozusagen das 'größere Bild' - besser zu verstehen. Das heißt, dass innerhalb eines konkreten Kurses, zum Beispiel Strategisches Management oder Marketing, ein Kollege hinzukommt und die jeweilige Thematik auch aus seiner Sicht kommentiert. Der Mikroökonom stellt im Kurs Strategisches Management zum Beispiel spieltheoretische Konzepte dar und man diskutiert, wie diese für strategische Entscheidungen am sinnvollsten fruchtbar gemacht werden können. Oder der Ethiker diskutiert im Kurs Marketing gemeinsam mit dem Kollegen und den Studierenden die Herausforderungen, Märkte für Menschen mit geringem Einkommen aufzubauen.

Was den zweiten Teil der Frage betrifft, so ist es natürlich meine Hoffnung, dass es ein sinnvoller Beitrag zur Ausbildung ist, sonst bräuchten wir uns nicht die Mühe zu machen. Allerdings sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass es von sehr vielen Faktoren abhängt, ob Studierende später zu guten - im Sinne von erfolgreichen und verantwortlichen - Unternehmern oder Managern werden. Die Hochschule kann hierfür nur unterstützende Bedingungen bieten.


Das Interview führte Volker Stößel, Pressesprecher der Handelshochschule Leipzig (HHL).


Prof. Dr. Andreas Suchanek wurde am 12. August 1961 in Stadthagen (Niedersachsen) geboren. Er studierte von 1982 bis 1986 an den Universitäten in Göttingen und Kiel Volkswirtschaft und promovierte 1993 an der Universität Witten/Herdecke. 1999 folgte die Habilitation an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, wo er bis 2004 den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik inne hatte. Suchanek ist einer der bekanntesten Schüler des Wirtschaftsethikers Karl Homann und seit 2004 Inhaber der Dow-Forschungsprofessur "Sustainability and Global Ethics" an der Handelshochschule Leipzig (HHL) sowie seit 2005 Vorstand des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wirtschafts- und Unternehmensethik, Institutionenökonomik und Methodologie. Prof. Dr. Andreas Suchanek ist einer der führenden deutschen Experten im Bereich Unternehmensverantwortung (Corporate Responsibility).

Die Handelshochschule Leipzig (HHL) ist Deutschlands älteste betriebswirtschaftliche Hochschule und zählt heute zu den führenden Business Schools. Innerhalb der Ausbildung von leistungsfähigen und verantwortungsbewussten Führungspersönlichkeiten spielt neben der Internationalität die Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis eine herausragende Rolle.

Weitere Informationen unter:
http://www.hhl.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution679


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Handelshochschule Leipzig, MBA Volker Stößel, 06.07.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2009