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ENERGIE/2114: Pakistan - Neue Wasserkraftprojekte sollen Stromkrise im Nordwesten lösen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015

Pakistan: Neue Wasserkraftprojekte sollen Stromkrise im Nordwesten lösen

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

In Mardan, einem Distrikt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, entstehen mehrere kleine Staudämme, um die lokale Stromversorgung abzusichern
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

PESHAWAR (IPS) - Der pakistanische Politiker und ehemalige Kricket-Profi Imran Khan, dessen Partei 'Tehreek Insaf' in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa regiert, hat kürzlich den Grundstein für ein neues Wasserkraftprojekt gelegt. Der Bau eines neuen Staudamms in dem Distrikt Lower Dir soll gravierende Energieengpässe beheben.

"Der Damm wird uns eine günstige Stromversorgung rund um die Uhr verschaffen", sagt Muhammad Shafique, ein Lehrer in Lower Dir. "Momentan haben wir täglich 14 bis 16 Stunden lang keine Elektrizität. Die Menschen hier sind glücklich darüber, dass der Damm künftige Stromausfälle verhindern wird."

Shafique betont, dass viele Kinder aufgrund des Mangels an Elektrizität nicht zur Schule gehen können. Auch Patienten in den Krankenhäusern und 65 Prozent der Bevölkerung, die Landwirtschaft betreiben, könnte dadurch geholfen werden.


Stromausfälle legen öffentliches Leben lahm

Nicht nur in Khyber Pakhtunkhwa, sondern auch in anderen Teilen des südasiatischen Landes hat der Strommangel das öffentliche Leben praktisch zum Stillstand gebracht. Bewohner ländlicher Regionen müsen sich teils 20 Stunden täglich mit einer eingeschränkten Stromzufuhr oder mit Totalausfällen arrangieren.

Um den Notstand zu beheben, will die Provinz nun 365 kleine Staudämme errichten lassen. "Der erste Damm in Lower Dir wird in vier Jahren fertiggestellt sein und 40 Megawatt Elektrizität produzieren", erklärte der Regierungschef von Khyber Pakhtunkhwa, Pervez Khattak, in einem Exklusivinterview mit IPS.

Die Kosten bezifferte er auf umgerechnet 117 Millionen US-Dollar. Damit könnte das Versorgungsproblem in Lower Dir und angrenzenden Distrikten gelöst werden, sagte Khattak. Zudem würden die Verbraucher Geld sparen. Vier weitere Dämme seien im Bau.

Die Zentralregierung Pakistans war allein für den Stromsektor zuständig, bis eine Verfassungsreform im Jahr 2010 vier Provinzen gestattete, eigene Energieprojekte in Angriff zu nehmen. Khyber Pakhtunkhwa hat den Anfang gemacht.

Bisher produzierte Pakistan 40 Prozent seiner Energie aus teurem Heizöl. Die Unruheprovinz Khyber Pakhtunkhwa, die an die so genannten Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) angrenzt, setzt hingegen verstärkt auf ihren immensen Wasserreichtum.

"Wir konzentrieren uns auf den Bau kleinerer Kraftwerke in der gesamten Provinz, um die Industrialisierung zu fördern und den Alltag der unter ständigen Stromausfällen leidenden Menschen zu erleichtern", sagte der Informationsminister der Provinz, Mushtaq Ahmed Ghani.


Gaspipeline explodiert

Nach Angaben des nationalen Stromversorgers NTDC produziert das Land insgesamt rund 7.500 Megawatt Elektrizität, während die Nachfrage bei 12.000 Megawatt liegt. Die Erzeugung von Wasserkraft wird in vielen Landesteilen dadurch beeinträchtigt, dass der Wasserausfluss aus den größeren Gewässern wegen der Schließung von Kanälen zurückgegangen ist.

Etwa 800 Megawatt Strom fehlen laut NTDC, weil die Gasversorgung durch die Kraftwerke Uch-I und Uch-II in der Provinz Belutschistan unterbrochen ist. In der Provinz, in der Extremisten aktiv sind, war eine Pipeline explodiert.

Senator Muhsin Aziz, Vorsitzender des Investitionsausschusses von Khyber Pakhtunkhwa, erklärte, die extremen Stromausfälle hätten den Industriesektor in der Provinz lahmgelegt. "Etwa 300 Fabriken mussten schließen, weil es nicht genug Elektrizität gibt. 20.000 Menschen sind dadurch arbeitslos geworden."

Die Wohlhabenden in den Städten schafften sich Diesel- oder Gasgeneratoren an, während die Armen in ländlichen Gebieten die Stromausfälle in sengender Hitze ertragen müssten, sagte Aziz. "Wir haben versucht, die Zentralregierung davon zu überzeugen, die Stromversorgung in der Provinz zu garantieren, die im Kampf gegen die Extremisten bereits hohe Verluste erlitten hat. Alle Bitten sind jedoch auf taube Ohren gestoßen."


Solaranlagen für viele Bauern unerschwinglich

Nicht alle Bauern können es sich leisten, ihre Rohrbrunnen mit Hilfe von Solaranlagen zu betreiben. "Diese Anlagen kosten jeweils etwa 5.000 Dollar und sind für kleine Farmer nicht bezahlbar", sagt Musafir Khan, ein Bauer aus dem Distrikt Mardan. Der Strommangel habe viele Besitzer von Ackerland in die Armut getrieben, berichtet er. "Unsere Hoffnungen richten sich jetzt auf das Machi-Wasserkraftprojekt, das von der Provinzregierung in Angriff genommen wurde, um unseren Strombedarf zu decken."

Eines der geplanten Kraftwerke, das in Mardan gebaut wird, soll in zwei Jahren ans Netz gehen und 2,6 Megawatt Elektrizität für die lokale Bevölkerung erzeugen.

In Khyber Pakhtunkhwa und in anderen Provinzen kommt es häufig zu Protesten gegen die unzureichende Stromversorgung. Am 8. August griffen aufgebrachte Menschen eine Verteilerstation an, beschädigten Maschinen und verbrannten Akten. "In den vergangenen drei Monaten hatten wir 16 Stunden am Tag keinen Strom. Das ist höchst ungerecht", beschwerte sich einer Protestierenden. "Außerdem haben wir kein Wasser für den täglichen Bedarf, und die Leute werden deshalb krank."

Ein ehemaliger Leiter der Wasser- und Energiebehörde WAPDA erklärte, die Regierung müsse neue Staudämme bauen, um die wachsende Nachfrage zu erfüllen. "Der Bau des Kala-Bagh-Dammes wird seit 20 Jahren immer weiter hinausgezögert", kritisierte er. "Dabei würde durch den Stausee die Elektrizitätsproduktion so weit gesteigert, dass WAPDA sogar Strom exportieren könnte."

Der Kala-Bagh-Damm sorgte für politische Kontroversen. Drei der vier Provinzen, die eigenen Strom produzieren dürfen, lehnen das Projekt ab, weil Bauern eine Versalzung ihres Ackerlandes befürchten. (Ende/IPS/ck/28.10.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/10/pakistan-looking-to-hydropower-to-assure-more-reliable-electricity/

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IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2015

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