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INTERNATIONAL/252: Kuba - Gute Aussichten für die Tabakindustrie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2015

Kuba: Gute Aussichten für die Tabakindustrie

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Tabakpflücker auf der Rosario-Plantage in San Juan y Martínez in Vuelta Abajo im Westen Kubas, wo Premium-Tabak angebaut wird
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

San Juan y Martínez, Kuba, 9. März (IPS) - Sollte das US-Wirtschaftsembargo gegen Kuba fallen, würden sich auch für die kubanischen Havanna-Zigarren, den besten der Welt, neue Absatzchancen eröffnen. Auf die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama reagieren die Beschäftigten der kubanischen Tabakindustrie bisher mit Gleichmut. "Warten wir's ab", ist auf den Pflanzungen im Westen des Landes zu hören.

"Wenn das Tabakunternehmen dadurch mehr verkauft, könnte ich mir vorstellen, dass wir besser bezahlt werden", meint Berta Borrego, die seit mehr als 30 Jahren in San Juan y Martínez in der Provinz Pinar del Río 180 Kilometer westlich der kubanischen Hauptstadt Havanna Tabakblätter auffädelt, zum Trocknen aufhängt und sortiert.

In der Region Vuelta Abajo und insbesondere in den Bezirken San Juan und Martínez, San Luis, Guane und Pinar del Río sind Klima und Bodenbeschaffenheit optimal für den Tabakanbau. Seit Jahrhunderten werden hier die handgerollten und für ihre Premium-Qualität bekannten Havanna-Zigarren hergestellt. Jedes Jahr wird auf einer Fläche von 15.940 Hektar Tabak, Kubas viertwichtigstes Exporterzeugnis, angebaut.

Borrego zufolge macht sich auf der Rosario-Plantage, auf der sie arbeitet, keiner wirklich Gedanken über die Zeit nach dem US-Embargo, das die USA 1962 gegen Kuba verhängt hatten. Die Wirtschaftsblockade soll als Teil eines laufenden Prozesses zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen beseitigt werden. "Bessere Verdienstmöglichkeiten wären sicher ein Anreiz, um mehr Arbeiter für die Tabakindustrie zu gewinnen. Es gibt gerade in den ländlichen Gebieten einen Mangel an weiblichen und männlichen Beschäftigten", erläutert sie.


Symbol des Neuanfangs

Kubanische Havannas sind zu einem Symbol des US-kubanischen Tauwetters geworden, seit Präsident Barack Obama eine solche Zigarre während eines Empfangs im Weißen Haus wenige Stunden nach Ankündigung der Normalisierung der Beziehungen zu Kuba entgegennahm. Als erste Geste des guten Willens wurde den US-Kubareisenden erlaubt, Zigarren und Rum im Wert von 100 US-Dollar mit nach Hause zu bringen.


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Berta Borrego in einem Schuppen der Rosario-Plantage, wo sie Tabakblätter zum Trocknen aufhängt
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Doch der Verkauf der Havannas in US-Geschäften, in denen nicaraguanische und dominikanische Zigarren dominieren, ist nach wie vor verboten. Auch dürfen US-Unternehmen nicht in die kubanische Tabakindustrie investieren. Damit das US-Embargo fallen kann, bedarf es zunächst der Zustimmung des US-Kongresses.

Sollte das US-Embargo fallen, könnte Habanos SA als Kubas einziges Tabakunternehmen auf dem US-Markt mindestens 250 Millionen Dollar jährlich erzielen. Das Joint Venture aus dem staatlichen Unternehmen 'Tabacuba' und dem britischen Konzern 'Imperial Tobacco Group PLC' schätzt, dass 150 Millionen Zigarren der 27 kubanischen Marken den US-Markt überschwemmen werden, sobald sich der US-Markt für kubanische Erzeugnisse öffnet.

2014 hatte Tabacuba bekanntgegeben, die Produktion der Tabakblätter in den kommenden fünf Jahren in den 15 kubanischen Provinzen zu verdoppeln. Dort stellen mehr als 16.000 Produzenten - mehrheitlich private Bauern und Genossenschaftsmitglieder - Tabak her.

Kuba mag zwar die besten Zigarren produzieren. Die weltgrößten Hersteller sind jedoch China, die USA, Brasilien, Indien und die Türkei - und zwar in dieser Reihenfolge. Auch gehört der karibische Inselstaat nicht zu den Ländern mit den höchsten Ernteerträgen. Das sind Taiwan, Spanien, Italien, Japan und die USA.

Aufgrund der vielen weltweiten bewaffneten Konflikte, der hohen Importsteuern in Europa und der Folgen des Klimawandels auf Kuba sind die Verkäufe von 'Habanos SA' von 2013 bis 2014 um ein Prozent auf 439 Millionen Dollar zurückgegangen.

Von der Genehmigung für US-amerikanische Kuba-Touristen, Zigarren im Wert von 100 US-Dollar mit nach Hause zu bringen, gehe eine hohe Symbolkraft aus, meinte Jorge Luis Fernández Maique, Vizepräsident des anglokubanischen Unternehmens, auf der diesjährigen Zigarrenmesse vom 23. bis 27. Februar in der kubanischen Hauptstadt Havanna, die von 1.650 Zigarrenliebhabern aus 60 Staaten besucht wurde. Im Rahmen der Messe besuchen die Teilnehmer Tabakpflanzungen und Fabriken, Auktionen für Luftbefeuchter, Kunstausstellungen und Verköstigungen, wo ihnen Zigarren, Wein, Rum und Nahrungsmittel gereicht wurden.


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Benefizauktion für Luftbefeuchter auf der diesjährigen Zigarrenmesse in Kuba
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

In seinen mehr als 140 Locations verkauft 'La Casa del Habano', ein internationales Franchise-Unternehmen, eine Packung mit 20 Cohiba-Zigarillos für zwölf Dollar und eine Havanna zu 50 Dollar. Der hohe Preis ist auf das aufwändige Produktionsverfahren zurückzuführen, das den Anbau, die Selektion, das Auffädeln der Blätter, das Trocknen und den Reifeprozess begleitet.


Vergleichsweise hohe Löhne

Luis Camejo arbeitet seit acht Jahren als Tabakpflücker. In der Erntezeit von Oktober bis März pflückt und fädelt er die Tabakplätter auf und hängt sie zum Trocknen auf. Wie er berichtet, verdient er in der Erntesaison 1.200 kubanische Peso im Monat, umgerechnet etwa 50 Dollar. Außerdem erhält er einen Bonus in konvertierbaren Pesos, nachdem der Plantagenbesitzer seine Ernte an die staatseigenen Unternehmen verkauft hat.

Die Arbeiter verdienen somit besser als die Staatsbediensteten, die monatlich 19 Dollar im Monat erhalten. Dem Studienzentrum für die Wirtschaft Kubas zufolge reicht dies nicht aus, um die Lebenskosten der Menschen zu decken. Allein für Nahrungsmittel geben Familien 59 bis 75 Prozent ihrer Einkommen aus.

"Wenn wir uns eine dominante Rolle auf den globalen Märkten sichern wollen, müssen wir auf Qualität und hohe Ernteerträge setzen, denn Vuelta Abajo ist nicht weiter ausbaufähig", meint Iván Máximo Pérez, der Eigentümer der 5,4 Hektar großen Rosario-Farm, die pro Hektar 2,5 Tonnen Tabakblätter abwirft. Rentabel sei der Tabakanbau nur solange, wie die Produzenten effizient arbeiteten. Für ihn selbst gebe es keinen Grund aus dem Geschäft auszusteigen: "Tabak ist eine sichere Sache, da der Staat uns alles zu Festpreisen, je nach Qualität, abnimmt, was wir produzieren."

Pérez, der 'El Gallego' ('Der Galizier') genannt wird, weil er spanische Vorfahren hat, setzt neue Technologien auf seiner Farm ein. Er beschäftigt zehn Männer und acht Frauen und ist Mitglied einer der Kredit- und Dienstleistungskooperativen, die für die Tabakunternehmen produzieren.

Er verfügt über sein eigenes Saatgut, betreibt konservierende Landwirtschaft, pflanzt unterschiedliche Tabakvarietäten, benutzt organische Düngemittel und hat den Einsatz von Insektiziden inzwischen auf 30 Prozent der früheren Menge zurückgefahren. "Ich hätte nie gedacht, dass ich solche Erträge erzielen würde wie heute", sagt er. "Die Anwendung von Wissenschaft und unterschiedlichen Anbautechniken hat dazu geführt, dass ich den Tabakanbau in einem völlig anderen Licht sehe." (Ende/IPS/kb/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/02/tabacaleros-cubanos-dudosos-sobre-apertura-con-estados-unidos/
http://www.ipsnews.net/2015/02/tobacco-workers-in-cuba-dubious-about-opening-of-u-s-market/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2015

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