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INTERNATIONAL/280: Zentralafrikanische Republik - Firmen horten Konfliktdiamanten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Oktober 2015

Zentralafrikanische Republik: Warten auf Ende des Exportverbots - Firmen horten Konfliktdiamanten im Wert von Millionen Dollar

von Julia Krämer


LONDON/BERLIN (IPS) - Große Handelsunternehmen haben in den vergangenen Jahren Konfliktdiamanten im Wert von mehreren Millionen US-Dollar in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) gekauft. Wie Untersuchungen von Amnesty International zeigen, horten die Unternehmen die Diamanten, um sie zu verkaufen, sobald ein seit zwei Jahren geltender Exportbann gekippt wird.

In ihrem am 30. September vorgelegten Bericht "Chains of Abuse: The global diamond supply chain and the case of the Central African Republic" kritisiert Amnesty International, dass die Unternehmen häufig nicht prüfen, ob sie mit dem Kauf bewaffnete Gruppen finanzieren, die für Massenexekutionen, Vergewaltigungen, Verschleppungen und Plünderungen verantwortlich sind. Der Bericht zeigt außerdem unerlaubte Kinderarbeit und Steuervergehen im Diamantensektor auf.

"Firmen, die Konfliktdiamanten gekauft haben, dürfen daraus grundsätzlich keinen Profit schlagen", sagte Mathias John, Experte für Rüstung, Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland. "Die Regierung sollte daher alle Konfliktdiamanten beschlagnahmen, selbst verkaufen und den Gewinn für gemeinnützige Zwecke einsetzen."

Vom Dezember 2012 bis März 2013 lieferte sich die damalige Regierung der Zentralafrikanischen Republik Gefechte mit der islamisch dominierten Rebellenkoalition Séléka. Im März 2013 nahm die Rebellenkoalition dann den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bangui ein und übernahm die Macht. Der bisherige Präsident François Bozizé floh unmittelbar darauf ins Ausland. Von da an kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen bewaffneten Anhängern Bozizés - den christlichen Anti-Balaka-Milizen - und den eigentlich für aufgelöst erklärten Séléka. Der seit rund zwei Jahren andauernde Konflikt hat bisher mehr als 5.000 Menschen das Leben gekostet.

Vor dem Konflikt machten Diamanten die Hälfte der Exporte aus der ZAR aus. Seit Mai 2013 ist der Handel mit den wertvollen Rohstoffen in der Zentralafrikanischen Republik allerdings aufgrund des sogenannten Kimberley-Prozesses verboten. Auf diesen hatten sich Staaten, Diamantenindustrie und Zivilgesellschaft bereits zehn Jahre zuvor geeinigt. Das auf Betreiben der UN- Vollversammlung 2003 etablierte Zertifizierungssystem soll verhindern, dass die sogenannten Blutdiamanten, mit denen Waffenkäufe und Bürgerkriege finanziert werden, in den internationalen Handel gelangen.


Bewaffnete Gruppen kontrollieren Diamantenhandel

Um herauszufinden, ob weiter Blutdiamanten gehandelt werden, befragten Mitarbeiter der Organisation Minenarbeiter und Diamantenhändler. Dabei zeigte sich, dass beide bewaffnete Gruppen - sowohl die muslimische Séléka als auch die christlich dominierte Anti-Balaka - Diamantenminen kontrollieren und von den Arbeitern und Händlern eine Art Steuer oder auch Schutzgeld verlangen. Mit den Einnahmen beschaffen sich die Milizen Waffen, bezahlen ihre Kämpfer, bereichern ihre Anführer und verbreiten Angst und Schrecken. Fast täglich ist von Anschlägen auf Zivilisten zu hören. Eine im Juli 2014 zwischen den Konfliktparteien in Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, verhandelte Feuerpause wird weitgehend ignoriert.

Die Untersuchungen Amnestys ergaben außerdem, dass die Herkunft der Diamanten in den Handelszentren nicht ausreichend überprüft wird und Blutdiamanten somit in den internationalen Handel gelangen.

Amnesty International hält es für sehr wahrscheinlich, dass das staatliche angolanische Unternehmen Sodiam in den vergangenen zwei Jahren mit dem Kauf von Diamanten mit insgesamt 60.000 Karat im Wert von sieben Millionen US-Dollar die Anti-Balaka finanziert hat. Im Mai dieses Jahres hatte ein Vertreter des Unternehmens in der Stadt Carnot gegenüber der Menschenrechtsorganisation bestätigt, dass die Firma während des andauernden Konflikts im Westen der Republik Diamanten angekauft habe. Sie sollen verkauft werden, sobald das Exportverbot aufgehoben sei. Dies könnte bald der Fall sein, wenn die Regierung des Landes sich auf Bedingungen einlässt, die im Juli im Rahmen des Kimberley-Prozesses festgelegt wurden.

Einer der Händler zeigte den Mitarbeitern der Menschenrechtsorganisation Rechnungen, die den Verkauf von Diamanten an Sodiam belegen. Andere Händler machten ähnliche Angaben gegenüber Vertretern der UN.

Der Amnesty-Bericht zeigt auf, dass die Anti-Balaka im Westen der Republik massiv in den Diamantenhandel verwickelt ist. Mehrere Händler aus der Region gaben an, von den Verwicklungen zu wissen, dennoch aber keinen Unterschied zwischen sauberen Diamanten zu machen und solchen, die den Kampf der christlichen Miliz unterstützen.

Sodiam selbst stritt gegenüber Amnesty International ab, jemals Konfliktdiamanten gekauft zu haben. Das Unternehmen kaufe keine Diamanten von Minen, die von Rebellengruppen kontrolliert werden oder von Händlern, die nach Wissen des Unternehmens mit Rebellengruppen verbunden seien. Die Menschenrechtsorganisation hält die Beteuerungen für falsch.

Auch der zweitgrößte Diamantenhändler in der Zentralafrikanischen Republik ist bereits negativ aufgefallen. Die UN setzte das Unternehmen Badica und dessen belgische Schwesterfirma Kardiam im August auf eine schwarze Liste, nachdem illegaler Diamantenhandel in Séléka-kontrollierten Gebieten im Osten des Landes aufgeflogen war. Darüber hinaus fror die die Konten der betroffenen Firmen ein.


Amnesty International fordert Konfiszierung von Diamanten durch Regierung

Von der Regierung der Zentralafrikanischen Republik fordert Amnesty International, alle Diamanten von Sodiam und Badica zu konfiszieren, solange das Unternehmen nicht beweisen kann, keine der bewaffneten Gruppen finanziert zu haben. Darüber hinaus müsse die Regierung ein effektives und transparentes System etablieren, um den Schmuggel von Diamanten in Konfliktzonen nachhaltig zu unterbinden. Kleine Diamantenschürfer müssten effektiv geschützt werden, um deren Ausnutzung und Kontrolle durch bewaffnete Gruppen zu verhindern. Letztlich müsse auch Kinderarbeit gestoppt werden.

Die Menschenrechtsorganisation fordert darüber hinaus eine stärkere Berücksichtigung der OSZE-Richtlinien für verantwortliche Lieferketten von Mineralien aus Konfliktgebieten und Hochrisikozonen. Die OSZE solle darüber hinaus einen Konsultationsprozess starten, in den sie unterschiedliche Akteure aus Ländern einbinde, in denen Diamanten produziert oder gehandelt werden.

Wenn schon Blutdiamanten, dann sollen wenigstens nicht Unternehmen, sondern die Bewohner der Zentralafrikanischen Republik vom Erlös der natürlichen Ressource ihres Landes profitieren, fordert Amnesty International. "Diamanten sollten für das Land ein Segen sein, kein Fluch", sagte Lucy Graham, eine Vertreterin der Organisation. (Ende/IPS/jk/02.10.2015)


Links:

https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/09/companies-must-not-profit-from-blood-diamonds/
https://www.amnesty.org/download/Documents/AFR1924942015ENGLISH.PDF

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2015

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