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REDE/414: Ramsauer zum Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland, 25.02.10 (BPA)


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Rede der Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, zum Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland vor dem Deutschen Bundestag am 25. Februar 2010 in Berlin


Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich bin dem Parlament ausgesprochen dankbar dafür, dass dieser Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland an so prominenter Stelle auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, nämlich zu Beginn der Kernzeit unserer parlamentarischen Beratungen. Das ist sozusagen beste Sendezeit des Parlaments.

Ich betone dies vor allen Dingen aus einem Grunde: Bei der öffentlichen Darstellung durch die Medien werden die Inhalte meines Ministeriums in der Regel, aus welchen Gründen auch immer, auf das Thema Verkehr verkürzt, was bisweilen dazu geführt hat, dass in Kommentierungen der Medien ein- oder zweimal geschrieben worden ist, bei Ramsauer komme der Bau unter die Räder. Erst wird also nur über das Thema Verkehr geschrieben, und dann wird von denselben Leuten beklagt, dass der Bau unter die Räder komme.

Heute setzen wir ein Zeichen dafür, dass dies nicht der Fall ist, dass vielmehr die Bau- und Immobilienwirtschaft eine ganz herausragende, bedeutende Rolle in unserer Volkswirtschaft spielt, und zwar etwa in der Größenordnung des gesamten Gesundheitswesens. Mit einer Bruttowertschöpfung von 250 Milliarden Euro und rund 3,8 Millionen Beschäftigten ist sie eine der tragenden Säulen unserer Volkswirtschaft.

Etwas Besonderes wohnt dieser Immobilien- und Bauwirtschaft inne: Sie ist, wie wenige andere Wirtschaftszweige, ausgesprochen mittelständisch geprägt und erweist sich in ihrem moderaten und stetigen Wachstum gerade vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise als sehr stabilisierendes Element. In Deutschland gibt es keine spekulationsgetriebene Immobilienblase, wie sie anderswo ganze Volkswirtschaften ins Wanken bringt. Darauf sollten wir stolz sein. Dies ist nicht zuletzt das Ergebnis unserer Stabilitätskultur in Deutschland, die es auch künftig gegen vielfältige Vorstöße und Anfeindungen zu sichern gilt.

Das Wohneigentum wurde gerade in den letzten fünf, zehn Jahren von vermeintlich cleveren Finanzjongleuren über viele Jahre hinweg als renditeschwach und konservativ belächelt. Ich bin froh, nunmehr feststellen zu können, dass sich gerade die Wohnimmobilie heute zu Recht als Gewinner der Finanzkrise bezeichnen kann. Dafür gibt es Gründe. Einer der Gründe ist der stabile Rechtsrahmen, den wir mit den risikoarmen Festzinshypotheken sowie den bewährten Bausparverträgen haben. Das setzt auf Solidität anstatt auf Spekulation. Die Immobilie mit ihrer nachhaltigen Wertbeständigkeit gilt mit Fug und Recht als Inbegriff konservativen Wirtschaftens. Das hat sich bewährt. Das können wir auch vor dem Hintergrund der Finanzkrise in aller Deutlichkeit und mit Stolz feststellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Thema Wohnen geht es jedoch um sehr viel mehr als um Wirtschaftskraft und Anlagevermögen. Wohnen ist ein individuelles und soziales Grundbedürfnis aller Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Schließlich ist Wohnen auch ein wichtiger Teil dessen, was wir alle als Heimat empfinden und als solche bezeichnen. Die viel zitierten eigenen vier Wände sind sozusagen der privateste Raum jedes Bürgers und jeder Bürgerin. Das eigene, vertraute Umfeld gerade auch im hohen Alter gilt es unbedingt zu erhalten. Wir sollten daher vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unser Bestmögliches tun, durch altersgerechtes Bauen und Förderung des altersgerechten Umbaus den älteren Menschen den Verbleib in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen, solange dies irgend möglich ist.

Wohneigentum bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger nicht nur einfach Besitz; Eigentum hat vielmehr auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Ich habe hier an dieser Stelle oft schon darüber gesprochen: Wohneigentum gibt ein Stück individuelle Freiheit und erfordert natürlich ebenso Eigenverantwortung. In diesem Zusammenhang von Eigentum, Freiheit und Eigenverantwortung ist der Staat nicht gefragt. Dies gibt ein Stück Freiheit vom Staat und ist gelebte freiheitliche Gesellschaft und freiheitliche Bürgerkultur.

Wir sollten deshalb alles daran setzen, dass wir die Wohneigentumsquote, die derzeit bei etwa 43 Prozent liegt, weiter erhöhen. Deshalb war es auch ein wichtiger Schritt, dass noch in der letzten Legislaturperiode das selbstgenutzte Wohneigentum besser in die private Altersvorsorge einbezogen worden ist. Bis Ende letzten Jahres sind etwa 200.000 Verträge nach dem Eigenheimrentengesetz abgeschlossen worden. Ich meine, das ist eine gute Zahl, aber wir sollten alles daran setzen, dass sich dies noch weiter verbessert. In den Beratungen, in die der Bericht jetzt geht, sollte im Hinblick darauf Kreativität entwickelt werden.

Zum Thema Wohnen und Bauen gehört untrennbar das Stichwort Klimaschutz und Energieeinsparung. Wir wissen, dass etwa 40 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs in Deutschland im Bereich der Gebäude zum Heizen von Luft und Wasser verbraucht wird. Dementsprechend haben wir hier ein hohes Einsparpotenzial. Mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm haben wir einen wirklich großartigen Renner in unserem Land, und wir beraten derzeit - so gestern wieder im Verkehrs- und Bauausschuss und am Nachmittag zum gleichen Thema im Haushaltsausschuss -, wie wir dieses CO2-Gebäudesanierungsprogramm verlängern und verstetigen können.

Bisher sind insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen gefördert worden. Das entspricht einem Einsparvolumen von etwa vier Millionen Tonnen CO2-Ausstoß. Nun kann man sagen, dass das in Anbetracht der Dimensionen etwas wenig ist. Ich will Ihnen eine andere Zahl nennen: Bei der Verteilung der CO2-Emissionszertifikate gingen wir von einem Volumen von etwa 500 Millionen Tonnen CO2 aus. Im Vergleich dazu scheinen vier Millionen Tonnen CO2 nicht viel zu sein. Aber wir müssen an allen Ecken und Enden, wo es uns möglich ist, sinnvoll ansetzen, gerade auch im Baubereich, um CO2-Einsparungen zu erzielen. Im Übrigen wissen wir alle aus den vielen Zuschriften zur Verstetigung dieses Programms, die wir gerade in diesen Tagen bekommen, in welcher Größenordnung wir im Bereich der Bauwirtschaft und des Handwerks Arbeitsplätze sichern. Die Rede ist von bis zu 300.000 Arbeitsplätzen.

Wir wollen hier nicht nur weitermachen, sondern wir wollen die Effizienz dieses Programms weiter verbessern. Wir müssen uns vor allen Dingen um den Wohnung- und Gebäudebestand kümmern. Natürlich bietet der Neubau tolle Perspektiven. Was sich im Bereich des Energie-Plus-Hauses an Möglichkeiten abzeichnet, ist sensationell. Es ist nicht nur ein Haus, das unter dem Strich keine Energie verbraucht, sondern auch ein Haus, das sein eigenes Kraftwerk ist. Vor zwei Tagen habe ich mir Konzepte vorlegen lassen. Das hätte man sich vor zehn Jahren nicht träumen lassen: Ein Wohnhaus, das Energie produziert und damit seinen gesamten Energiebedarf für Heizung und heißes Wasser abdeckt. Darüber hinaus erzeugt es einen Überschuss, mit dem man beispielsweise das eigene Elektroauto beladen kann. Insgesamt kann ein Haushalt, was seine Grundbedürfnisse inklusive Mobilität angeht, seinen gesamten Energiebedarf decken. Das sind großartige Visionen. Von denen müssen wir uns leiten lassen.

Zu diesem Bericht gehört auch das Thema Mietrecht. Auch das steht auf der Tagesordnung. Wir werden - das steht im Koalitionsvertrag - das Mietrecht überprüfen. Die Federführung liegt beim Justizressort. Von mir als Wohnungsbauminister wird aber zu Recht ein klares Wort erwartet. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das Mietrecht für uns eine enorme soziale Bedeutung hat. Wir werden aus tiefem Verantwortungsbewusstsein heraus die soziale Balance nicht aus den Augen verlieren.

Ich möchte aber ein aktuelles Problem benennen - wie wir es lösen werden, wird zu beraten sein -: Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn Mieter den Vermieter vorsätzlich und bewusst schädigen. Gerade wenn es um die sogenannten Mietnomaden geht - ein Phänomen, das ich mir in diesem Ausmaß noch vor wenigen Jahren nicht hätte vorstellen können -, dürfen rechtstreue Kleinvermieter und die Immobilienwirtschaft nicht alleingelassen werden.

Ich höre aus den Reihen der Sozialdemokraten einen tiefen Seufzer. Diesen Seufzer möchte ich nicht unkommentiert lassen. Es kann nicht sein, dass Mietnomaden Wohnungen verwüsten und unvermietbar hinterlassen und der Vermieter auch noch monatelang auf Mietausfällen sitzen bleibt.

Ich wünsche den beteiligten Ausschüssen gute Beratungen.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 19-1 vom 25.02.2010
Rede der Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Dr. Peter Ramsauer, zum Bericht über die Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft
in Deutschland vor dem Deutschen Bundestag am 25. Februar 2010 in
Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2010