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REDE/452: Rainer Brüderle, zum Energiekonzept der Bundesregierung vor dem Bundestag, 01.10.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, zum Energiekonzept der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag am 1. Oktober 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Diese Koalition ist keine Regierung des Ausstiegs. Diese Koalition ist eine Regierung des Einstiegs, des Einstiegs in mehr Wachstum, des Einstiegs in mehr Beschäftigung, des Einstiegs in gesunde Staatsfinanzen und eben auch des Einstiegs in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Erstmals nach vielen Jahren haben wir jetzt in Deutschland ein langfristig angelegtes Energiekonzept vorgelegt. Die rot-grüne Ausstiegsregierung hat es jedenfalls nicht geschafft, ein solches Konzept zu erarbeiten. Wir setzen um, was wir im Koalitionsvertrag angekündigt haben. Wir zeigen unsere Entschlossenheit, wir zeigen unseren Gestaltungswillen, wir richten die Energiepolitik langfristig aus.

Nach intensiven Beratungen haben wir am Dienstag dieser Woche unser Energiekonzept im Kabinett beschlossen. Es ist ein wirklich umfassendes Energiekonzept für Strom, für Wärme und für Verkehr. Im Koalitionsvertrag haben wir uns ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. Das Energiekonzept zeigt Wege auf, wie wir diese Ziele erreichen können. Es beschränkt sich also nicht auf wohlfeile Zielbeschreibungen und schöne Worte.

Die Opposition will so schnell wie möglich aus der Kernkraft aussteigen. Gleichzeitig wollen weite Teile der Opposition aus der Kohleverstromung aussteigen, die derzeit noch für rund 40 Prozent unserer Stromversorgung sorgt. Außerdem wollen Sie vor Ort den Bau neuer Netze verhindern. Wenn das Realität würde, gingen in Deutschland die Lichter aus. Man hat fast den Eindruck, Sie wollen eine Art energiepolitischen Morgenthau-Plan. Wer das ernsthaft will, steigt aus der internationalen Wettbewerbsfähigkeit aus und verspielt leichtfertig zentrale Grundlagen für Wohlstand und Arbeitsplätze in unserem Land. Die Rechnung würden die Menschen zahlen. Das ist keine seriöse Energiepolitik. Das machen wir nicht.

Mit diesem Energiekonzept beenden wir die energiepolitische Flickschusterei. Wir wollen, dass Energie in unserem Land sauber, sicher und bezahlbar ist. Diesem Zweck dient auch die Laufzeitverlängerung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir setzen uns Ziele. Wir benennen die konkreten Maßnahmen, um die Ziele zu erreichen, und wir legen ein solides Finanzierungskonzept vor. Wir schöpfen die Gewinne der Kernkraftwerkbetreiber in Milliardenhöhe ab, zu rund 50 Prozent. Zum Vergleich: Im grün regierten Freiburg werden gerade einmal zehn Prozent der städtischen Konzessionsgewinne für Klimaschutzprojekte verwendet.

In unserem Konzept werden Wind- und Solarstrom mit zweistelligen Milliardenbeträgen gefördert. Noch mehr Mittel kommen hinzu. Hinzu kommen die Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten für die Kohle- und Gaskraftwerke ab 2013. Sie werden fast ausschließlich in erneuerbare Energie, Energieeffizienz und in die Forschung gesteckt. Das heißt konkret: Die konventionelle Energieerzeugung aus Kernenergie, Kohle und Gas bezahlt letztendlich den Umbau ins Zeitalter der erneuerbaren Energien.

Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen großen und kleinen Unternehmen, zwischen konventionellen und neuen Energieformen. Wir flankieren das mit dem Wettbewerbsrecht: mit der neuen Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt, mit der neuen Gasnetzzugangsverordnung und mit der Umsetzung des Dritten Binnenmarktpaketes. Mit diesen Maßnahmen verfolgen wir ein Ziel: bezahlbare Energiepreise für Bürger und Unternehmen in Deutschland. Die Opposition scheint eher auf hohe Energiepreise zu setzen. Anders lassen sich manche Zahlen, mit denen Sie derzeit hausieren gehen, überhaupt nicht erklären.

Wenn der Wind über die Nordsee weht und die Sonne in der Wüste scheint, dann können erneuerbare Energien erzeugt werden. Wir müssen den Strom aber auch zu den Verbrauchern bringen: nach Berlin, Hamburg, München, Stuttgart oder ins Ruhrgebiet. Deswegen ist für mich das Thema Energienetze ein wirklich entscheidender Punkt in unserem Konzept. Deshalb ist dieses Thema auch einer der ersten Punkte in unserem Sofortprogramm. Wir müssen die Windparks vor der Küste möglichst schnell und effizient an das Festlandnetz anbinden. Wir wollen, dass in die Netze der Zukunft investiert wird. Wir wollen, dass im Bereich Speichertechnologien geforscht und entwickelt wird. Das haben Sie in der Vergangenheit nicht betrieben.

Ich muss ganz klar sagen: Wer für eine dezentrale, regenerative Energieerzeugung ist, aber nicht Ja sagt zu einem umfassenden Netzausbau, der will in Wahrheit keine dezentrale, regenerative Energieerzeugung. Anders geht es nämlich gar nicht. Es ist scheinheilig, einerseits für die dezentrale Energieversorgung zu sein und andererseits als Erste vor Ort gegen den Bau von Leitungen zu sein. Damit verhindern Sie das Umsteuern in der Energiepolitik. Das ist unaufrichtig.

Wir wollen, dass Strom jederzeit und ohne Unterbrechung zur Verfügung steht. Wir wollen zu jeder Zeit unser Handy aufladen, Kaffee kochen oder das Licht anschalten. Dieses Energiekonzept steht für Verlässlichkeit, für Klimaschutz und für bezahlbare Energiepreise. Wir steigen ein. Wir packen es an. Wir machen es.


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Quelle:
Bulletin Nr. 97-1 vom 01.10.2010
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie,
Rainer Brüderle, zum Energiekonzept der Bundesregierung
vor dem Deutschen Bundestag am 1. Oktober 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010