Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

REDE/505: Alexander Dobrindt - Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, 31.01.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, zur Verkehrs- und digitalen Infrastrukturpolitik der Bundesregierung in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 31. Januar 2014 in Berlin:



Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Bundesministerium für Mobilität und Modernität hat Aufgaben, die von zentraler Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes sind.

Verkehr und digitale Infrastruktur, das sind die Herausforderungen, die wir nicht nur rein technisch diskutieren dürfen, sondern die wir vor allem gesellschaftspolitisch verantworten und organisieren müssen. Wer Mobilität organisiert, der organisiert die Lebensadern unserer Gesellschaft, der stellt die Weichen für Wachstum und zukünftigen Wohlstand in unserem Land.

Es war deswegen ein richtiger Schritt, dass wir die Bereiche Verkehrsinfrastruktur und digitale Netze in einem Ministerium gebündelt haben und damit zusammen denken, zusammen planen und zusammen errichten. Das ist genau der Ansatz, der mit über die Zukunftschancen unseres Landes entscheidet und damit über die Zukunftschancen eines jeden Einzelnen von uns. Der Zugang zur digitalen Welt, der über die Netze organisiert wird, wird mit ausschlaggebend dafür sein, ob unsere nächste Generation Zukunftschancen in unserem Land hat.

Ich rate dazu, dies unter folgendem Gesichtspunkt zu sehen: Wenn wir für einen Moment die Technik in den Hintergrund und die Gesellschaftspolitik in den Vordergrund treten lassen, dann kann man feststellen, dass die Frage der Digitalisierung vor allem eine Frage der Gerechtigkeit ist. Es ist eine Frage der Innovationsgerechtigkeit, ob ich heute Zugang zur digitalen Welt habe, und damit ist es eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Jeder in unserem Land hat Anspruch darauf, an der neuen Technologie teilzuhaben.

Wir haben mit der sozialen Marktwirtschaft Ökonomie und sozialen Ausgleich zusammengebracht. Die soziale Marktwirtschaft gibt uns bis heute den Auftrag, die Ökonomie und die Ökologie sowie nunmehr gerade auch die Ökonomie und die digitale Revolution zusammenzubringen; denn das ist der Garant für wirtschaftlichen Erfolg in unserem Land. Neben der Produktivität und der sozialen Verantwortung wird die Teilhabe an der digitalen Welt künftig über Wachstum und Wohlstand mit entscheiden.

Dabei darf man sich nicht ausruhen auf dem, was man schon erreicht hat, darauf, dass wir funktionierende Netze in den großen Städten haben und große Datenmengen transportiert werden können. Wir haben in diesem Bereich eine enorme Dynamik zu verzeichnen. Die Datenmenge, die transportiert werden muss, wird in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen. 2020 werden wir fünfzigmal mehr Daten transportieren und speichern müssen, als dies zurzeit der Fall ist. Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation, die wir alle mit unseren Handys ausüben, sondern in erster Linie um die Kommunikation der Dinge untereinander. Dadurch werden Daten produziert. Die selbstständige Kommunikation der Maschinen untereinander wird Produktionsprozesse bestimmen. Das, was wir heute als Industrie 4.0 bezeichnen, die Modernisierung der Produktionsprozesse mittels Digitalisierung, ist in vollem Gange. Die wirtschaftliche Bedeutung der digitalen Infrastruktur ist inzwischen so groß, dass wir sie neben der Arbeit, neben den Ressourcen und neben dem Kapital als vierten Produktionsfaktor bezeichnen können.

Deswegen dürfen wir in Europa nicht einfach zuschauen, wie unser Wirtschaftsraum in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen, beispielsweise dem der Vereinigten Staaten von Amerika oder der asiatischen Länder, Gefahr läuft, technisch abgehängt zu werden. Es ist etwas Neues für uns, darüber nachzudenken, was es für uns in Europa bedeutet, technisch abgehängt zu werden. In anderen Regionen der Erde haben wir 50 Prozent mehr Pro-Kopf-Investitionen in die digitale Infrastruktur als in Europa. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Das heißt, dass die Kluft, die im digitalen Bereich inzwischen zwischen uns, den Vereinigten Staaten von Amerika und den chinesischen Märkten entstanden ist, nicht kleiner, sondern immer größer wird. Es braucht eine Initialzündung, damit wir eine Aufholjagd starten können. Deswegen werden wir eine Netzallianz Digitales Deutschland ins Leben rufen, an der all diejenigen teilnehmen sollen, die willig sind, in unsere digitalen Netze zu investieren. Wir werden die Rahmenbedingungen so gestalten, dass diese Investitionen in die Netze in erhöhtem Maße erfolgen können und das Vorhaben erfolgreich ist.

Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir bis 2018 ein flächendeckendes Breitbandnetz mit 50 Megabit pro Sekunde in Deutschland haben wollen. Neben dem Ausbau des Glasfaserkabelnetzes wird man dafür weitere Techniken benötigen. Wir gehen davon aus, dass dieser schnelle Datenzugang in der Fläche nur dann zu erreichen ist, wenn man Hybridtechniken einsetzt, das heißt, die Nutzung unterschiedlicher Netzzugänge gleichzeitig möglich ist.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium zu danken. Das ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Wir haben uns in der bedeutenden, entscheidenden inhaltlichen Frage, wer zukünftig für die Frequenzpolitik zuständig ist - die Frequenzpolitik kann ein Schlüssel sein, wenn es darum geht, in der Fläche eine echte Breitbandversorgung zu haben -, geeinigt. Das BMVI ist zukünftig für die digitale Dividende und die Frequenzpolitik zuständig. Das ist in unser beider Interesse. Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung des Bundeswirtschaftsministers und mir, dass wir mit dieser Strategie am Schluss im Sinne der Bevölkerung Deutschlands erfolgreich sind und eine flächendeckende Breitbandversorgung haben. Deswegen danke schön an den Bundeswirtschaftsminister dafür, dass dies gelungen ist.

Sie sehen, wir nehmen diese Herausforderung ernst. Ich erwarte nicht, dass dies einfach gelingen kann. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man seine Kompetenzen an dieser Stelle bündelt. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft wird es darum gehen, ob man die Kompetenzen bündeln kann. Wenn Sie sich heute anschauen, welche Topunternehmen es in der digitalen Welt gibt, dann werden Sie darunter kaum noch ein europäisches Unternehmen finden. Der Wettbewerb findet heute zwischen Amerika und den asiatischen Ländern statt.

Wer zukünftig Wertschöpfung generieren will, der wird sich an der Spitze der technischen Entwicklung bewegen müssen. Dies ist nicht nur eine rein finanzielle Frage, sondern es ist auch eine Frage der Sicherheit. Ich trete da dem Bundesinnenminister nicht zu nahe, weil auch wir in diesem Bereich an einem gemeinsamen Strang ziehen. Gesetze sind das eine, das Know-how über die Technik ist das andere. Wenn wir in Europa die Kompetenz verlieren, die digitale Technik zu verstehen, und sie nur noch konsumieren, dann ist auch die Sicherheitsfrage nicht lösbar. Deswegen müssen wir uns Kompetenz an dieser Stelle zurückerarbeiten.

Ich sage Ihnen: Eine Aufgabe der Netzallianz wird sein, das Interesse derjenigen, die heute in dieser Branche, in der digitalen Welt wirtschaftlich unterwegs sind, zu wecken und zu fördern, in der digitalen Champions League mitzuspielen. Dabei geht es für uns in der Tat um eine digitale Souveränität Europas. Ein Kontinent, der davon lebt, dass er Spitzentechnologien entwickelt, und in der Welt mit dabei ist, wenn es darum geht, Spitzentechnologien zu nutzen, kann schlichtweg nicht akzeptieren, dass er in einem bedeutenden Feld der Zukunft, nämlich der digitalen Modernisierung, nicht ganz vorne mitspielt. Deswegen müssen wir unsere digitale Souveränität in Europa verteidigen, auch gegenüber anderen Ländern der Erde.

Modernisierung ist übrigens auch das Schlüsselwort, wenn es um die klassische Infrastruktur geht: um die Straßen, um die Schienen, um die Wasserwege und um den Luftverkehr. Das wollen wir nicht isoliert betrachten, sondern es geht um ein vernetztes Mobilitätsangebot. Wir werden unsere Infrastruktur nicht nur sichern müssen - wir haben ja gut ausgebaute Netze im Bereich der Straßen, der Bahnen und der Wasserwege -, sondern wir wollen sie auch weiterhin ausbauen.

Wir haben gerade in diesen Tagen über 20 Jahre Bahnreform diskutiert und sie gefeiert. Die Bilanz ist im Grundsatz sehr positiv. Trotz aller Konkurrenz durch das Auto, den Flugverkehr und inzwischen auch durch Fernbuslinien nimmt die Attraktivität der Bahn weiter zu. Die Fahrgastzahlen steigen weiter an. Wir wollen das System der Schiene stärken und es weiter ausbauen, um einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr zu haben. Das ist notwendig, weil wir ein Höchstmaß an Mobilität für alle garantieren müssen. Mobilität ist ein Grundrecht, und zu Recht fordern die Menschen in diesem Land eine funktionierende Mobilitätsinfrastruktur ein.

Ich habe in den letzten Tagen bei den Gesprächen mit Vertretern der Bahn deutlich darauf hingewiesen, dass die Bahn inzwischen mehr als ein Reisemittel, mehr als ein Transportmittel geworden ist. Sie ist für viele ein mobiler Arbeitsplatz geworden. Deswegen hat die Bahn die Verantwortung, die digitale Modernisierung voranzutreiben. WLAN an den Bahnhöfen, leistungsfähige Internetanschlüsse in den Zügen - das entspricht einer modernen Kundenorientierung. Wir können von der Bahn verlangen, dass sie hier besser wird und dafür sorgt, dass diese modernen Technologien in die Bahn Eingang finden.

Wir müssen die leistungsfähige Schieneninfrastruktur erhalten und ausbauen. Dafür sind weiterhin Investitionen notwendig. Wir werden in den nächsten Monaten mit der Deutschen Bahn AG in die Verhandlungen über eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eintreten und wollen darin die finanziellen Rahmenbedingungen für den Erhalt dieser Infrastruktur festlegen. Ich will in diesem Zusammenhang auch festhalten: Wir stehen genauso zu einem gesunden und funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene wie zum integrierten Konzern Deutsche Bahn AG.

Wir haben uns innerhalb der Koalition auf zusätzliche Infrastrukturinvestitionsmaßnahmen in Höhe von fünf Milliarden Euro geeinigt. Das ist ein wesentlicher Beitrag, um die Substanzsicherung unserer Verkehrswege voranzutreiben. Davon müssen alle Bereiche profitieren, sowohl die Straße als auch die Schiene und die Wasserwege.

Wir werden einen erheblichen Teil dieser Mittel für Erhaltungsmaßnahmen einsetzen. Das wiederum heißt, dass die Spielräume für den Neubau natürlich nicht grenzenlos sein werden. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für weitere finanzielle Spielräume zu sorgen. Dies geht nur, wenn wir die Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung vorantreiben. Das betrifft auf der einen Seite die Lkw-Maut, die wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Schritt für Schritt ausweiten werden. Das betrifft auf der anderen Seite die Pkw-Maut, über die wir von den Haltern nicht in Deutschland zugelassener Pkw einen angemessenen Beitrag erheben werden mit der Maßgabe, dass kein Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs stärker belastet wird als heute. Einen genau dies beinhaltenden Gesetzentwurf werde ich vorlegen. Er wird europarechtskonform sein. Etwas anderes gibt es mit mir auch nicht.

Betrachten Sie es doch einfach einmal ganz unideologisch, Frau Haßelmann. Wenn in fast allen unseren Nachbarländern die deutschen Autofahrer über eine Nutzerabgabe ganz selbstverständlich an der Finanzierung der funktionierenden Infrastruktur beteiligt werden, dann ist es doch nur eine Frage der Gerechtigkeit, dass Fahrer aus dem Ausland, die unsere Infrastruktur in Deutschland nutzen, auch am Erhalt mit beteiligt werden. Um mehr geht es doch gar nicht.

Wir haben das Zukunftsprojekt Elektromobilität auf die Agenda gesetzt. Dafür wurden in der Vergangenheit die Weichen schon gut gestellt. Die deutschen Autohersteller haben angekündigt, dass in diesem Jahr 16 verschiedene Modelle auf dem Elektroautomarkt verfügbar sein werden. Es gab allein im letzten Jahr einen Zuwachs von 32 Elektrofahrzeugmodellen auf dem deutschen Markt. Inzwischen sind über 104.000 Elektrofahrzeuge in Betrieb. Das zeigt: Die Elektromobilität beginnt zu wachsen. Das ist ein ermutigender Schritt.

Das heißt aber auch: Wir müssen neue Anreize setzen, damit noch mehr dieser Autos schneller auf den Markt kommen. Deswegen bringen wir ein Elektromobilitätsgesetz auf den Weg, in dem wir vor allem Privilegien für Halter und Fahrer von Elektrofahrzeugen schaffen wie zum Beispiel Sonderparkplätze oder die Möglichkeit zur Nutzung von Sonderfahrspuren.

Alles, was hilft, zu überzeugen, dass Elektromotoren ein Automobilantrieb der Zukunft in unserer mobilen Gesellschaft sind, ist es, glaube ich, wert, dass man es organisiert und mit auf den Weg bringt. An dieser Stelle wollen wir den Mehrwert der Elektromobilität über den reinen Umwelt- und Energiegedanken hinaus herausstellen.

Die öffentliche Hand muss mit gutem Beispiel vorangehen und in die Elektromobilität investieren und dafür sorgen, dass die Fuhrparks Stück für Stück umgestaltet werden. Nur so kann auch ein funktionierender Gebrauchtwagenmarkt entstehen. Er ist ein Schlüssel dafür, dass diese Autos in breiter Masse zur Verfügung stehen werden.

Ich glaube an die Elektromobilität. Gerade die Elektromobilität kann ein Element sein, um den Modernisierungsprozess unseres Landes mit voranzutreiben. Elektromobilität auf der einen Seite und Digitalisierung auf der anderen Seite, das ist ein Beispiel dafür, dass in den Akzenten, die wir in diesem Jahr setzen, die Themen Mobilität und Modernität eng miteinander verknüpft sind. Wir sind fest entschlossen, Mobilität und Modernität weiterzuentwickeln - im Sinne von Wachstum und Wohlstand in unserem Land.

*

Quelle:
Bulletin 10-1 vom 31. Januar 2014
Rede des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur,
Alexander Dobrindt, zur Verkehrs- und digitalen Infrastrukturpolitik der
Bundesregierung in der Aussprache zur Regierungserklärung der
Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 31. Januar 2014 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2014