Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

ROHSTOFFE/039: Regulierung und Kontrolle - Lösungen für den Ressourcenfluch? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Regulierung und Kontrolle
Lösungen für den Ressourcenfluch?

Von Heidi Feldt


Ob der Rohstoffreichtum eines Landes sich positiv oder negativ auf seine Entwicklung auswirkt, ist nicht zuletzt eine Frage, wie die jeweiligen Regierungen die Nutzung von Rohstoffen regulieren und kontrollieren. Entscheidend ist dabei, wie sie die Einnahmen aus dem Abbau verwalten und verteilen und welche Politik sie umsetzen, damit die sozialen und ökologischen Schäden gemindert werden.


Zu diesem Schluss kommt unter anderem die unabhängige Extractive Industries Review, die 2003 die Weltbankvorhaben in diesem Industriesektor untersucht hat. "Der große Unterschied zwischen ressourcenreichen Staaten, die es gut machen und denen, die es schlecht machen, liegt in der Qualität der Regierungsinstitutionen und in der Regierungspolitik", heißt es in dem Abschlußbericht. Allerdings gibt es nur wenige (Entwicklungs-)Länder, in denen Rohstoffreichtum sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ausgewirkt hat.(1) In den meisten Fällen dominieren Bestechung und Korruption, mangelnde Transparenz der Konzessionsvergabe und fehlende Überwachung der Bergbau und Erdölförderaktivitäten diesen Sektor.

Eklatante Beispiele dafür sind Nigeria, die Demokratische Republik Kongo oder Angola, wo trotz Ressourcenreichtum die Armut der Bevölkerung unverändert bleibt bzw. in den letzten Jahren sogar noch zugenommen hat. Bestechung, Korruption und Steuerbegünstigungen für Konzerne führen hier zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen. Sie verweigern der Bevölkerung das Recht auf Entwicklung, indem sie dem Staatshaushalt substantielle Einnahmen vorenthalten. Auf die negativen Folgen der Rohstoffförderung und die Auswirkungen auf Menschenrechte wird bereits an anderer Stelle des Rundbriefs eingegangen (vgl. E. Strohscheidt). In diesem Beitrag sollen daher Ansätze aufgezeigt werden, die versuchen den "Ressourcenfluch" zu brechen.

Die bestehenden Initiativen setzen meist auf der sogenannten Governanceebene an. So versucht die Extractive Industry Transparency Initiative die Transparenz der Finanzströme im Erdöl-/Ergas- und Bergbausektor zu erhöhen und unterschiedliche Zertifizierungsinitiativen z.B. für Coltan oder Gold wollen zu einer Verbesserung der Abbaubedingungen beitragen.


Extractive Industry Transparency Initiative

Das Anliegen der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI) ist die Transparenz der Zahlungen, die von Erdöl-/Erdgas- und Bergbauunternehmen an die Regierungen der jeweiligen rohstoffreichen Länder geleistet werden. EITI ist ein Multistakeholderprozess, an dem auf der internationalen Ebene produzierende Länder (Umsetzungsländer) und verarbeitende Industrieländer (unterstützende Länder), Rohstoffunternehmen, Investoren und Nichtregierungsorganisationen aktiv teilnehmen. Die Hauptverantwortung für die Umsetzung und somit für den Erfolg oder Misserfolg der Initiative liegt bei den rohstoffreichen Umsetzungsländern(2), die sich verpflichten, die Grundlagen zu legen, damit die Zahlungsflüsse in der Rohstoffindustrie transparent und öffentlich gemacht werden können.

Die Tatsache, dass mittlerweile 32 Produktionsländer EITI beigetreten sind, heißt leider noch nicht, dass auch in ebenso vielen Ländern Fortschritte in Richtung Transparenz zu verzeichnen sind. Zwar haben mehrere Länder mittlerweile Berichte veröffentlicht, aber nur fünf haben bisher die Kriterien und Prinzipien(3) von EITI umgesetzt.(4) Dies verdeutlicht, wie kompliziert und langwierig die Prozesse vor Ort sind bzw. wie wenig politischer Wille von einzelnen Regierungen hinter der Initiative steht. In einigen Fällen, so zum Beispiel in der Republik Kongo, Gabun und Äquatorial Guinea, stehen die Nichtregierungsorganisationen unter großem Druck und sind massiven Bedrohungen ausgesetzt, obwohl sie anerkannte Mitglieder der nationalen EITI-Komitees sind. So wurde im Dezember 2008 einer der führenden NRO-Vertreter im EITI-Komitee Gabun unter fadenscheinigen Gründen verhaftet. Aufgrund des internationalen Drucks konnte er zwar nach fünf Tagen das Gefängnis wieder verlassen. Unter diesen Bedingungen ist es allerdings für Nichtregierungsorganisationen schwer, ihre Aufgabe in EITI als "watchdog" wahrzunehmen.

Mitinitiiert wurde EITI von der weltweiten NRO-Kampagne Publish what you pay (PWYP), die sich seit der Gründung 2000 für eine umfassende Transparenz im Rohstoffsektor einsetzt. Sie fordert eine Erweiterung des EITI Mandats über die Zahlungsflüsse hinaus, da auch der ganze Prozess der Ausschreibung und der Vergabe von Bergbauund Erdölförderkonzessionen, die Verträge zwischen Staat und Unternehmen und die Überwachung dieser Verträge äußert intransparent ist. In Europa arbeitet PWYP zusammen mit dem Tax Justice Network aktiv für die Transparenz der Zahlungen von Unternehmen an Regierungen auf Länderbasis (dem sog. country by country reporting)


Zertifizierung von Rohstoffen

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Zertifizierungsinitiativen in diesem Sektor. Die bekannteste ist das Kimberley Process Certification Scheme (KPCS), das versucht die Finanzierung von Bürgerkriegen durch den Diamantenhandel zu unterbinden. Es sollen nur jene Diamanten gehandelt werden, die durch ein Zertifikat belegen können, dass sie nicht aus Kriegsquellen kommen.

Das Zertifizierungssystem ist seit Januar 2003 in Kraft. Allerdings hat es die Erwartungen nicht voll erfüllt. Obwohl der Handel mit illegalen Diamanten von weltweit 4 % (2003) nach Einführung des KPSC auf 1% gesunken ist, ist das Zertifizierungssystem nur in Ländern mit guter Regierungsführung (Südafrika, Botswana, Namibia) umgesetzt worden, während es in undemokratischen und fragilen Staaten (Demokratische Republik Kongo (DRC), Angola) gescheitert ist. Dies liegt u.a. an den schwachen Überwachungsmechanismen. So gibt sowohl in der DRC als auch in Angola genügend Anzeichen, dass weiterhin illegaler Abbau von Rohstoffen betrieben wird, ohne dass die Kontrollmechanismen des KPCS dies erfassen. Zum anderen sagt es nichts über Abbaubedingungen in den Ländern aus. Diamanten aus Zimbabwe können demnach legal gehandelt werden, auch wenn die Regierung in höchstem Maße repressiv ist.

Es haben sich daher im Umfeld des KPSC eine Reihe von freiwilligen Zertifizierungsinitiativen gebildet, die den Schritt von "Konfliktfreien Diamanten" zu "Entwicklungsdiamanten" gehen wollen. Allerdings arbeiten diese Initiativen unkoordiniert neben einander her. "Entwicklungsdiamanten" sind daher noch nicht auf dem Markt erhältlich.


Zertifizierung von Handelsketten

Ein anderes Zertifizierungsmodell hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR 2007) entwickelt. Das Konzept der BGR sieht vor, den Weg eines Rohstoffs auf der Grundlage internationaler Umweltund Sozialstandards vom lokalen Produzenten bis zu den industriellen Abnehmern zu zertifizieren. Allerdings werden ganz unterschiedliche Ziele für dieses Zertifikat formuliert. So soll es der Versorgung der deutschen Industrie mit strategischen Rohstoffen dienen und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen vor Ort für die Menschen im Kleinbergbau verbessern. Ob und wie diese beiden Zielvorstellungen ineinander greifen können ist bisher unklar. Die Pilotprojekte dienen mit Sicherheit dazu, mehr Erfahrungen mit Zertifizierungsmodellen in diesem Sektor zu sammeln und Beispiele guter Praxis umzusetzen. Bisher ist über die Wirkungen von Zertifizierungsinitiativen im Kleinbergbau wenig bekannt. Vor allem über die Auswirkungen auf den informellen Sektor, den Klein- und Kleinstbergbau liegen kaum Untersuchungen vor, die die Frage beantworten, ob die Zertifizierungen aufgrund ihrer hohen Ansprüche den informellen Sektor eher aus dem Markt drängen oder zur Verbesserung des Marktzugangs führen.

Zertifizierung wird jedoch nicht die Blaupause sein, um Schäden durch den Rohstoffabbau auf die betroffene Bevölkerung abzuwenden. Dazu sind die Verfahren zur Herkunftsbestimmung und zur Überprüfung der Handelsketten zu aufwendig.

Die o.g. Initiativen zeigen, dass man versucht, zentrale Probleme des "Ressourcenfluchs" aufzugreifen und die Governance im Rohstoffsektor zu verbessern. Diese Initiativen weiter zu verfolgen und zu unterstützten, ist bestimmt richtig. Trotzdem zeigt sich, dass die Verfahren sehr aufwendig sind, sie sich nicht unbegrenzt vervielfältigen lassen und dass sie vor allem eine Reihe von Schlupflöchern ermöglichen. Die Frage ist daher: Gibt es umfassende Lösungsmöglichkeiten.

Diese Überlegungen befinden sich erst im Ansatz. R. Bleischwitz(5) schlägt u.a. eine internationale Konvention vor, die zu einem nachhaltigen und friedlichen Ressourcenmanagement beitragen soll. NRO sollten diese Idee aufgreifen und weiter konkretisieren.


Die Autorin arbeitet für das Global Policy Forum, und als entwicklungspolitische Beraterin u.a. zu Fragen der Rohstoffgovernance


Anmerkungen:

(1) Botswana ist z.B. eines der wenigen Länder, die in diesem Zusammenhang genannt werden.

(2) Dies sind zur Zeit 32 Länder
(http://eiti.org/implementingcountries, 10.12.2010)

(3) Dazu gehören, die regelmäßige und verständliche Veröffentlichung der Zahlungen der Unternehmen an die Regierung, die Überprüfung dieser Zahlen durch einen unabhängigen Auditor, die Einbeziehung der staatlichen Unternehmen des Sektors in die Transparenzpflicht, die Einrichtung eines Multistakeholder-Forums, sowie die Erstellung eines realistischen und finanzierbaren Arbeitsplans.

(4) Aserbeidschan, die Mongolei, Osttimor, Liberia und Ghana

(5) Bleischwitz, R., Pfeil, F. (2009) Globale Rohstoffpolitik, Reihe EINE WELT, Nomos Verlag, Baden-Baden


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 9-10
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2011