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ROHSTOFFE/040: Ressourcenkrise - Rohstoffstrategie wird Herausforderungen nicht gerecht (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Nachhaltige Ressourcenpolitik
Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung wird den Herausforderungen der Ressourcenkrise nicht gerecht

Von Eike Meyer


Die Bundesregierung hat im November eine Rohstoffstrategie verabschiedet. Den tatsächlichen Herausforderungen der globalen Ressourcenkrise wird sie damit aber nicht gerecht. Eine nachhaltige Ressourcenpolitik muss Anreize für einen ökologischen Umbau der Wirtschaft in den Industrieländern setzen und den Reichtum aus Rohstoffen gerechter verteilen.


Wirtschaftliches Wachstum basiert heute nach wie vor auf einem wachsenden Ressourcenverbrauch. Dass unser ressourcenintensives Wirtschaftsmodell auf diese Weise nicht fortgeführt werden kann, wird inzwischen weitgehend anerkannt. Viele der nicht-erneuerbaren Ressourcen werden zwar noch lange in ausreichender Menge vorhanden sein. Bei manchen sind Anzeichen von Knappheit aber bereits heute unübersehbar (z.B. beim Erdöl oder den neuerdings berühmten seltenen Erden). Bei den erneuerbaren Ressourcen erfolgt der Verbrauch in vielen Ländern schneller, als die Ökosysteme diese reproduzieren können, weltweit derzeit eineinhalb Mal so schnell. Solch ein overshoot führt mit der Zeit unweigerlich zu einer Degradation der Ökosysteme. Ganz davon abgesehen ist der der Abbau von Rohstoffen häufig mit der Zerstörung natürlicher Lebensräume, mit Belastungen des Grundwassers, Schadstoffemissionen und anderen negativen Umweltauswirkungen verbunden. Als Folge der zunehmenden Knappheit dringt die Förderung zudem in immer riskantere und ökologisch sensiblere Bereiche vor (siehe die Ölförderung im Golf von Mexiko und im artenreichen Urwald Ecuadors).

Aber nicht nur ökologisch ist der ungebremste Rohstoffhunger problematisch: Die zunehmende Knappheit von Rohstoffen führt zudem zu hohen und stark schwankenden Preisen und stellt gerade eine importabhängige Wirtschaft, wie die deutsche, vor ernste ökonomische Herausforderung. Und nicht zuletzt sind die existierenden Strukturen der Rohstoffförderung auch unter sozialen Gesichtspunkten alles andere als nachhaltig: 20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen heute 80 Prozent der weltweit genutzten Ressourcen. Häufig sind es Entwicklungsländer - oft auch sehr arme - die sich durch Reichtum an Rohstoffen auszeichnen. Diese werden zum Großteil von den Industrien der entwickelten Länder für ihre Produktion benötigt, wobei die Wertschöpfung zum größten Teil außerhalb des Förderlandes stattfindet und so der größte Teil des Gewinns aus der Rohstoffnutzung nicht im Herkunftsland bleibt. Zurück bleiben häufig Umweltzerstörung und Armut, da die externen Kosten der Rohstoffförderung nicht in die Wertschöpfungskette einfließen und damit auch nicht in den Rohstoffund Produktpreisen enthalten sind. Ziel einer nachhaltigen Ressourcenpolitik muss es sein, eine Antwort auf diese ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu finden. Sie muss den Rahmen für eine globale Rohstoffwirtschaft schaffen, in der die negativen ökologischen Auswirkungen der Rohstoffförderung minimiert, die Gewinne gleichmäßiger verteilt und die Preise weitgehend stabil gehalten werden. Mittelfristig muss sie vor allem das Ziel verfolgen, den Ressourcenverbrauch insgesamt zu senken.


Ressourcenhunger stillen

Von diesen Zielen leistet die neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung höchstens zur Stabilisierung der Preise einen Beitrag. Um die "bedarfsgerechte Versorgung der Industrie mit mineralischen Rohstoffen" sicherzustellen, konzentrieren sich die angekündigten Maßnahmen insbesondere auf die Beseitigung von Handelshemmnissen und Unterstützung bei der Diversifizierung von Rohstoffquellen - inkl. einer verstärkten Förderung der heimischen Exploration. Als drittes Element soll auch die Erhöhung der Ressourceneffizienz und verbessertes Recycling zur verlässlicheren Versorgung der Industrie mit Ressourcen beitragen. Dieser letzte Teil hätte sicher das Potential, Teil einer nachhaltigen Ressourcenpolitik zu sein. Allerdings hat die Bundesregierung in den entsprechenden Abschnitten neben dem Verweis auf (bereits existierende) Programme zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Effizienztechnologien und die anstehende Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht viel neues und zusätzliches zu bieten. Und während des BDI-Rohstoffkongresses im November, auf dem die Rohstoffstrategie präsentiert wurde, musste man schon sehr konzentriert zuhören, um keine der wenigen Stellen zu verpassen, an denen die Stichwörter "Effizienz" und "Recycling" fielen. Beides lässt ahnen, wie viel Bedeutung diesen Themen im federführenden Bundeswirtschaftsministeriums und erst recht natürlich beim BDI geschenkt wird. Abzuwarten bleibt, welche Vorschläge das Bundesumweltministerium unterbreiten wird, wenn es im Frühjahr erste Vorschläge für ein nationales Ressourceneffizienzprogramm vorstellt, die es gerade ausarbeitet. Momentan allerdings scheint die Bundesregierung ganz darauf zu setzen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der beständig wachsende Hunger nach Ressourcen auch weiterhin gestillt werden kann.


Anreize durch höhere Preise

Stattdessen muss eine nachhaltigen Ressourcenpolitik die richtigen Anreize für eine Steigerung der Ressourceneffizienz, verstärktes Recycling und eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs setzen. Der Einsatz marktwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Ihre Vorteile treten beim Ressourcenschutz noch deutlicher zu Tage als beim Klimaschutz: Während beim Klimaschutz das Verbrennen fossiler Ressourcen noch innerhalb des laufenden Jahrhunderts weitgehend eingestellt werden muss, geht es beim Ressourcenschutz nicht um die Einstellung des Verbrauchs sondern um eine Reduktion auf ein Niveau, das auch folgenden Generationen noch eine Chance lässt, kostbare Rohstoffe zu nutzen. Gleichzeitig handelt es sich bei Ressourcen um eine große Anzahl unterschiedlicher Stoffe, die viel größer ist als die geringe Anzahl der fossilen Energieträger. Es gilt daher, eine Vielzahl von Stoffen und Stoffströmen zu kontrollieren, die in unterschiedlichem Maße vorhanden sind und unterschiedliche Umweltwirkungen haben. Dementsprechend aufwändig und kompliziert wird es sein, diesen Bereich mit Effizienzvorschriften und Verboten umfassend zu regulieren. Marktwirtschaftliche Instrumente können hier mit geringerem Aufwand Anreize schaffen, den Ressourcenverbrauch zurückzufahren. Ressourcensteuern zum Beispiel haben das Potential, die Kosten, die durch negative Umweltwirkungen des Abbaus und Verbrauchs von Ressourcen entstehen zu internalisieren und dabei gleichzeitig Anreize für einen effizienteren Umgang mit ihnen zu setzen. Drastisch formuliert heißt das: Man muss den Abbau und Verbrauch von Ressourcen deutlich verteuern, um sie nachhaltig zu schützen! In Deutschland könnte das zum Beispiel heißen, die Förderabgaben, die auf Landesebene erhoben werden zu einem relevanten Hebel auszubauen. Momentan können auf die Entnahme "bergfreier Bodenschätze" Förderabgaben in Höhe von bis zu 10 Prozent des Marktwertes erhoben werden. Die Regierungen der Bundesländer sind allerdings dazu berechtigt, einzelne Abbaugebiete oder Rohstoffe von den Abgaben zu befreien, wenn sie unter die Regelungen alter Rechte fallen. Diese Regelung schafft derzeit Platz für viele Ausnahmen und gerade in Bundesländern mit hohen Rohstoffvorkommen werden solche häufig von den Abgaben befreit. De facto sind daher alle nennenswerten Rohstoffvorkommen - insbesondere von Energieträgern - in den entsprechenden Bundesländern von der Abgabe befreit.


Ressourcensteuern

Weitaus mehr Potential für eine nachhaltige Ressourcenpolitik als im relativ rohstoffarmen Deutschland jedoch haben Förderabgaben noch in armen aber rohstoffreichen Entwicklungsländern. Hier können sie einen entscheidenden Beitrag zu einer verstärkten Mobilisierung eigener staatlicher Einnahmen sein und auf diesem Wege dazu beitragen, dass diese Länder und ihre Bevölkerungen stärker von ihrem Rohstoffreichtum profitieren. Wenn Förderabgaben in einer bedeutenden Anzahl der Förderländern und in bedeutender Höhe erhoben werden, würde das auch dazu führen, dass sich Rohstoffe auf dem Weltmarkt verteuern. Steuern und Abgaben auf natürliche Ressourcen führen - sofern sie wie üblich als Mengen- und nicht als Wertsteuern eingeführt werden - zu einer deutlichen Stabilisierung der Preise. Da höhere Preise für die Wirtschaft weitaus weniger problematisch sind als stark schwankende, würde dies für die Industrie nicht gleich zu einem Problem werden sondern in erster Linie Anreize für eine Steigerung der Ressourceneffizienz setzen. Eine konsequentere Besteuerung des Rohstoffabbaus in armen rohstoffreichen Ländern ist somit ein sinnvoller Beitrag sowohl zur Armutsbekämpfung als auch zur dringend notwendigen Steigerung der Ressourceneffizienz. Statt einseitig für den Abbau von Handelsbeschränkungen zu kämpfen, sollte die Bundesregierung ihre Partnerländer daher zu mehr aufgeklärtem Eigennutz in Form höherer Ressourcensteuern ermutigen. Entsprechende Schwerpunkte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit könnten Element einer tatsächlich nachhaltigen Rohstoffpolitik sein, die zudem die globale Dimension im Blick hätte.


Der Autor ist ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) e.V. und dort zuständig für Rohstoffpolitik und Ressourceneffizienz.
Weitere Info zum FÖS: www.foes.de.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 10-11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2011