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ROHSTOFFE/073: Haiti - Senat fordert Moratorium für Bergbauaktivitäten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Februar 2013

Haiti: Senat fordert Moratorium für Bergbauaktivitäten

von Jane Regan



Port-au-Prince, 25. Februar (IPS) - In Haiti haben Senatoren ein Moratorium für sämtliche Bergbauaktivtäten im Zusammenhang mit jüngst vergebenen Gold- und Kupferlizenzen gefordert. Darüber hinaus verlangen sie die Bildung einer Kommission zur Überprüfung aller Verträge und eine nationale Debatte über den künftigen Umgang der Karibikinsel mit ihren Ressourcen.

Mit ihrer Resolution vom 20. Februar reagierten die Senatoren auf die Vergabe von drei neuen Gold- und Kupferbergbaugenehmigungen durch die Regierung im letzten Dezember. Darin beklagten sie "den Völkermord in Verbindung mit der Ausbeutung unserer Mineralien im 15. Jahrhundert", die "Ressourcenverschwendung" seit dem Erdbeben vom 12. Januar 2010, traumatische Erfahrungen mit ausländischen Bergbauunternehmen und "die Unfähigkeit unseres Landes, in Ruhe Verhandlungen über den Ressourcenreichtum im Kontext eines politischen Ungleichgewichts zu führen".

Die Nachricht über die neuen Genehmigungen hatte im Januar zu einem Aufschrei der Empörung geführt. Journalisten, Experten und Politiker diskutieren seither über den Nutzen der Konzessionen für Haiti. Ihnen zufolge sind die Verträge zwischen dem staatlichen Bergbaukonzern 'Bureau des Mines et d'Energie' (BME) und den beteiligten ausländischen Unternehmen illegal.


Vorwurf der Verfassungswidrigkeit

Den Senatoren zufolge verstoßen die drei neuen Genehmigungen, die auf der Grundlage von Abmachungen von 1997 beruhen, gegen die haitianische Verfassung. Die Vereinbarungen seien nicht vom Parlament gebilligt worden, wie dies die Verfassung mit Blick auf internationale Abkommen und Konventionen vorsehe, argumentierten sie.

Auf einer Sonderanhörung vom 22 Januar warfen die Senatoren dem BME-Direktor Ludner Ramarais vor, geltendes Recht zu unterwandern. "In den zurückliegenden 20 Jahren sind die Vereinbarungen nicht vom Parlament gebilligt worden", betonte Senator Steven Benoit. Und Senator Andris Riché fügte hinzu: "Wir dürfen keine Vereinbarungen akzeptieren, die dem Volk schaden."

"Es tut mir leid, dass der Senat nicht kontaktiert wurde", übte sich daraufhin Ramarais in Selbstkritik. Den Vorwurf, gegen die Verfassung verstoßen zu haben, wies er jedoch zurück. Die Verträge beträfen die Regierung und - zumindest auf dem Papier - haitianische Unternehmen. Dem ehemaligen BME-Chef Dieuseul Anglade zufolge sind die Vereinbarungen auch deshalb nicht ungesetzlich, weil sie per Dekret beschlossen und legalisiert worden seien.

Die drei neuen Genehmigungen für die Gold- und Kupferlager in Morne Bossa, Douvray und 'Faille B' in Haitis Nord- und Nordostdepartements erlauben die Ausbeutung der Reserven. 1997 hatte die Regierung unter René Préval zwei haitianischen Unternehmen - 'St. Genevieve' und 'Sociète Minière Citadelle' - Konzessionen für die Exploration ausgestellt.

Doch die Firmen wurden verkauft beziehungsweise haben ihre Namen geändert. Die Konzessionen gingen somit in den Besitz der kleinen haitianischen 'Société Minière Delta' und der 'Société Minière du Nord-Est' (SOMINE) über, deren Hauptanteilseigner jedoch ausländische Unternehmen sind.

Die Société Minière Delta befindet sich im Besitz von 'VCS Mining', einem US-Konzern, der in Delaware gemeldet ist. Der US-Bundesstaat ist berüchtigt für Gesetze, die Firmen erlauben, ihre Profite zu verstecken, Operationen geheim zu halten und wenig Steuern zu zahlen.

SOMINE wiederum ist eine Niederlassung des kanadischen Bergbaukonzerns 'Majescor', der nach eigenen Angaben vor allem in den "aufstrebenden" Weltregionen aktiv ist. Im letzten Monat hat Majescor Aktien im Wert von zwei Millionen US-Dollar für das SOMINE-Projekt zum Kauf angeboten. Majescor begründet die Kontrolle über SOMINE damit, dass das Unternehmen wiederum die Firma 'SIMACT Alliance Copper-Gold' kontrolliert, die ihrerseits die Mehrheit der SOMINE-Aktien hält.

Die drei Bergbaulizenzen sind im Vergleich zu den Dutzenden von Genehmigungen, die in den letzten Jahren für die Ausbeutung der Mineralien im Norden auf einer Fläche von insgesamt 2.500 Quadratkilometer ausgegeben wurden, am weitesten gediehen.

VCS Mining, das Unternehmen, das in Morne Bossa arbeitet, hat sich nach eigenen Angaben stets an die rechtlichen Auflagen des Karibikstaates gehalten. Im letzten Jahr hatte die Firma eine Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt, die das BME im November annahm, wie ein Behördenmitarbeiter im IPS-Gespräch betonte.


"Genehmigungen sind rechtens"

Der Sprecher, der sich Anonymität ausbat, erklärte: "Wir haben alles getan, was rechtlich erforderlich war. Die Genehmigungen sind rechtens." Der VCS-Vertreter betonte, dass sein Unternehmen in das Lager von Morne Bossa mehr als vier Millionen Dollar investiert habe. Seitdem UN-Geologien Ende der 1990er Jahre in Haiti erstmals auf Gold gestoßen sind, "wurden 38 Millionen Dollar ausgegeben".

Um sich ein realistisches Bild über die Lage zu machen, hatte IPS um ein Interview mit dem BME-Direktor Ramarais angesucht. Drei Mal erfolgte eine Zusage, dreimal wurde das Interview abgesagt. IPS wollte den Behördenchef unter anderem um eine Kopie der Umweltverträglichkeitsstudie bitten. Auch sollte Ramarais zu dem Vorwurf Stellung beziehen, dass den Unternehmen Lizenzgebühren von nur 2,5 Prozent des Förderwertes abverlangt würden.

"In einer Vielzahl von Verträgen ist das der Fall", bestätigte die Expertin Claire Kumar. "Doch alle Gebühren unter fünf Prozent sind ein Witz für ein Land wie Haiti. Sie dürften gar nicht erst in Erwägung gezogen werden."

Weitere Probleme sind der Mangel an Transparenz und Partizipation der betroffenen Gemeinschaften. Die Bevölkerung von Cadouche, einem kleinen Dorf rund zwölf Kilometer südlich von Cap-Haitian in Haitis Nord-Departement, hat die drei neuen Konzessionen, die im vergangenen Dezember still und heimlich an ausländische Unternehmen vergeben wurden, in Alarmbereitschaft versetzt.

Cadouche liegt ganz in der Nähe des Morne Bossa-Lagers. Die Region lebt überwiegend von der Landwirtschaft und die Menschen vor Ort fragen sich, ob sie und ihre Nöte eigentlich von der Regierung ernstgenommen werden.

Kürzlich hatten sich mehr als 100 Menschen aus Cadouche getroffen, um sich über die geplanten Bergbauaktivitäten zu beraten. "Bis heute ist nicht ein einziger Regierungs- oder Firmenvertreter bei uns aufgetaucht, um sich unsere Beschwerden und unsere Meinung zur Ausbeutung der Mine anzuhören", meinte Mezadieu Toussaint, ein Bauer und Lehrer. "Es wäre wunderbar, wenn die Mine den Menschen zugutekäme. Doch wir befürchten, dass sie unsere Umwelt zerstört."

Die Resolution der Senatoren kann die Bergbauarbeiten zwar nicht vereiteln. Wohl aber wird sie zweifellos die Bergbauarbeiten verzögern, wie Eddy Laguerre, ein Rechtsanwalt und Redakteur der haitianischen Wochenzeitung 'Le Matin' erläutert. "Wenn der Senat einer Resolution zustimmt, heißt es für die Exekutive, auf der Hut zu sein. Wird die Resolution nicht eingehalten, wird der Senat auf jeden Fall Mittel und Wege finden, um die Regierung abzustrafen. Er kann sogar einen Regierungswechsel fordern." (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/02/haitian-senate-calls-for-halt-to-mining-activities/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2013