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UNTERNEHMEN/2214: Chinesische Autohersteller expandieren nach Europa (Gerhard Feldbauer)


Chinesische Autohersteller expandieren nach Europa

Sie haben "Saab gerettet"

von Gerhard Feldbauer, 30. Oktober 2011


Ob es eines Tages für neue Euro-Rettungsschirme eine Beteiligung made in China, über die derzeit bereits spekuliert wird, geben könnte, ist ungewiss. Ausgeschlossen werden sollte es nach derzeitigen Erkenntnissen nicht. Zu sehen ist immerhin, dass die Auslandsinvestitionen der zur Wirtschaftsgroßmacht aufsteigenden Volksrepublik bereits rund 450 Mrd. Dollar betragen, womit Peking weltweit an fünfter Stelle liegt, aber bald weiter vorrücken könnte. Zum Vergleich, in den USA hat ausländisches Kapital insgesamt 1300 Mrd. Dollar angelegt. Sicher nicht zufällig hat das "Wirtschaftsblatt" einen Tag nach der Saab-Übernahme hervorgehoben, dass Chinas "Währungsreserven unaufhaltsam wachsen" und schon im Krisenjahr 2009 um 23 Prozent auf 2,4 Billionen Dollar gestiegen waren. Kein Land der Welt verfüge "über ein größeres Polster".


Ein Schnäppchen

Jetzt ist die Automobile AB (Saab), Hersteller der schwedischen Luxusmarke, nach dem bisherigen Procedere in chinesischen Besitz übergegangen.(1) Der Kauf erfolgte wenige Stunden vor dem Inkrafttreten der Insolvenz, die dem Autoproduzenten aus Trollhättan angekündigt war. Die neuen Besitzer sind der Pekinger Autohersteller Jinhua Youngman und das Großhandelsunternehmen Pang Da mit Chinas größter Autohändlerkette. Youngman ist der führende chinesische Bushersteller und Joint Venture-Partner der VW-Tochter MAN mit Neoplan. Eine Pkw-Herstellung existiert noch nicht, ist aber geplant. Die beiden Pekinger Unternehmer, die seit Wochen als Retter des Schweden im Gespräch waren, reizten ihre Karten sprichwörtlich bis zur letzten Stunde aus, ehe sie zusagten. Vorher sollen sie Zahlungen in Höhe von rund 70 Millionen Euro und langfristige Investitionen über 245 Millionen Euro versprochen haben. Geringfügige Zahlungen seien nur tropfenweise eingegangen. Sie hätten noch nicht einmal für die Lohn- und Gehaltszahlungen gereicht. Mit einem Kaufpreis von 100 Millionen Euro dürften die Chinesen jetzt ein Schnäppchen gemacht haben, auch, wenn für die Sanierung von Saab zwischen 500 bis 1000 Millionen Euro veranschlagt werden. Denn das Werk in Trollhättan zählt zu den modernsten in Europa und kann auch künftig durchaus mit einem guten Absatz vor allem in Westeuropa rechnen. Dem Schweden, dem das Wasser bis zum Halse stand, blieb wohl nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Wie die Wirtschaftszeitung "Dagens Industri" berichtet, habe Youngman anschließend 100 Millionen Kronen (11 Mio. Euro) überwiesen.

Zwei Jahre hatten nicht nur der Saab-Konzern um seine Existenz, sondern auch die Beschäftigten in Trollhättan um ihre Arbeitsplätze, um ausbleibende Lohnzahlungen, Zulieferer um die Bezahlung ihrer Rechnungen, Händler um fehlende Fahrzeuglieferungen gekämpft. Seit April 2011 lag die Produktion im Stammwerk Trollhättan wegen Geldmangels und hoher Schulden still. Das Unternehmen arbeitete schon seit Jahren mit Verlusten. Liefen dort jährlich zunächst noch etwa 100.000 Autos vom Band, ging der Ausstoß 2010 auf nur noch 30.000 zurück. Auf der IAA im vergangenen September war von Insidern zu hören, der Mutterkonzern General Motors habe den Schweden nur noch loswerden wollen. Anfang 2010 hatte der US-Amerikaner Saab an den Besitzer des kleinen niederländischen Sportwagenhersteller Spyker Cars, Victor Muller, verkauft. Spykers nannte sich später in Swedish Automobile NV (Swan) um. Schon zu dieser Zeit soll der chinesischen Konzern BAIC wichtige Lizenzen von Saab erworben haben.


Peking kaufte auch britisch Mc Rover

Ob der Besitzer von Saab, Victor Muller, eine Beteiligung an seinem bisherigem Unternehmen erhalten oder sich anderweitig Konditionen gesichert hat, ist nicht bekannt. Nach dem Verkauf äußerte Muller jedenfalls, "das ist fantastisch, jetzt ist die Zukunft wirklich gesichert."(2) Verlautbarungen der neuen Besitzer ist zu entnehmen, dass sie Alleineigner sind. Mit der Übernahme von Saab durch die Pekinger Geschäftsleute stößt ein weiterer zu 100 Prozent chinesischer Autokonzern zu den zahlreichen bereits bestehenden Unternehmen der einheimischen Branche, die längerfristig in Konkurrenz zu den auf dem inländischen Markt tätigen ausländischen Autofirmen treten werden. Nach Volvocar besitzt China auch einen weiteren Fahrzeugkonzern in Europa. Schwedens traditionsreiche PKW-Industrie ist "nun völlig in chinesischer Hand. Schon im Vorjahr wurde die vormalige Ford-Tochter Volvo von Geely übernommen. Sie schreibt seither wieder schwarze Zahlen und baut die Produktion aus", schrieb die "Berliner Zeitung".(3) Der chinesische Konzern Geely Corperation besitzt auch die Lizenzrechte an dem berühmten Unternehmen London-Taxi. Kaum bekannt ist, dass der Konzern Nanjing Automobile schon 2005 den damals ebenfalls insolventen britischen Autohersteller Mc Rover aufgekauft hat. Es ist schwer zu recherchieren, wie viel chinesische Übernahmen oder Beteiligungen es noch gibt, da die betreffenden Unternehmen das oft nicht ausweisen.

Auf dem chinesischen Markt selbst ist es so, dass alle bisherigen ausländischen Autohersteller, die Produktionsanlagen unterhalten (das sind zirka 80), in der Volksrepublik auf der Basis von Joint Ventures tätig sind. Das dient der Sättigung des bisher völlig unbefriedigten Marktes, wo derzeit auf 1000 Einwohner nur 34 Autos kommen. Die Regierung in Peking übt jedoch über alle ausländischen Beteiligungen eine strikte Kontrolle aus und lässt keine Mehrheitsbeteiligungen zu. Von den ausländischen Partnern wird auch gefordert, in ihre Produktion chinesische Marken aufzunehmen.

Mit Saab wechselt ein weiterer renommierter Autokonzern den Besitzer. Das ursprüngliche Akronym Saab stand für Svenska Aeroplan Aktie Bolaget, eine 1937 gegründete Firma, die Pkw, Lkw und Flugzeuge herstellte. 2000 übernahm General Motors die Pkw-Tochter Automobile AB (SAAB). Vorher gehörten 50 Prozent des Fahrzeug-Herstellers der einflussreichen schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg, Der Flugzeugbereich existiert weiter unabhängig als SAAB AB, ebenso der Lkw-Sektor Saab-Scania AB, der zur VW-Tochter Scania gehört.



Fußnoten:

(1) Der Verkaufs-Kaufakt bedarf der Behördlichen Zustimmung der Europäischen Investbank (EIB), des Mutterkonzerns General Motors als auch der Regierung in Peking, was aber als eine reine Formalität gesehen wird, denn eine Rückgängigmachung der Übernahme dürfte schwierig sein, nach dem die chinesischen Käufer die ersten Zahlungen geleistet haben.

(2) Interessant ist in diesem Kontext, dass sich ein Beitrag "Ist das Bestechung?" in "Havard Business Manager" (November 2011), mit in China üblichen "Gefälligkeiten" gegenüber Geschäftspartnern befasst.

(3) Die Chinesische Automobilholding Zhjiang Geely, kaufte 2010 Volvocar, seit 1999 ein Unternehmen von Ford, für 1,8 Mrd. Dollar.


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Quelle:
© 2011 by Dr. Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2011