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UNTERNEHMEN/2691: Allianz und Munich Re - Versicherer der polnischen Kohle-Expansion (urgewald)


urgewald - Pressemitteilung vom 8. Februar 2018

Allianz und Munich Re:
Versicherer der polnischen Kohle-Expansion


  • Vor UN-Klimagipfel in Polen: Studie zeigt Verantwortung europäischer Versicherer für klima- und gesundheitsschädliche Kohle-Projekte
  • Investitionen über 1,3 Milliarden Euro, 21 Mal Kohlefirmen versichert
  • Allianz und Munich Re-Tochter unter wichtigsten Versicherern

Warschau/Berlin, 8.2.2018 Trotz schwerer Klimalasten und Gesundheitsrisiken unterstützen europäische Versicherungskonzerne den aggressiven Ausbau von Kohlekraftwerken und -minen in Polen. Dies ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie der internationalen NGO-Kampagne "Unfriend Coal", zu der auch die deutsche Umweltorganisation urgewald gehört.

Während immer mehr Länder Kohleausstiegspläne verkünden, um ihrer Verantwortung für das Klimaziel von Paris gerecht zu werden, planen polnische Unternehmen die Errichtung neuer Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von mehr als 10 Gigawatt, 3,2 Gigawatt davon bereits im Bau. Gleichzeitig wollen sie gewaltige neue Kohleminen erschließen, darunter besonders klimaschädliche Braunkohleminen. Damit steht Polen für die größte Kohle-Expansion in der Europäischen Union mit jahrzehntelangen Auswirkungen auf das Klima und die öffentliche Gesundheit. Die polnische Regierung fördert diese Entwicklung. Gleichzeitig ist sie Gastgeber des nächsten UN-Klimagipfels im Dezember in Kattowitz.

Das Ergebnis der neuen Recherche zeigt, dass europäische Versicherer über ihre polnischen Tochtergesellschaften mehr als 1,3 Milliarden Euro in den Kohlesektor in Polen investiert haben. Außerdem haben sie seit dem Jahr 2013 mindestens 21 Verträge für die Versicherung bestehender und neuer Kohleprojekte unterzeichnet.

Neben weiteren Konzernen wie Generali aus Italien sind die Allianz und ein Tochterunternehmen des Rückversicherers Munich Re, Ergo Hestia, aus Deutschland besonders stark am Geschäft mit der polnischen Kohle beteiligt. Seit 2013 hat die Allianz mindestens 9, Ergo Hestia mindestens 12 Versicherungsverträge für polnische Kohlefirmen abgeschlossen. Solche Unterstützung ist für Kohlefirmen, die in vielen Fällen mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen, überlebenswichtig.

Die Allianz steht unter anderem an der Spitze eines Konsortiums von Versicherern für den derzeit größten Kohlekraftwerks-Neubau innerhalb der EU im polnischen Opole. Dieser wird vom Staatskonzern PGE geplant. Er soll eine Leistung von 1.800 Megawatt haben und den Betrieb im nächsten Jahr aufnehmen. Schon jetzt liegen die klimaschädlichen CO2-Emissionen des Kraftwerks bei rund 5,8 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Konsortium gehört auch die Munich-Re-Tochter Ergo Hestia. PGE hatte das milliardenschwere Projekt wegen finanzieller Risiken 2013 auf Eis gelegt, das Bauprojekt jedoch auf politischen Druck hin wieder aufgenommen - mit Deckung der ausländischen Versicherer, deren Verträge laut einem Medienbericht 34 Millionen Euro wert sind.

Außerdem haben Allianz und Ergo Hestia zusammen mit zwei weiteren Versicherern 2016 die Absicherung der Kraftwerke und Minen des Konzerns ZE PAK bis 2019 verlängert. Sie bieten somit einem Konzern finanzielle Planungssicherheit, der drei neue Tagebaue mit insgesamt mehr als 1 Milliarde Tonnen Braunkohle eröffnen will, in etwa so viel wie im deutschen Braunkohletagebau Garzweiler lagert.

"So unterstützt der selbst ernannte 'Klima-Vorreiter' Allianz ausgerechnet die größte Kohle-Expansion Europas", kritisiert Regine Richter, Campaignerin bei urgewald. "Dass Munich Re trotz der eigenen Studien zu den Folgen des Klimawandels so massiv Polens Kohlefetisch bedient, ist schizophren. Hier zeigt sich, dass zwischen Sonntagsreden fürs Klima und der Realität im Versicherungsgeschäft der Konzerne immer noch eine riesige Lücke klafft."

Im Jahr 2015 hatte die Allianz in einem vielgelobten Schritt zahlreiche Kohlefirmen aus ihrem Investitionsportfolio ausgeschlossen. Der Schritt umfasst jedoch nur die Eigenanlagen, nicht die Investitionen, die die Allianz in Auftrag für Dritte tätigt, etwa über ihre Tochter Pimco. So kommt es, dass sie laut dem Report über lokale Tochtergesellschaften rund 38 Millionen Euro in sechs polnische Kohlefirmen investiert hat. Ein ähnliches Problem zeigt sich beim französischen Konzern AXA, der zwar Kohleunternehmen noch konsequenter als Kunden ausschließt, dies aber nur auf einen Teil seiner für Dritte verwalteten Investitionen anwendet. Im Gegensatz zu Allianz und Munich Re schließen AXA und weitere Versicherer inzwischen jedoch auch Versicherungen für Kohle aus. Richter attestiert Allianz und Munich Re daher "deutlichen Nachholbedarf beim Klimaschutz".

Die Geschäfte der Versicherer in Polen haben dramatische Gesundheitsfolgen: Die polnische Kohle-Industrie ist für geschätzte 5.800 vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch ihre gesundheitsschädlichen Emissionen verantwortlich, rund 4.700 davon in benachbarten Ländern wie Deutschland, so eine Studie [1].

Lucie Pinson, Campaignerin bei Unfriend Coal und Autorin des Reports sagt: "Versicherer, die polnische Kohle unterstützen, fördern eine Industrie, die Tausende vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursacht. Sie stellen sich auf die falsche Seite im Kampf gegen den Klimawandel und riskieren das Geld ihrer Aktionäre. Es gibt keine Entschuldigung für die Unterstützung neuer Kohlebergwerke und -kraftwerke und die Konzerne sollten ihre Versicherungen und Investitionen aus bestehenden Projekten schnellstmöglich abziehen."

Kuba Gogolewski, von der polnischen NGO-Stiftung "Development YES Open-Pit Mines NO", sagt: "Polnische Kohleunternehmen gefährden mit ihren aggressiven Wachstumsplänen die globalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Unternehmen, die sie versichern und finanzieren, können sich nicht länger wegducken und müssen jetzt handeln, wenn sie ihren Ruf wahren wollen."

Die Unfriend Coal-Kampagne fordert alle Versicherungskonzerne auf, ihre Absicherungen neuer und bestehender Kohlekraftwerke, Bergwerke und zugehöriger Infrastrukturprojekte einzustellen. Darüber hinaus müssen sie ihre eigenen Investitionen, aber auch die im Auftrag Dritter verwalteten Geldanlagen in Kohle veräußern [2].


Anmerkungen:

[1] "Europe's Dark Cloud": WWF European Office, CAN Europe, Sandbag, HEAL in Brussels, June 2016
http://env-health.org/IMG/pdf/dark_cloud-full_report_final.pdf

[2] Konkret muss dies gelten für: 1. Alle Unternehmen, die Investitionen in neue Kohlekraftwerke, Bergwerke und die dazugehörige Infrastruktur planen; 2. Alle Energieversorger, die mehr als 30 % des Stroms aus Kohle erzeugen oder über mehr als 10 Gigawatt installierte Kohlekraftwerksleistung verfügen; 3. Alle Unternehmen, die mehr als 30 % ihres Umsatzes mit Kohle erzielen oder mehr als 20 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern.


Weitere Informationen:
Report "Dirty Business - Insurance companies supporting the growth of Polish coal"
https://urgewald.org/sites/default/files/dirty_business-v8_final_6-2-18.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. Februar 2018
Herausgeber: urgewald e.V.
Hauptgeschäftsstelle:
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Telefon: 02583/1031, Fax: 02583/4220
Internet: www.urgewald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2018

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