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AUSLAND/042: Chile - Kontroverse um Übernahme von 'Verschwundenen' in digitales Wählerverzeichnis (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Mai 2012

Chile: Kontroverse um Übernahme von 1.000 'Verschwundenen' in digitales Wählerverzeichnis

von Marianela Jarroud



Santiago, 25. Mai (IPS) - In Argentinien haben die Angehörigen der Diktaturopfer die Aufnahme von etwa 1.000 Verschwundenen in das neue digitale Wählerregister kritisiert. Wie die Vorsitzende der Angehörigen Festgenommener Verschwundener (AFDD), Lorena Pizarro, erklärte, werden auf diese Weise die von der Diktatur von Augusto Pinochet begangenen Verbrechen unsichtbar gemacht.

Auf die Existenz der 'Schattenwähler' war zuerst Erika Hennings aufmerksam geworden. Sie konnte nachweisen, dass ihr Mann Alfonso Chanfreau im virtuellen Wählerverzeichnis aufgeführt wird. Chanfreau war ein Führungsmitglied der Bewegung der revolutionären Linken (MIR). Seit er im Jahr nach dem Putsch gegen den sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende (1970-1973) von Mitgliedern der Geheimpolizei DINA festgenommen wurde, fehlt von ihm jede Spur.

Damit teilt er das Schicksal von insgesamt 3.216 Chilenen, die von Militärs verschleppt und ermordet wurden. Doch solange die Leichen der Opfer nicht gefunden werden, weilen sie rechtlich gesehen unter den Lebenden - mit der Konsequenz, dass auch die Verschwundenen der Militärdiktatur im automatisierten Wählerverzeichnis aufgeführt sind.

Nach dem im Januar verabschiedeten Gesetz 20.568, das den Umgang mit dem Wählerverzeichnis regelt, dürfen Einträge nur dann aus dem Register gelöscht werden, wenn die Namensträger nachweislich verstorben sind oder die Gerichte der Meinung sind, dass die betreffende Person nicht in der Lage ist, ihre politischen Rechte auszuüben.

Die Kontroverse beschäftigt inzwischen die Abgeordneten des Landes. So wollen Vertreter der oppositionellen Sozialistischen Partei mit einem Eilantrag dafür sorgen, dass die Diktaturopfer aus dem Wählerverzeichnis entfernt werden. Die Lage sei für die Angehörigen der Diktaturopfer sicherlich unerträglich, meinte die Senatorin Isabel Allende, Tochter des ehemaligen Staatschefs Salvador Allende. "Wir gehen davon aus, dass niemand in böser Absicht gehandelt hat. Doch für die Familien ist die Situation der blanke Hohn." (Ende/IPS/kb/2012)


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IPS-Tagesdienst vom 25. Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2012