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FAMILIENRECHT/150: Befreiung von Klassenfahrten nur in besonderen Ausnahmefällen (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 18. März 2014

Rubrik: Ratgeber/Service/Recht/Familie

Befreiung von Klassenfahrten nur in besonderen Ausnahmefällen



Bremen/Berlin (DAV). Die Befreiung von der Teilnahme an Schulpflichtveranstaltungen aus religiösen Motiven bleibt die Ausnahme. Eltern und Schulen müssen in solchen Fällen einen Kompromiss suchen. Ist dies nicht möglich, kommt eine Befreiung nur in besonders schwerwiegenden Einzelfällen in Frage. Über eine entsprechende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 19. November 2013 (AZ: 1 A 275/10) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Ein Vater beantragte für drei seiner Kinder die Befreiung von der Teilnahme an einer Klassenfahrt. Die Familie war Mitglied der Freien Christengemeinde. Der Vater sah die christliche Betreuung seiner Kinder nicht gewährleistet. Die Unterbringung der Kinder außerhalb des Elternhauses greife in die grundrechtlich geschützte christlich geprägte Erziehung der Kinder ein. Das Angebot der Schule, die Kinder jeden Abend von dem 35 Kilometer entfernt liegenden Ziel der Klassenfahrt abzuholen und sie morgens wieder zurückzubringen, lehnte der Vater ab.

Die Kinder müssen teilnehmen, entschieden die Richter. Die Befreiung von schulischen Pflichtveranstaltungen, weil die Eltern Beeinträchtigungen ihrer religiösen Erziehungsvorstellungen befürchteten, müsse die Ausnahme bleiben. Zwar seien der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag und das religiöse Erziehungsrecht sowie die Glaubensfreiheit gleichrangig. Deswegen müsse der Staat bei der Ausgestaltung des Unterrichts Neutralität und Toleranz wahren. Gleichzeitig habe die Schule aber die Aufgabe, allen Schülern ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten zu bieten. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag würde praktisch leerlaufen, müsste sich die Schule auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken und alle religiösen Verhaltensregeln mit Auswirkungen auf den Schulalltag berücksichtigen.

Legten Eltern den Konflikt zwischen der Glaubens- und Gewissensfreiheit und dem staatlichen Erziehungsauftrag dar, müsse man zunächst nach einem Kompromiss suchen. Scheide ein Kompromiss aus, komme eine Befreiung nur dann in Betracht, wenn die dargelegte Beeinträchtigung von besonders "gravierender Intensität" sei.

Im vorliegenden Fall sei das Kompromissangebot der Schule dazu geeignet gewesen, den Konflikt zu entschärfen. Die Richter betonten, die Schule sei den Eltern mit ihrem Angebot, auf die Übernachtung der Kinder außer Haus zu verzichten, weit entgegengekommen. Da diese das Angebot ausgeschlagen hätten, bedürfe es nun keiner weitergehenden Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen mehr.

Informationen: www.dav-familienrecht.de

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Quelle:
Pressemitteilung FamR 01/14 vom 18. März 2014
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014