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GRUNDGESETZ/115: Anti-Terror-Gesetzgebung gehört unter die Lupe - Expertengremium gefordert (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 21. Juli 2011

Anti-Terror-Gesetzgebung gehört unter die Lupe
- DAV fordert Schaffung eines institutionalisierten Expertengremiums


Berlin (DAV): Auch nach der Verlängerung der Anti-Terror-Gesetzgebung um weitere vier Jahre steht die Bundesregierung in der Pflicht zur Wahrung einer möglichst grundrechtsschonenden Sicherheitsarchitektur. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert daher jetzt die schnelle Schaffung eines institutionalisierten Expertengremiums zur Evaluierung von Polizei- und Sicherheitsgesetzen unter Federführung des Bundestages. Eingriffsbefugnisse, die sich in der täglichen Praxis als nicht erforderlich, ungeeignet, ineffizient oder unverhältnismäßig erweisen, müssen wieder zurückgenommen werden. Besonders solche Instrumente müssen kritisch begutachtet werden, deren Tauglichkeit zur Verbrechensbekämpfung noch völlig offen ist wie die Online-Durchsuchung oder die Vorratsdatenspeicherung.

"Die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden im Rahmen u. a. von Terrorismusbekämpfung, Netzfahndung, Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung wirken weit in grundrechtsrelevante Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger ein. Es ist deshalb nicht nur geboten, dass die - vielleicht aus übergeordneten Interessen hinnehmbaren - Grundrechtseingriffe so gering wie möglich gehalten werden, sondern auch, dass diese Eingriffsbefugnisse, ständig überprüft und gegebenenfalls zurückgenommen werden", fordert Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. Das mache es notwendig, die auf die Bekämpfung der neuen Kriminalitätsformen Terrorismus, Organisiertes Verbrechen und Internetkriminalität abzielenden Eingriffsbefugnisse hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Erforderlichkeit in der Praxis laufend zu beobachten.

"Eine "experimentelle" Gesetzgebung gebietet eine Evaluationspflicht, die eine Nachbesserung oder Rücknahme von gesetzlichen Ermächtigungen zu Grundrechtseingriffen ermöglicht", so Ewer weiter. Dem Gesetzgeber obliege insbesondere eine gesteigerte Pflicht bei solchen Instrumenten, deren Tauglichkeit zur Verbrechensbekämpfung im Gesetzgebungsprozess (nur) prognostisch begründbar ist, wie beispielsweise der Online-Durchsuchung oder der Vorratsdatenspeicherung.

"Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass es zwischen Staaten mit (z. B. Irland) und ohne Vorratsdatenspeicherung keine Unterschiede im Kriminalitätsaufkommen und - wenn überhaupt - nur marginale Unterschiede in der Aufklärungsquote (insbesondere bei schweren Verbrechen) gebe. Damit gehört die Regelung zumindest auf Grundlage der geltenden EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr eingeführt", so Ewer.

Auch die Wirksamkeit der Online-Durchsuchung ist nach Auffassung des DAV zweifelhaft: Laut Bundesregierung ist im Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwalts bislang in keinem Fall aus einer Online-Durchsuchung gewonnene Informationen als Beweismittel vor Gericht verwendet worden (BT-Drs. 17/6079). Er erscheint daher fraglich, warum massenhaft Bewegungsprofile unbescholtener Bürgerinnen und Bürger erfasst werden sollen, wenn in anderen Bereichen die Datenerfassung eben nicht dazu führt, dass diese als Beweismittel taugen.

Welche Anforderungen an eine ausgewogene und unabhängige Evaluation zu stellen sind, hat der DAV in einem Eckpunktepapier zusammengefasst.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 19/11 vom 21. Juli 2011
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
PR-Referat
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2011