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INTERNATIONAL/139: Marschallinseln - Klage vor US-Gericht gegen Atommächte abgewiesen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2015

Marschallinseln:
Klage vor US-Gericht gegen Atommächte abgewiesen

Von Josh Butler


New York, 13. Februar (IPS) - Die Marschallinseln haben mit dem Versuch, die neun Atommächte wegen Missachtung des Atomwaffensperrvertrags von 1998 gerichtlich zu belangen, eine erste Niederlage erlitten. So wurde ihre Klage gegen den US-amerikanischen Staat von einem Bundesgericht in Kalifornien abgewiesen.

Die Marshallinseln, selbst Opfer von 67 Atomwaffentests, hatten Washington in den USA verklagt, da letztere die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs (ICJ) in Den Haag nicht anerkennen, den die Regierung des Inselarchipels ebenfalls angerufen hat, um die internationale Bewegung für eine atomwaffenfreie Welt zu unterstützen.

Obwohl die verheerenden Folgen der 1946 bis 1958 auf den Marshallinseln durchgeführten Atomwaffentests dokumentiert sind, sprach der zuständige US-Bundesrichter Jeffrey White am 3. Februar von "spekulativen" Schäden. Außerdem erklärte er das Bundesgericht für nicht zuständig, da der Fall politischer und nicht rechtlicher Natur sei.

Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag verpflichtet die Atomwaffenstaaten dazu, "in redlicher Absicht Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle zu führen".

Obwohl seit dem Ende des Kalten Krieges zu einem gewissen Grad nuklear abgerüstet wurde, verfügen die fünf offiziellen Atommächte USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sowie die vier inoffiziellen Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel immer noch über rund 17.000 nukleare Sprengköpfe. Für ihre Atomstreitkräfte geben sie jährlich 100 Milliarden Dollar aus.


Für die Marshallinseln ist das atomare Leid noch nicht vorbei

Nach Angaben von David Krieger, Vorsitzender der Abrüstungsorganisation 'Nuclear Age Peace Foundation' (NAPF), entsprachen die fünf Dutzend Atomwaffentests, die auf den Marshallinseln im letzten Jahrhundert unternommen wurden, der täglichen Sprengkraft von 1,6 Hiroshima-Bomben - Tag für Tag zwölf Jahre lang. Der erste nukleare Kernwaffentest auf dem Bikini-Atoll war um das 1.000-Fache stärker als die Bombe, die 1945 über Hiroshima abgeworfen worden war.

Ausschlaggebend für die Wahl des Archipels als Testgelände war nicht nur die geographische Abgeschiedenheit gewesen, sondern auch die damalige Zugehörigkeit der Atolle zum Treuhandgebiet Pazifische Inseln der USA. Die Marshallinseln erlangten erst 1979 ihre Unabhängigkeit und ihre vollständige Souveränität im Jahre 1986.

Die Bevölkerung der Marshallinseln war über die Atomtestpläne nicht informiert geschweige denn um ihre Zustimmung gebeten worden. Die Auswirkungen waren verheerend: Inselbewohner mussten umgesiedelt werden, Missbildungen und Krebserkrankungen häuften sich. Einige Inseln wurden so stark verstrahlt, dass es noch Jahrtausende dauern wird, bis sie wieder bewohnbar sind. Dennoch bestritten die verantwortlichen Länder die Gefahren und verweigerten eine angemessene gesundheitliche Versorgung der Strahlenopfer.

Das Urteil von US-Bundesrichter White im 'David gegen Goliath'-Fall schafft nach Ansicht von Krieger einen traurigen Präzedenzfall, was die Einhaltung internationaler Verträge durch die USA angeht. "Im Grunde sagt uns das Urteil vom 3. Februar, dass kein anderes Land befugt ist, vor einem US-Gericht Klage zu erheben. Was kann ein Land tun, das der Meinung ist, dass sich die USA nicht an ein Abkommen halten? Dass die Klage der Marshallinseln abgeschmettert wurde, vermittelt die Botschaft: Die USA können tun und lassen, was sie wollen, und es geht den Rest der Welt nichts an, wenn sie vertragsbrüchig werden."

Die Marshallinseln würden am liebsten alle neun Atommächte vor den ICJ bringen. Doch inzwischen hat nur noch die Klage gegen Pakistan, Indien und Großbritannien eine reelle Chance, angenommen zu werden, wie John Burroughs vom 'Lawyers Committee on Nuclear Policy', einer Abrüstungsorganisation von Juristen, erklärt. "Die Marschallinseln versuchen die anderen sechs Atomwaffenstaaten zu bewegen, sich freiwillig dem Haager Gericht zu stellen. Das ist zwar grundsätzlich möglich, wird aber von keinem der Länder getan."

Laut Burroughs, auch ein Mitglied des internationalen ICJ-Teams, hat China bereits explizit mitgeteilt, nicht vor dem internationalen Gericht zu erscheinen. Diesbezügliche Entscheidungen von Seiten Indiens und Pakistans werden Mitte des Jahres erwartet. Ein ICJ-Schriftsatz soll Großbritannien im März zugehen.

Burroughs schließt allerdings aus, dass das jüngste Urteil des US-Bundesgerichts die internationalen Richter in Den Haag beeinflussen wird. "Ich bezweifele, dass es überhaupt in irgendeiner Weise relevant sein könnte." (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/02/marshall-islands-nuclear-proliferation-case-thrown-out-of-u-s-court/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2015

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