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MELDUNG/103: Gesetzesänderungen 2011 - mit wegweisenden Reformen in das neue Jahr (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 30. Dezember 2010

Mit wegweisenden Reformen in das neue Jahr


Anfang 2011 treten wichtige Gesetzesänderungen aus dem Bereich des Bundesjustizministeriums in Kraft. Zu den Neuregelungen erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Wir gehen mit wegweisenden Reformen in das neue Jahr. Die Gesetzesänderungen zeigen, dass auch ein schwieriges Umfeld rechtspolitische Akzente erlaubt. Die konsequente Orientierung an Bürger- und Menschenrechten zeigt sich in einer grundlegenden Reform der Sicherungsverwahrung und einem verbesserten Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Mit einem konsolidierten Wirtschaftsrecht ziehen wir die Lehren aus der Wirtschaftskrise. Die Verjährungsfristen für die Vorstandshaftung bei börsennotierten Unternehmen werden verlängert und so die juristische Aufarbeitung von Managementfehlern verbessert. Ein neues Restrukturierungsverfahren schafft Sanierungsmöglichkeiten für angeschlagene Banken und entlastet die Steuerzahler. In der Gesellschaftspolitik werden die rechtlichen Regeln an geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen angepasst. Steuerliche Freibeträge fördern gezielt das Ehrenamt im Bereich von Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft.


Zu den Neuregelungen im Einzelnen:

Sicherungsverwahrung

Das Gesetz, das Anfang Dezember im Bundestag mit den Stimmen von Union, FDP und SPD verabschiedet worden ist, ist die erste grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung für verurteilte Straftäter seit 1970. Der Wildwuchs zahlreicher Verschärfungen der letzten Jahre wird beschnitten und durch ein stimmiges Gesamtkonzept ersetzt. In Zukunft werden Richter schon bei der Verurteilung von Straftätern verstärkt nachdenken, ob für die Zeit nach der Haft eine Sicherungsverwahrung vorbehalten wird. Dieser Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ermöglicht zugleich, die nachträgliche Sicherungsverwahrung weitgehend abzuschaffen. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung war rechtlich umstritten und unpraktikabel. Außerdem soll die Sicherungsverwahrung künftig vor allem auf hochgefährliche Sexual- und Gewalttäter konzentriert werden.

Ergänzt wird die grundlegende Neuordnung der Sicherungsverwahrung durch die Einführung einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie durch ein neues Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. Dieses Gesetz kann künftig für die Fälle angewendet werden, die infolge eines seit Mai 2010 rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden. Unter den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschrechtskonvention ist es damit künftig in Einzelfällen möglich, Gewalt- und Sexualstraftäter, die wegen einer psychischen Störung weiterhin gefährliche nach doppelter Begutachtung in geeigneten Einrichtungen unterzubringen, um sie dort zu therapieren.

Die Neuregelung tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Neuordnung der Sicherungsverwahrung finden Sie auf www.bmj.de.


Besserer Vertrauensschutz zwischen Anwalt und Mandant

Künftig können sich alle Mandanten sicher sein, dass das Gespräch mit ihrem Anwalt vertraulich bleibt - unabhängig davon, in welcher Angelegenheit sie die Beratung des Rechtsanwalts in Anspruch nehmen. Die künstliche Aufspaltung in Strafverteidiger einerseits und alle übrigen Anwälte andererseits hat damit ein Ende. Alle Rechtsanwälte werden gleich behandelt - und erhalten den Schutz, den vorher nur die Strafverteidiger hatten: Zum Beispiel können ihre Telefone nicht mehr abgehört werden. Diese Gesetzesänderung ist zum Jahresende im Gesetzblatt veröffentlicht worden und wird ab dem 1. Februar 2011 gelten.

Bei dieser Stärkung der Freiheitsrechte soll es aber nicht bleiben. Noch in dieser Legislaturperiode soll auch der Schutz anderer Berufsgeheimnisträger vor staatlicher Überwachung verbessert werden.


Verlängerte Vorstandshaftung und Bankenrestrukturierung

Die Verjährungsfristen für die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten börsennotierter Aktiengesellschaften werden von bisher fünf auf zehn Jahre verlängert. Damit bleibt für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen bei Managementfehlern künftig genügend Zeit, auch wenn diese Ansprüche spät bekannt werden oder sich erst personell neu aufgestellte Gesellschaftsorgane zur Durchsetzung entscheiden.

Auch das neue Restrukturierungsverfahren für Banken zieht die richtigen Lehren aus der Finanzmarktkrise - und bietet gleichzeitig eine klare Alternative zur Enteignung, indem Bankinstitute in einem geordneten Verfahren frühzeitig saniert werden können. Das Restrukturierungsgesetz setzt auf Privatautonomie und stärkt die Eigenverantwortung der Unternehmer. Das Modell bietet die Chance, eigenverantwortlich und zunächst ohne Eingriffe in Aktionärsrechte die Sanierung von Kreditinstituten einzuleiten. Ziel ist, die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für das Finanzsystem zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass Restrukturierung und geordnete Abwicklung einer solchen Bank nicht, wie in der Vergangenheit, durch die öffentliche Hand, und damit vom Steuerzahler, sondern vorrangig vom Fi-nanzsektor selbst finanziert werden.

Das Gesetz tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Nähere Informationen dazu finden Sie auf www.bmj.de.


Stärkung des Ehrenamts bei Betreuung und Vormundschaft

Für ehrenamtliche Vormundschaften, Betreuungen und Pflegschaften wird die Befreiung von der Einkommenssteuerpflicht erweitert. Mit dem Jahressteuergesetz 2010 werden pauschale Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtliche Vormundschaft, für die ehrenamtliche rechtliche Betreuung und Pflegschaft bis zu einem Jahresbetrag von 2.100,- Euro steuerfrei. Bisher waren es nur 500,- Euro. Die Neuregelung sorgt dafür, dass ehrenamtliche Betreuer steuerlich genauso behandelt werden wie andere ehrenamtlich Tätige, etwa Übungsleiter, Ausbilder oder Erzieher.

Die Steuerbefreiung setzt ein klares Signal zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements. Die wachsende Zahl älterer Menschen und die Zunahme der Vereinzelung gerade im hohen Alter führen zu einem steigenden Betreuungsbedarf. Die Neuregelung ermöglicht gerade ehrenamtlichen Betreuern außerhalb des Familienkreises, mehrere Betreuungen gleichzeitig zu übernehmen, ohne dadurch steuerlichen Aufwand betreiben zu müssen. Der erweiterte Freibetrag bewirkt zugleich eine Stärkung des Ehrenamts bei der Vormundschaft. Ehrenamtliche Vormundschaft gewährleistet den dringend erforderlichen persönlichen Kontakt zwischen Vormund und Kind und leistet damit einen wichtigen Beitrag, Fällen von Kindesmissbrauch und -verwahrlosung besser zu begegnen. Die Gesetzesänderung verbessert die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement und vereinfacht die Arbeit von eh-renamtlich tätigen Betreuern und Vormündern. Die Regelung ist erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2011 anzuwenden.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 30.12.2010
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr. Katharina Jahntz,
Harald Schütt, Ulrich Staudigl
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2011