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MENSCHENRECHTE/029: Menschenrechte Schwarz auf Weiß (Südwind)


Südwind Nr. 4 - April 2008
Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung

Menschenrechte Schwarz auf Weiß


"International Bill of Rights"

Jeder Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen hat ihre Charta, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die zwei Internationalen Pakte über bürgerliche und politische bzw. wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einzuhalten. Diese Rechtstexte zusammen werden informell als "International Bill of Rights" bezeichnet.

24. Oktober 1945*)
Charta der Vereinten Nationen
(Gründungsdokument)

Präambel: "Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen,
• Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,
• unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, ..."

*) Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens; Beschluss am 26. Juni 1945.


10. Dezember 1948
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
(Von ihr leiten sich die meisten anderen Rechte her.)

Präambel:
• "Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet,

• da die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen, und da verkündet worden ist, dass einer Welt, in der die Menschen Rede- und Glaubensfreiheit und Freiheit von Furcht und Not genießen, das höchste Streben des Menschen gilt,

• da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen, ..."


16. Dezember 1966
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Präambel: "In der Erkenntnis, dass nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Ideal vom freien Menschen, der frei von Furcht und Not lebt, nur verwirklicht werden kann, wenn Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ebenso wie seine bürgerlichen und politischen Rechte genießen kann, ..."


16. Dezember 1966
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Präambel: Wie oben, nur heißt es hier: "... bürgerlichen und politischen Rechte ebenso wie seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ..."


*


Konventionen/Übereinkommen

Internationale Konventionen sind das Fleisch auf den "blanken Knochen" der International Bill of Rights. Nach ihrem Beschluss durch die Generalversammlung (worauf sich die hier angegebenen Daten beziehen) müssen sie von einer breiten Mehrheit der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, um Rechtskraft zu erlangen - ein Prozess, der mehrere Jahre dauern kann. Manche Staaten ratifizieren sie überhaupt nicht.


Völkermord

9. Dezember 1948
Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

Die Konvention definiert Völkermord als eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

• Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

• Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;

• vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

• Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

• gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.


Rassismus

21. Dezember 1965
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

Artikel 2: "Die Vertragsstaaten verurteilen die Rassendiskriminierung und verpflichten sich, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form und der Förderung des Verständnisses unter allen Rassen zu verfolgen."


Frauen

10. Dezember 1979
Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

Mit der Annahme der Konvention verpflichten sich Staaten zu einer Reihe von Maßnahmen, darunter:

• den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau in ihre Gesetze aufzunehmen, alle diskriminierenden Gesetze aufzuheben und durch geeignete gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen jede Diskriminierung der Frau zu verbieten;

• Frauen durch die zuständigen nationalen Gerichte und sonstige öffentlichen Einrichtungen wirksam vor jeder diskriminierenden Handlung zu schützen.


Folter

10. Dezember 1984
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Artikel 1: "Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck 'Folter' jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden."


WanderarbeitnehmerInnen

18. Dezember 1990
Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen

Artikel 24: "Jeder Wanderarbeitnehmer und jeder seiner Familienangehörigen hat überall Anspruch auf Anerkennung als Rechtsperson."


Verschwindenlassen

20. Dezember 2006
Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen
(nicht in Kraft)

Artikel 1.1: "Niemand darf dem Verschwindenlassen unterworfen werden."
Artikel 1.2: "Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für das Verschwindenlassen geltend gemacht werden."


Kinder

20. November 1989
Übereinkommen über die Rechte des Kindes

Artikel 2: "Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Kind vor allen Formen der Diskriminierung oder Bestrafung wegen des Status, der Tätigkeiten, der Meinungsäußerungen oder der Weltanschauung seiner Eltern, seines Vormunds oder seiner Familienangehörigen geschützt wird."


Behinderungen

13. Dezember 2006
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Artikel 1: "Zweck dieses Übereinkommens ist es, die volle und gleichberechtigte Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung ihrer angeborenen Würde zu fördern. Der Begriff Menschen mit Behinderungen umfasst Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesschädigungen, die sie im Zusammenwirken mit verschiedenen Barrieren daran hindern können, gleichberechtigt mit anderen uneingeschränkt und wirksam an der Gesellschaft teilzunehmen."


Weitere Konventionen/Übereinkommen existieren u.a. zu Religion, ethnischen Minderheiten, Flüchtlingen, Kriegsverbrechen, Apartheid, und zur Todesstrafe.

Quellen: Diverse offizielle und inoffizielle Übersetzungen der Konventionstexte.


*


Menschenrechte beschränken sich nicht nur auf individuelle bürgerliche und politische Rechte, sondern beinhalten auch kollektive wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Vor allem letztere sind weltweit alles andere als gewährleistet.

Bürgerliche und politische Rechte - 2006 (1)

Folter und Terror

In 102 Ländern kam es zu Folterungen und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte, Polizei und andere staatliche Institutionen.
In Guantánamo Bay wurden 400 Personen aus mehr als 30 Ländern festgehalten, 200 haben seit der Eröffnung des Lagers einen Hungerstreik durchgeführt, 40 einen Selbstmordversuch begangen.
Eine unbekannte Zahl von Menschen wurde in geheimen Gefängnissen oder "Black sites" (US-Militärsprache) rund um die Welt festgehalten.


Todesstrafe

20.000 Menschen warteten weltweit auf die Vollstreckung ihres Todesurteils.
3.861 Menschen wurden in 55 Ländern zum Tode verurteilt; 1.591 Gefangene wurden in 25 Ländern hingerichtet - ein Rückgang gegenüber den 2.184 Hinrichtungen von 2005 (Zahlen inkludieren nur gesetzmäßige Hinrichtungen).
91 % aller bekannten Hinrichtungen fanden in sechs Ländern statt: China, Iran, Irak, Sudan, Pakistan und in den USA.
in 69 Ländern wird die Todesstrafe weiterhin angewendet.


Wirtschaftliche und soziale Rechte (2)

Im Jahr 2000 verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf die Milleniumsentwicklungsziele (MDGs), die sich auf grundlegendste wirtschaftliche und soziale Rechte beziehen. 1990 dient als Basisjahr für die Mindestvorgaben, die bis 2015 erreicht werden sollen. Dafür bleiben nur noch sieben Jahre Zeit.
Beim aktuellen Tempo des Fortschritts wird es 30 Jahre dauern, bis sie in Südasien erreicht sind - und mindestens 100 in Afrika südlich der Sahara. Außer Europa und Nordamerika wird keine Region die Mindestvorgaben vor 2020 erreichen.


Extreme Armut

Ziel: Halbierung des Anteils der Menschen mit einem Einkommen unter 1 Dollar pro Tag (zu Kaufkraftparitäten von 1993)


Anteil der Bevölkerung mit weniger al 1 US-Dollar pro Tag (%)
Entwicklungsregionen
1990
31,6

2004
19,2
Afrika südlich der Sahara
1990
46,8

2004
41,1

KOMMENTAR: Das Ziel dürfte von den Entwicklungsregionen insgesamt beinahe erreicht, in Afrika südlich der Sahara aber weit verfehlt werden.



Kindersterblichkeit

Ziel: Senkung um zwei Drittel


Kindersterblichkeit unter fünf Jahren pro 1.000 Lebendgeburten
Entwicklungsregionen
1990
106

2005
83

KOMMENTAR: Quälend langsamer Fortschritt. Um das Ziel zu erreichen, müsste die Sterblichkeit zwischen 2005 und 2015 um 50 Prozentpunkte (0,5 %) pro Jahr fallen. Zwischen 1990 und 2005 fiel sie nur um 23 Prozentpunkte pro Jahr.



Hunger

Ziel: Halbierung des Anteils der Menschen, die an Hunger leiden


Anteil der Kinder unter 5 mit Untergewicht
Entwicklungsregionen
1990
33

2005
27

KOMMENTAR: Viel zu langsamer Fortschritt. Nach wie vor stirbt alle 5 Sekunden ein Kind an direkten und indirekten Folgen der Unterernährung. In Bangladesch, Indien und Nepal leidet fast die Hälfte aller Kinder an Unterernährung.



AIDS

Ziel: Ausbreitung stoppen oder Inzidenz verringern
Ende 2006 lag die Zahl der Menschen mit HIV bei 39,5 Mio. gegenüber 31,9 Mio im Jahr 2001. Die Zuwachsrate verringert sich, aber 2006 erhielten nur 28 % der Betroffenen in Entwicklungsregionen die Behandlung, die sie benötigen.


Wasser

Ziel: Halbierung des Anteils der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und grundlegenden sanitären Einrichtungen haben.


Anteil der Bevölkerung mit verbesserten sanitären Einrichtungen
Entwicklungsregionen
1990
35

2004
50

KOMMENTAR: Das Ziel wird um 600 Mio. Menschen verfehlt werden. Schätzungsweise 1,6 Mrd. Menschen werden 2015 keinen Zugang zu "verbesserten sanitären Einrichtungen" haben. Bei sauberem Trinkwasser wird die Versorgung wahrscheinlich noch schlechter sein.


Müttersterblichkeit

Ziel: Reduktion um drei Viertel
Es gibt keine verlässlichen Zahlen. Geschätzte 500.000 Frauen sterben jedes Jahr an Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, die behandelbar oder vermeidbar wären. In Afrika s. d. Sahara liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an solchen Komplikationen stirbt bei 1:16, in den reichen Ländern bei 1:3.800.


Bildung

Ziel: Sicherstellen, dass 2015 Jungen und Mädchen gleichermaßen eine Grundschule absolvieren können.


Anteil der Kinder im Grundschulalter, die zur Schule gehen
Entwicklungsregionen
1991
80

2005
88

KOMMENTAR: In Afrika südlich der Sahara gehen noch immer 30 % der Kinder im Grundschulalter nicht zur Schule. Weltweit sind es 77 Millionen Kinder. 781 Mio. Menschen können nicht lesen und schreiben, zwei Drittel davon sind Frauen.


Gewalt gegen Frauen

Zumindest eine von drei Frauen weltweit wurde geschlagen, zu Sex gezwungen oder anderweitig missbraucht
70 % der Opfer bewaffneter Konflikte (Tote und Verletzte) waren Zivilpersonen, ein Großteil davon Frauen und Kinder


Umwelt

Ziel: Verlust von Umweltressourcen stoppen und umkehren.


Waldfläche in % der gesamten Landfläche
Weltweit
1990
31

2005
30

KOMMENTAR: Nach wie vor überwiegen die Waldverluste die Aufforstungen.


CO2-Emissionen in Mrd. Tonnen
Entwickelte Länder
1990
9,7

2004
12,5
Entwicklungsregionen
1990
6,5

2004
12,4
Gesamt
1990
16,6

2004
24,9

KOMMENTAR: Die CO2-Emissionen nehmen weiter unaufhaltsam zu. Gegenmaßnahmen waren unwirksam. Prognosen zufolge wird es zu einem unkontrollierbaren und katastrophalen Klimawandel kommen, wenn es nicht gelingt, die Emissionen ab 2015 wieder zu senken.


Quellen:
(1) amnesty international, Jahresbericht 2007
(2) Statistiken: Millennium Development Goals Report 2007
    http://mdgs.un.org; Kommentare und zusätzliche Daten:
    Social Watch Report, www.socialwatch.org


*


Quelle:
Südwind - Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung
29. Jahrgang, Nr. 4 - April 2008, Seite 32-34
Herausgeber: Südwind-Entwicklungspolitik (ehem. ÖIE)
Verlegerin: Südwind Agentur GmbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2008