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STRAFRECHT/400: Reform der Sicherungsverwahrung - Licht, aber noch mehr Schatten (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 27. August 2010

Reform der Sicherungsverwahrung: Licht, aber noch mehr Schatten
- Eckpunkte bedürfen der Konkretisierung und Nachbesserung -


Berlin (DAV). Grundsätzlich begrüßt der Deutschen Anwaltverein (DAV), dass der Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung beschränkt werden soll. Zu rechtfertigen ist eine solche einschneidende Maßnahme, mit der Menschen nach Verbüßung ihrer Strafe weiterhin die Freiheit entzogen wird, allerdings nur bei der Gefahr der Begehung schwerer Gewalt- und Sexualverbrechen. Im Gegensatz dazu lässt speziell der nun geplante Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung befürchten, dass die Zahl der Sicherungsverwahrten, die in den letzten Jahren bereits auf über 500 Menschen angestiegen ist, weiter zunehmen wird. Eine solche vorbehaltene Sicherungsverwahrung darf nur in ganz gravierenden Einzelfällen in Frage kommen. Zweifel hat der DAV auch daran, ob die vorbehaltene Sicherungsverwahrung den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genügt.

"Ein tragfähiges Konzept für eine Sicherungsverwahrung muss sich durch angemessene und nachhaltige Therapieleistungen und einen menschlichen Vollzug legitimieren", so Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Strafrecht. Bei der geplanten Stärkung der Führungsaufsicht ist insbesondere darauf zu achten, dass hinreichende personelle Ressourcen, konkret mehr Bewährungshelfer, bereitgestellt werden.

Bedenken hat der DAV, dass von einer Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in den Eckpunkten keine Rede mehr ist. Vielmehr wird nur mitgeteilt, diese Maßregeln würden durch die Ausweitung der Voraussetzung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung "obsolet". Das bedeutet nach Ansicht des DAV: Sie wird nicht aus dem Gesetz gestrichen, sondern nur nach den Vorstellungen des Gesetzgebers für künftige Fälle keine Rolle mehr spielen. "Dies reicht aber bei weitem nicht aus", so König weiter. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung müsse abgeschafft werden, denn sie sei verfassungs- und menschenrechtswidrig.

Probleme wirft das geplante "Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter" auf. Soweit es den Regelungen der bereits bestehenden Unterbringungsgesetze der Länder angelehnt ist, ist zweifelhaft, ob für ein solches Gesetz überhaupt die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers besteht. Auch steht zu befürchten, dass durch eine Ausweitung oder Umdefinierung des psychischen Krankheitsbegriffs katalogisiert wird, was heute schlicht als Gefährlichkeit gilt.

Entscheidend ist, dass die von der Sicherungsverwahrung oder -unterbringung Betroffenen ernsthafte therapeutische Bemühungen erhalten. Hier muss ein dichtes Regelwerk geschaffen werden, das die staatlichen Stellen dazu zwingt, alle gegebenen Möglichkeiten zur Therapie und Heilung auszuschöpfen und die betroffenen Menschen nicht bloß zu verwahren. "Die Unterbringung muss sich vom Strafvollzug deutlich unterscheiden", betont König weiter. Es müsse sichergestellt sein, dass nicht die Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung, sondern auch deren Ausgestaltung gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Dies betrifft auch die Therapieplanerstellung. Sonst werde außer neuen Begriffen nichts gewonnen sein und der jetzige unbefriedigende, teilweise menschenrechtswidrige Zustand andauern.

Pressemitteilung und weitere rechtspolitische Informationen auch über www.twitter.com/anwaltverein.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 26/10 vom 27. August 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2010