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STRAFRECHT/408: Leutheusser-Schnarrenberger - Reform der Sicherungsverwahrung war richtig (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 14. Januar 2011

Reform der Sicherungsverwahrung war richtig


Zu den heutigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Wegsperren ohne rechtsstaatliche Grundsätze, das ist seit Inkrafttreten der Reform der Siche­rungsverwahrung am 1.1.2011 Vergangenheit.

Der Deutsche Bundestag hat auf meinen Vorschlag auch mit Blick auf die anstehenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein neues System der Sicherungsverwahrung geschaffen. Mit der größten Neuordnung der Sicherungsverwahrung seit 1970 wird zweierlei erreicht: Erstens wird die Sicherungsverwahrung als schärfste Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt, nur noch dort verhängt, wo sie zum Schutz der Bevölkerung auch wirklich nötig ist. Zweitens sind die Regelungen der Sicherungsverwahrung besser aufeinander abgestimmt und damit auch für die Rechtsanwender, also Richter und Staatsanwälte, wieder übersichtlicher und nachvollziehbar.

Für die Zukunft ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung weitgehend abgeschafft. Die Sicherungsverwahrung muss seit dem 1.1.2011 im Strafurteil angeordnet oder vorbehalten sein. Für die Täter, die aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2009 freikamen oder noch freikommen können, gilt das neue Therapieunterbringungsgesetz: Wenn sie aufgrund einer psychischen Störung weiterhin gefährlich sind und zwei Gutachter dies feststellen, können sie in geeigneten Einrichtungen untergebracht und therapiert werden.

Zu Recht wurden in der Vergangenheit die hektischen und einfallsbezogenen Reparaturarbeiten an dem System der Sicherungsverwahrung kritisiert. Seit 1998 wurde das Recht der Sicherungsverwahrung rund zehn Mal geändert.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute in einem von vier Fällen die früheren Reparaturarbeiten zu Recht gerügt. In drei Fällen hat der EGMR wie erwartet seine Rechtsprechung bestätigt und drei Klägern Schadensersatz wegen der Problematik der rückwirkend verlängerten Sicherungsverwahrung zugesprochen.

Zu dem bayerischen Fall H. habe ich bereits 2002 die falschen einzelfallbezogenen Reparaturarbeiten der damaligen Staatsregierung Stoiber kritisiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2004 das Bayerische Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern für verfassungswidrig erklärt.

Auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung der Bundesregierung Schröder aus dem Jahr 2004 hat in vielfacher Hinsicht Probleme aufgeworfen. Sie hat nicht mehr Sicherheit geschaffen, weil sie zu wenig praxistauglich war, und hat zugleich zu stark in die Rechte der Betroffenen eingegriffen. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung war als Instrument untauglich, um die wirklich gefährlichen Straftäter zu identifizieren.

Der Gerichtshof betont die große Verantwortung der deutschen Gerichte bei der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es ist Sache der deutschen Gerichte, die Konsequenzen in jedem Einzelfall zu ziehen. In Straßburg wird genau beobachtet, dass verschiedene Oberlandesgerichte unterschiedliche Konsequenzen aus der EGMR-Rechtsprechung ziehen - manche lassen frei, andere nicht. Wir haben bereits mit einer raschen Gesetzesänderung im Sommer sichergestellt, dass wir bundesweit eine einheitliche Rechtssprechung durch den Bundesgerichtshof bekommen und sich widersprechende Urteile in Zukunft vermeiden. Mit dieser so genannten Divergenzvorlage wird gewährleistet, dass in diesen rechtsstaatlich sensiblen Fragen eine einheitliche Rechtsprechung entsteht.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 14.01.2011
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr. Katharina Jahntz,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2011