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ZIVILRECHT/293: Berufsunfähigkeitsversicherung eine Seifenblase (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 14. September 2007

Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht

Berufsunfähigkeitsversicherung: Verweis auf eine andere Tätigkeit zulässig


Karlsruhe/Berlin (DAV). Wer berufsunfähig wird, verliert in der Regel die Existenzgrundlage. Gut, wenn er über eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert ist. Leider entpuppt sich diese vermeintliche Absicherung gelegentlich als Seifenblase. In einigen Versicherungsbedingungen gibt es eine Klausel, die als "abstrakte Verweisung" dem Versicherten aufgibt, künftig eine andere Tätigkeit auszuüben. Demnach muss der Versicherer in den Fällen nicht leisten, wenn zwar im zuletzt ausgeübten Beruf Berufsunfähigkeit besteht, der Versicherte aber aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung eine andere Tätigkeit ausüben kann. Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) weist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 7. Februar 2007 (AZ: IV ZR 232/03) hin. Die Entscheidung verdeutlicht, welche Gefahren die "abstrakte Verweisung" in solchen Versicherungsbedingungen für den Versicherungsnehmer birgt.

Der Kläger war selbständiger Straßenbaumeister und verletzte sich bei einem Skiunfall so schwer, dass er diesen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Einige Jahre zuvor hatte er ein Studium zum Bauingenieur abgeschlossen, diesen Beruf aber wegen der Übernahme des elterlichen Betriebes noch nie ausgeübt. Als er seine Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch nehmen wollte, verwies ihn die Versicherung auf die Tätigkeit als Bauingenieur, z. B. als Bauleiter. Dagegen wandte sich der Versicherte, da er mit zunehmendem Abstand zum Ende seines Studiums und im Hinblick auf die wachsenden Anforderungen der Arbeitgeber aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation den Anschluss an die neue Entwicklung, insbesondere im Bereich der EDV, verloren habe.

Dies ließ der BGH allerdings so nicht gelten. Nach den Versicherungsbedingungen komme es ausschließlich darauf an, ob der Versicherte zur Ausübung des Vergleichsberufs gesundheitsbedingt in der Lage ist. Das Abhandenkommen der erforderlichen beruflichen Kenntnisse oder ein Zurückbleiben hinter der Entwicklung in diesem Beruf reiche nicht aus. Die Versicherung könne dennoch den Versicherten auf die Ausübung des anderen Berufes verweisen und die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente verweigern.

"Diese Entscheidung zeigt erneut, welche Lücken im Versicherungsschutz durch die Möglichkeit solcher "abstrakten Verweisungen" bestehen", sagt Rechtanwalt Arno Schubach, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des DAV. Bei solchen "abstrakten Verweisungen" würde die Leistung der Berufsunfähigkeitsversicherung auch dann entfallen, wenn der Versicherte in dem Vergleichsberuf keinen Arbeitsplatz findet, also völlig ohne Einkommen wäre. Aus diesem Grund würden seit Jahren viele Versicherer Berufsunfähigkeitsversicherungen anbieten, die die Möglichkeit der "abstrakten Verweisung" nicht mehr vorsehen. Schubach weiter: "Es ist daher dringend zu empfehlen, bestehende Versicherungsverträge zu überprüfen und anzupassen." Bei Neuabschlüssen dürfe es bei ordnungsgemäßer Beratung durch den Versicherungsvermittler eigentlich keine Verträge mehr mit der "abstrakten Verweisungsmöglichkeit" geben.

Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des DAV findet man bei der Deutschen Anwaltauskunft unter www.anwaltauskunft.de oder am Telefon unter 0 18 05/18 18 05 (0,14 Euro/min).


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Quelle:
Pressemitteilung VersR 03/07 vom 14. September 2007
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel. 030/72 61 52-1 29, Fax 030/72 61 52-1 93
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2007