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STELLUNGNAHME/011: Erstes Landesverratsverfahren seit Jahrzehnten - Justiz im Kriegszustand (Rote Hilfe)


Bundesvorstand Rote Hilfe e.V. - Pressemitteilung vom 31.07.2015

Erstes Landesverratsverfahren seit Jahrzehnten - die deutsche Justiz im Kriegszustand


Die Bundesanwaltschaft hat gegen die Betreiber des Blogs 'netzpolitik.org' ein Strafverfahren wegen 'Landesverrates' eingeleitet. Grund dafür sind die Veröffentlichung des Blogs zur Aufstockung des Verfassungsschutzetats zwecks Internet-Spionage.

Der umstrittene Paragraph 94 StGB ist ein Repressionsinstrument, das seit Jahrzehnten nicht mehr angewendet wurde und das im Kern auf 'feindliche Spionageakte' zielt. Das Gesetz stellt denjenigen unter Strafe, der 'ein Staatsgeheimnis' einer 'fremden Macht' mitteilt und dadurch die 'Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland' herbeiführt.

Der Verrat von Staatsgeheimnissen an fremde Mächte ist ein Vorwurf, den in erster Linie Staaten im Krieg meinen anwenden zu müssen. Dass diese 'fremde Macht' im vorliegenden Fall die Öffentlichkeit ist und das 'Staatsgeheimnis' die Machenschaften des Inlandsgeheimdienstes betrifft, der vornehmlich die eigenen Bürgerinnen und Bürger bespitzelt, wirft ein beunruhigendes Licht auf den Charakter der deutschen Justiz.

Wenn 'der Feind' im Inneren verortet wird und die 'Staatsgeheimnisse' vor der eigenen Bevölkerung verborgen werden müssen, bewegt sich die Bundesanwaltschaft mit riesigen Schritten auf eine Bürgerkriegsjustiz zu.

Erich Kästner hat in seiner Rede 'Über das Verbrennen von Büchern' geschrieben: "Man darf nicht warten, bis Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten bis der Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten."

Die Rote Hilfe e.V. wird auch künftig alle unterstützen, die versuchen, solche Schneebälle zu zertreten oder sich den formierenden Lawinen entgegenzustellen. Wir fordern die sofortige Einstellung des Verfahrens und die Abschaffung des § 94. Wir werden uns allen Versuchen entgegenstellen, in Deutschland ein Kriegs- oder Feindstrafrecht zu etablieren.

H. Lange für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 31.07.2015
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
Bundesgeschäftsstelle, Postfach 32 55, 37022 Göttingen
Telefon: 0551/770 80 08; Fax: 0551/770 80 09
E-Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de
Internet: www.rote-hilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2015

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