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STANDPUNKT/076: Bundesregierung unterstützt Position Israels gegen Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (BAK Nahost der LINKEN)


DIE LINKE. Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden in Nahost - 2. März 2020

Zur Erklärung der Bundesregierung beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), die Position Israels gegen die Zuständigkeit des IStGH zu unterstützen


Einer der ehernen Grundsätze der deutschen Nahost-Politik ist das ständige Bekenntnis zu der Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Doch seit Jahrzehnten hintertreiben alle Bundesregierungen dieses Ziel durch die Unterstützung des Landraubs durch die israelische Besatzungspolitik und durch die Verhinderung einer palästinensischen Staatlichkeit in allen Gremien der Vereinten Nationen. Hinter der Fassade eines hohlen Bekenntnisses zu einer vertraglichen Lösung boykottieren sie aktiv alle Bemühungen der Palästinenser, durch die offizielle Anerkennung ihres Staates auf gleicher Ebene mit der israelischen Regierung verhandeln zu können und sie zur Verantwortung zu ziehen für ihre Verbrechen in den besetzten Gebieten.

Nun hat die Bundesregierung eine Erklärung abgegeben, in der sie die Meinung der israelischen Regierung unterstützt, dass sich die Zuständigkeit des IStGH nicht auf die Palästinensischen Gebiete erstrecke. Palästina sei kein Staat und unterliege daher nicht der Rechtsprechung des IStGH. Dadurch soll verhindert werden, dass die von der Chefanklägerin Fatou Bensouda begonnenen Untersuchungen über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten zu einer Anklage gegen Israel vor dem IStGH führen. "Am Freitag sagte Deutschland zu Israel: Erweitern Sie die Siedlungen nach Herzenslust, bombardieren Sie Gaza so oft Sie möchten, schießen Sie weiterhin ungezügelt mit echten Kugeln auf Demonstranten. Sie sind immun gegen jede Kritik und sicherlich gegen Strafverfolgung in Den Haag", so der israelische Journalist Gideon Levy am 16.2. in der Tageszeitung Haaretz. Das Lob des israelischen Außenministers folgte auf dem Fuß, er begrüßte die deutsche Positionierung als 'verantwortungsvoll', weil sie eine 'Politisierung' des IStGH" verhindere.

Die Bundesregierung hat Palästina immer die Anerkennung als Staat in der UNO versagt, obwohl inzwischen 138 Staaten den Staat Palästina anerkannt haben. 2012 haben sie in der UNO-Generalversammlung mit der Resolution 67/19 Palästina einen Beobachterstatus als Staat zuerkannt. Er reichte für den UNO-Generalsekretär wie für den Präsidenten der Vertragsstaatenversammlung des IStGH aus, die von den Palästinensern beantragte Mitgliedschaft im IStGH zu akzeptieren. Palästina erfüllt alle der nach Art. 1 der Konvention von Montevideo erforderlichen Merkmale eines Staates: eine permanente Bevölkerung, ein definiertes Territorium trotz umstrittener Grenzen und die Fähigkeit, internationale Beziehungen mit anderen Staaten einzugehen. Seit Jahren ist Palästina zahlreichen internationalen Abkommen beigetreten, z. B. der UNESCO.

Mit ihrer Petition setzt sich diese Bundesregierung nun in offenen Widerspruch zur jahrzehntelange Unterstützung aller Bundesregierungen für eine Internationale Strafgerichtsbarkeit sowie zu ihren ständigen Bekenntnissen zu Völkerrecht, Menschenrechten und Verantwortung für Verstöße gegen internationales Recht.

Die Bundesregierung weiß genau, dass sie mit ihrem Standpunkt die ständigen schweren Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten nicht nur toleriert, sondern akzeptiert und aktive Mittäterschaft betreibt. Israel setzt sich mit deutscher und internationaler Unterstützung nicht nur über das Völkerrecht hinweg, sondern setzt das Prinzip "Macht über Recht" durch und forciert de facto die Kolonisierung Palästinas. Die Bundesregierung schlägt mit ihrer Entscheidung dem unterdrückten palästinensischen Volk ein weiteres friedliches Instrument im Widerstand gegen die israelische Gewaltpolitik aus der Hand und verliert endgültig ihre Glaubwürdigkeit als mögliche Vermittlerin im Palästinakonflikt.

Vor diesem Hintergrund kritisieren wir den Kurswechsel der Bundesregierung scharf. Der Bundesarbeitskreis Nahost der Partei DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, die Verpflichtungen aus ihrer Mitgliedschaft in der UNO zu erfüllen, die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes nicht in Frage zu stellen und keine Immunität Israels zu akzeptieren. Die Palästinenserinnen und Palästinenser haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben ohne Besatzung und Unterdrückung. Dafür verdienen sie jede Unterstützung.


Der Bundesarbeitskreis "Gerechter Frieden in Nahost" ist bei der "Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik" angesiedelt. Er hat sich Mitte Januar 2011 bundesweit aus Mitgliedern der LINKEN sowie Sympathisant*innen formiert.

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Quelle:
DIE LINKE. Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden in Nahost
c/o DIE LINKE. BAG Frieden und internationale Politik
Kleine Alexanderstr. 28, 10178 Berlin,
Mail: bak-nahost-linke@t-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2020

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