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KIRCHE/885: Statement Reinelt - "Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche" (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 24.02.2010

Statement von Bischof Joachim Reinelt, Vorsitzender der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, beim Pressegespräch anlässlich des Studientages der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz "Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche" am 24. Februar 2010

Es gilt das gesprochene Wort!


Wir haben bei dem Studientag heute sehr eindrucksvoll gesehen, welche Tragweite und Konsequenzen der demographische Wandel für die Gesellschaft hat und vor welche Herausforderungen sie die Kirche stellt. Mit Blick auf die Caritas möchte ich aus den vielen Facetten, die diese Thematik aufwirft, drei Aspekte besonders hervorheben.

1. Für die Kirche und ihre Caritas ist es fundamental, dass die "Ordnung des Lebens" und die "Ordnung des Todes" im gesellschaftlichen Bewußtsein und auch von den einzelnen Menschen frühzeitig miteinander verbunden werden. Ich möchte dies mit den Worten eines alten Kirchenliedes umschreiben: "Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen". Dieser Vers bringt zum Ausdruck, was in früheren Zeiten eine alltägliche Erfahrung war: Der Tod ist im Leben ständig präsent. Er ist Teil des Lebens.

In der heutigen Zeit, in der das Leben und die Gesundheit scheinbar nur noch in der menschlichen Verfügungsgewalt liegen, werden Sterben und Tod als Scheitern erlebt und zunehmend verdrängt. Das Leben selbst ist aber immer schon ein Stück Sterben. In vielfacher Gestalt greift der Tod in unser Leben ein: Krankheit, Leid, Altern, Abschied-Nehmen - all das sind nicht nur Vorboten des Todes, sondern Wirklichkeiten des Todes im Leben selbst. Die Zuversicht des christlichen Glaubens, dass auch umgekehrt das Leben im Tod gegenwärtig ist, dass der Tod das Leben zu seiner Vollendung führt, ist der Schlüssel für die Verbindung dieser Ordnungen.

Die Caritas der Kirche hat sich von jeher den Menschen in Grenzsituationen des Lebens zugewandt und war stets Anwalt für die Würde des Menschen. Dieses Grundverständnis gewinnt angesichts der wachsenden Zahl pflege- und hilfebedürftiger Menschen und besonders der Zunahme demenzieller Erkrankungen an großer Bedeutung.

2. Mit Blick auf den Wandel unserer Gesellschaft, deren Bild zunehmend von älteren und alten Menschen geprägt wird, scheint für die zukünftige Arbeit der Caritas zweierlei wichtig: Zum einen darf die Verschiebung des Zahlenverhältnisses zwischen Jung und Alt zugunsten der Älteren und Alten nicht dazu führen, dass die Arbeit der Caritas etwa für Familien, Kinder und Jugend vernachlässigt wird. Kinder und Familien bedürfen unserer besonderen Unterstützung und einer starken Stimme in der Gesellschaft; dies umso mehr, wenn sie zahlenmäßig an Präsenz verlieren.

Zum anderen sollten Einrichtungen und Angebote der Caritas Orte des Miteinanders der Generationen sein. Es ist Kreativität gefordert, neue Formen des Miteinanders zu entwickeln, in denen sich die Älteren mit ihren Kompetenzen und Erfahrungen auf vielfältige Weise einbringen können und in denen das Verständnis der Generationen füreinander gepflegt und gestärkt wird. Es gibt diesbezüglich bereits gelungene Ansätze, zum Beispiel die Mehrgenerationenwohnhäuser der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft (CBT) im Rheinland.

3. Und schließlich möchte ich die Problematik der Pflege alter Menschen, einem speziellen Arbeitsfeld der Caritas, näher betrachten. Die steigende Pflegequote in hohem Alter, die wachsende Zahl Pflegbedürftiger, der Rückgang familiärer Pflegekapazitäten, der Rückgang des zur Verfügung stehenden Pflegepersonals, die Finanzierungsproblematik in der Pflegeversicherung und schließlich die unzureichende Auseinandersetzung des Einzelnen mit den existentiellen Fragen, die Pflege- und Hilfsbedürftigkeit an Patienten, Angehörige und Pflegende stellen: Dies alles bedarf dringend einer sachlichen und verantwortungsvollen gesellschaftlichen Diskussion.

Ausgehend von einem Verständnis des Lebens als ein Angewiesensein auf den Anderen gilt es, eine größere Wertschätzung der Pflege als Beziehungsgeschehen zu entwickeln und damit auch eine größere Achtung der professionellen und familiären Pflege im gesellschaftlichen Bewusstsein zu erreichen.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 032b vom 24. Februar 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2010