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LATEINAMERIKA/047: Theologinnen in Lateinamerika (HerderKorrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 10/2007

Kreativ und auf neuen Wegen
Theologinnen in Lateinamerika

Von Margit Eckholt


Die Frauenfrage in der lateinamerikanischen Kirche und die theologische Arbeit von Frauen haben nicht an Bedeutung verloren. Theologinnen stellen sich, praxisorientiert und zunehmend vernetzt, den aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen auf dem inzwischen nicht mehr so katholischen Subkontinent.


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Sie sind heute genauso aktuell wie vor dreißig Jahren, die Fragen und Anfragen an Kirche und Theologie, die seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem lateinamerikanischen Kontinent aufgebrochen sind, die Auseinandersetzung mit Armut und Gewalt in aller Vielschichtigkeit, die gerade auch der lateinamerikanischen Kirche ein neues Gesicht gegeben haben als einer sich in Menschenrechtsarbeit und Armutsbekämpfung profilierenden Kirche. Trotz makroökonomischer Fortschritte in einigen Ländern des südlichen Lateinamerikas hat die Schere zwischen Arm und Reich zugenommen. Erschreckend sind die Zahlen der Wirtschaftsflüchtlinge, Volkswirtschaften wie die ecuadorianische oder die zentralamerikanische leben vom Rückfluss der Gelder ihrer in die USA emigrierten Bürger. Dabei wird zwischen Nord- und Südamerika an der Grenze zwischen Mexiko und den USA eine neue Mauer aufgezogen, die die 1989 gefallene Mauer zwischen Ost und West als globales Symbol abgelöst hat.

Die nicht gelöste Armutsproblematik in den Ländern Südamerikas birgt in den Elendszonen der Großstädte, aber auch in ländlichen und indigenen Kommunen, ein großes Potential an Gewalt und führt unmerklich zu Veränderungen in der religiösen Landschaft. Die rasante Zunahme von Sekten bietet gerade auch in Lateinamerika fundamentalistischen Bewegungen ein weites Feld. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass religiöser Fundamentalismus - der in allen Religionen, auch dem Christentum zunimmt - seinen größten Nährboden in den Armutszonen der Weltgesellschaft findet und hier besonders junge Menschen und auch Frauen anspricht (vgl. Martin Riesebrodt, Die Rückkehr der Religionen. Fundamentalismus und der "Kampf der Kulturen", München 2000). Von dort her lässt sich die Bedeutung einer "Option für die Armen", die die lateinamerikanische Kirche und Theologie seit den siebziger Jahren getroffen haben, auch für die Gegenwart gar nicht unterschätzen.


Der Blick nach Lateinamerika hilft auch der Frauenforschung in Deutschland

In diesem weiten politischen und religiösen Zusammenhang kommt der Frauenfrage in der lateinamerikanischen Kirche und der theologischen Arbeit von Frauen in Lateinamerika, wie sie sich seit den siebziger Jahren zunächst im befreiungstheologischen Kontext, dann immer mehr mit feministisch-theologischer Profilierung herausgebildet hat, besondere Brisanz zu (vgl. auch HK, März und Juli 1995,141 ff. und 367 ff.). Im Vergleich dazu hat im deutschen Sprachraum die feministische Theologie das Echo, auf das sie in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gestoßen ist, verloren. Theologische Frauenforschung ist ausgebremst worden. Wird sie betrieben, werden feministisch-theologische Forschungsarbeiten nicht medial präsent, junge Theologinnen zeigen kein Interesse an feministischer Arbeit.

Gleichzeitig ist in der Praxis, in allen Generationen der Laien ein Bewusstsein für die Frauenfrage und die Präsenz von Frauen auch in der Kirche und kirchlichen Führungspositionen gewachsen. Junge Frauen, auch Theologinnen, fordern ganz selbstverständlich ihre Rechte ein, ohne sich dabei als "Feministin" zu verstehen. Angesichts dieser - für die deutsche universitäre Arbeit und die hoch ausdifferenzierten Bereiche von Wissenschaft und pastoraler und gesellschaftlicher Praxis wohl auch bezeichnenden - Schere zwischen Theorie und Praxis kann der Blick auf Entwicklungen in der lateinamerikanischen theologischen Arbeit von Frauen hilfreich sein.

Es sind gerade die vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen, politischen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen, die massive Gewaltfrage und die Armut, die vor allem ein weibliches Gesicht haben, die in der theologischen Arbeit in Lateinamerika Theorie und Praxis, Arbeit an der Hochschule und pastorale und gesellschaftliche Praxis auf eine andere Weise verzahnen und theologischem Arbeiten von Frauen eine Verankerung und Erdung geben und sie neue und kreative Wege entdecken lassen.

Die Menschenrechts- und Frauenrechtsperspektive und die "gefährliche Erinnerung" an das schöpfungstheologische Grundaxiom, dass Gott den Menschen in der Differenz von Mann und Frau als sein Bild und Gleichnis geschaffen hat und dass darin seine und ihre Würde und Gleichheit begründet ist (Gen 1,27; Gal 3,28), stellen einen zentralen Schlüssel zur lateinamerikanischen feministischen Theologie dar und einen Weg, auf dem Antworten auf die aktuellen Herausforderungen des religiösen, christlichen Fundamentalismus und der Zunahme von Sekten gefunden werden können.

Paradoxerweise finden vor allem Frauen in Armutskontexten in Sekten oft einen Ort für ihre Befreiung. Dem kann aus katholischer Perspektive nur die Bestärkung der Identität und des Selbstbewusstseins von Frauen gegensteuern. Die theologische Arbeit von Frauen und feministisch-theologische Ansätze nicht ernst zu nehmen, wird die katholische Kirche immer mehr ins Abseits bringen, auch darum ist die Stimme der Frauen zu hören und ihr "empowerment" in Kirche und Gesellschaft weiterhin ein notwendendes "Zeichen der Zeit".

Es ist interessant, dass in Lateinamerika - so beispielsweise in Argentinien, Chile und Kolumbien - gegenwärtig eine jüngere Generation von Theologinnen auf den Plan tritt, die in der sich verändernden Situation von christlichem Glauben, Kirche und Gesellschaft einen Stand sucht und sich dabei mit dem theologischen Werk von "Pionierinnen" wie Elsa Támez (Mexio/Costa Rica), María Pilar Aquino (Mexiko/San Diego), Maria Clara Bingemer (Brasilien) oder María Teresa Porcile (Uruguay) auseinandersetzt. Der Blick auf diese Geschichte lateinamerikanischer feministischer Theologie wird auch durch Zentren theologischer Frauenforschung in den USA, England und Spanien gefördert. Durch die Übersetzung englischsprachiger Veröffentlichungen durch spanische Verlage wie Trotta werden lateinamerikanische Theologinnen wiederum mit dem Denken ihrer Pionierinnen vertraut.

Ein besonderes Ereignis ist dabei die erstmalige Publikation einer Anthologie in Lateinamerika selbst. In diesem Jahr erscheinen im Verlag San Pablo/Buenos Aires drei von fünf Bänden einer von der argentinischen Theologinnengruppe "Teologanda" herausgegebenen Anthologie mit dem Titel "Mujeres haciendo teologías". Der erste Band, ein "Diccionario de Obras de Autoras", stellt in einem Gemeinschaftswerk von 35 vor allem argentinischen jüngeren Theologinnen Bücher und Artikel lateinamerikanischer Autorinnen vor. Das weite Panorama der Theologie von Frauen in Lateinamerika sowie der sie beeinflussenden nordamerikanischen Theologinnen tritt über detaillierte Werkrezensionen vor Augen (vgl. Virginia R. Azcuy/Gabriela M. Di Renzo/Celina A. Lértora Mendoza [Hg.], Diccionario de Obras de Autoras. En Amerika Latina, el Caribe y Estados Unidos).


Armut und Gewalt waren von Anfang an Ausgangspunkt der theologischen Reflexion

Feministische Theologie in Lateinamerika ist in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Das von den Vereinten Nationen ausgerufene Jahr der Frau 1975 war ein wichtiger Meilenstein für eine Vernetzung von Frauen und ein Bewusstwerden der Brisanz der Frauenfrage auch in christlichen Kreisen. Interessant ist, dass erste Impulse aus dem Cono Sur kamen, aus Uruguay und Argentinien, aber auch Brasilien, das sich bald neben den zentralamerikanischen Ländern, vor allem Costa Rica, zu einem der Zentren feministischer Theologie entwickelte.

Die Arbeit von Frauen war von Anfang an basisorientiert, konkrete Herausforderungen der pastoralen und gesellschaftlichen Praxis, Armut und Gewalt, waren Ausgangspunkt theologischer Reflexion, die sich vor allem an den biblischen Texten orientierte und in ihnen dem befreienden Gott und Gott des Lebens auf der Spur war. Die Methodik theologischen Arbeitens von Frauen stand der in diesen Jahren entstehenden Theologie der Befreiung nahe. Die Unterdrückung von Frauen wurde mit sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Instrumentarien analysiert.

Entwicklungspolitisch aktive und auch im Kontakt mit Hilfsorganisationen in den USA und Europa stehende Zentren wie in Chile das Centro ecuménico Diego de Medellín, das 1976 gegründete Departamento Ecuménico de Investigaciones (DEI) in Costa Rica, das Instituto Bartolomé de las Casas in Lima/Peru und andere förderten die theologische Arbeit von Frauen, in der Ausbildung von Katechetinnen und in der Pastoral tätigen Ordensfrauen wurde die befreiungstheologische Hermeneutik mit der Frauenrechtsperspektive verbunden.

Die achtziger und neunziger Jahre waren die Blütezeit der Theologie von Frauen in Lateinamerika. Die in Pastoral, Menschenrechts- und Frauenarbeit engagierten Frauen belegten ein Theologiestudium und begannen sich auch wissenschaftlich zu qualifizieren, oft an europäischen Universitäten wie Madrid oder Löwen. Immer mehr erlangte auch der Kontakt mit feministischer Theologie in den USA und Europa Bedeutung. Durch die von EATWOT (Ecumenical Association of Third World Theologians) ermöglichte Vernetzung der Theologen und Theologinnen der "Dritten Welt" und durch die 1984 errichtete "Comisión latinoamericana de mujeres" wurde die Frauenfrage in Kirche und Theologie auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent befördert und ein weites Bewusstsein für die Notwendigkeit feministischer lateinamerikanischer Theologie geschaffen.

1985 fand in Buenos Aires der von EATWOT geförderte erste Kongress lateinamerikanischer Theologinnen statt, an dem 28 Theologinnen teilnahmen, 1986 kam es zu einer weiteren interkontinentalen Tagung in Oaxtepec (Mexiko). In den ersten Jahren theologischer Arbeit von Frauen in Lateinamerika war dabei das Verhältnis zu expliziten feministischen Ansätzen umstritten. Aber auf dem zweiten von EATWOT organisierten Kongress lateinamerikanischer Theologinnen 1993 in Rio de Janeiro (publiziert 1998 unter dem Titel "Entre la indignación y la esperanza. Teologia feminista latinoamericana") formulierten Theologinnen wie Ivone Gebara ihren Ansatz als eine feministische Befreiungstheologie. Damit hat theologische Arbeit von Frauen in Lateinamerika zu einem eigenem Profil gefunden, auch in kritischer Distanz zur Befreiungstheologie.


Die in Aparecida beschlossene Missionsoffensive und die Frauenfrage

In dieser zweiten Phase bleibt feministisch-theologische Arbeit eng mit der Basisarbeit verbunden und schärft ihre Hermeneutik durch die Analyse der vielfältigen Situationen von Ungerechtigkeit und Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind. Ihr eigenes Profil findet sie durch einen befreienden Blick auf die Lebensmöglichkeiten im Alltag der Frauen.

Es geht gerade darum, Frauen sprachfähig zu machen, in Auseinandersetzung mit biblischen Texten und feministisch-theologischen Arbeiten, um auf diesem Weg ihre eigene Gotteserfahrung zu formulieren, den Gott des Lebens in der Fragmentarität des Alltags und den Befreiungserfahrungen in der Zärtlichkeit der kleinen Gesten und den täglichen Auferstehungserfahrungen im stärkenden Miteinander zu formulieren.

Bezeichnend ist sicher, dass nur wenige Frauen wie beispielsweise die an der Jesuitenuniversität in Sao Paulo tätige Maria Clara Bingemer nach ihrer wissenschaftlichen Qualifikation eine Anstellung an einer theologischen Fakultät gefunden haben. Damit ist die Frauenfrage in der Ausbildung von Priesteramtskandidaten nicht präsent, ebenso wenig finden Theologinnen mit feministisch-theologischen Ansätzen in Forschungsprojekten theologischer Fakultäten einen Stand. Die meisten bleiben an Zentren der Basis tätig, oder finden an einer US-amerikanischen Universität einen neuen Wirkungsort wie die Mexikanerin Maria Pilar Aquino in San Diego.

Die kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen in der Pastoral der letzten Jahre lassen die theologische Arbeit von Frauen in Lateinamerika nicht unbeeinflusst. Die Einbrüche, die eine befreiungstheologische Pastoral erfahren hat und weiter erfährt - sicher von Ortskirche zu Ortskirche unterschiedlich - betreffen auch eine feministische Befreiungstheologie.

Säkularisierungsprozesse und schwindendes Vertrauen in die Institution Kirche machen vor den lateinamerikanischen Ortskirchen nicht Halt. Das Gesicht einer Kirche auf Seiten der Armen wird diffuser, nicht mehr die großen Themen einer Soziallehre der Kirche, der Protest gegen Menschenrechtsverletzungen, geben den Ton an, vielmehr Themen aus den gesellschaftlich und politisch umstrittenen Bereichen von Ehe und Familie. Volksirchliche Strukturen brechen auch in Lateinamerika ein, Sekten sind in der Landbevölkerung und Arbeiterschaft auf dem Vormarsch.

Im Blick auf diese Veränderungen in der religiösen Landschaft ist die Bedeutung der Frauenfrage in den lateinamerikanischen Ortskirchen nicht zu unterschätzen, de facto wird sie von kirchlichen Kreisen jedoch unterschätzt. Frauen finden in Sekten, paradoxerweise auch fundamentalistischer Ausrichtung, oft die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und ein eigenes, auch religiöses Selbstbewusstsein auszubilden. Wenn auf der letzten Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Aparecida im Mai 2007 die missionarische Aufgabe jedes Christen in den Blick genommen worden ist, ist dies sicher der richtige Weg, auch auf die Herausforderung christlicher Sekten und anderer religiöser Bewegungen zu antworten (vgl. HK, September 2007, 450ff.).

Ohne die spezifischen lebensgeschichtlichen Erfahrungen von Frauen in den Blick zu nehmen und damit auch ohne das religiöse "empowerment" von Frauen, ist dies nicht möglich. Genau hier liegt eine neue und noch zu wenig entdeckte Verbindungsstelle zwischen Kirche und feministischer Befreiungstheologie und -pastoral. Ordensfrauen, die theologisch qualifiziert sind und in unterschiedlichen Bereichen der Pastoral und kirchlichen Bildungsarbeit, in der Ausbildung von Katecheten usw. tätig sind, kommt hier eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Viele Frauenorden in Lateinamerika sind weiterhin an gesellschaftlichen Brennpunkten tätig und haben sich auch Fragen und Anfragen feministischer Befreiungstheologie zueigen gemacht. So können sie einen der notwendigen Orte darstellen, an denen sich feministische Theologie in Lateinamerika weiterentwickeln kann.


Die besondere Verantwortung katholischer Universitäten

Einen anderen Ort, der der Theologie von Frauen in Lateinamerika einen Rahmen und auch gewissen Schutz und Freiraum für weitere Entwicklungen bieten kann, stellen die Universitäten, vor allem die katholischen Universitäten, dar. Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben Gender-Programme und -Perspektiven an lateinamerikanischen Universitäten große Bedeutung gewonnen. Sie sind interdisziplinär und zumeist sozialpolitisch ausgerichtet, die Gerechtigkeitsperspektive ist oft leitender Horizont. Thematisiert werden soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten, die vor allem Frauen betreffen.

An katholischen Universitäten ist auch die Theologie in diese Programme eingebunden, und genau dies bietet die Chance einer neuen Öffentlichkeit und Sichtbarkeit gerade auch von feministischer Theologie. Ein roter Faden, der sich durch die vielfältigen Gender-Programme von Mexiko bis Chile zieht, ist die Verbindung der Frage der Geschlechterdifferenz mit dem großen Gerechtigkeitsproblem der lateinamerikanischen Gesellschaften. Der Blick auf die Geschlechterdifferenz ist nicht von der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Frauen, den täglichen Gewalterfahrungen im privaten und öffentlichen Raum, dem oft geringeren Bildungsniveau, der prekären Arbeitssituation zu trennen.

Genau an dieser Stelle begegnen sich die Impulse der feministischen Theologie der achtziger und neunziger Jahre, ihre Option für die arme Frau und ihre befreiungstheologische Perspektive, mit den neuen Schwerpunkten und Horizonterweiterungen, die die Gender-Studies für die Universitäten bedeuten, und diese Schnittstelle ist ein hilfreiches Moment, die Theologie der Frauen auch an den klassischen Zentren theologischer Arbeit, an Katholischen Universitäten, zu verorten.

Solche Wege sind in den letzten Jahren beispielsweise an der Jesuitenuniversität in Bogotá eingeschlagen worden, ein Neubeginn zeichnet sich an der Jesuitenhochschule San Miguel in Buenos Aires ab. Seit 1998 gibt es an der theologischen Fakultät der Pontificia Universidad javeriana eine Arbeitsgruppe zum Thema "Teología y género", die mittlerweile zu den institutionalisierten Forschungsschwerpunkten der Universität zählt, in dem die beiden Theologinnen Olga Consuelo Vélez Caro und María del Socorro Vivas mit weiteren sechs Professorinnen und Professoren der theologischen Fakultät tätig sind. Die aus dem Projekt erwachsenden Ergebnisse werden über den akademischen Bereich hinaus in Bildungsarbeit in Pastoral und Schulen vermittelt.

Seit 2003 ist in Buenos Aires ein Kreis von rund 40 Theologinnen aktiv, der sich den Namen "Teologanda" - "Programa de estudios, investigaciones y publicaciones" gegeben hat (www.teologanda.com.ar). Die Gruppe wird von Virginia Azcuy geleitet, die an der theologischen Fakultät der Pontificia Universidad Católica Buenos Aires und der theologischen Fakultät der Jesuitenhochschule in San Miguel/Buenos Aires als Theologieprofessorin (Dogmatik und Spiritualität) lehrt und bemüht ist, diese Orte für eine Frauentheologie zu öffnen. Interessant ist, dass die Theologinnen, die sich zu vernetzen beginnen, an verschiedenen kirchlichen, gesellschaftlichen, theologischen Orten tätig sind und auch zwischen diesen Orten "wandern". Es sind Frauen, die bereits lehren, andere, die sich qualifizieren, ihre Doktorarbeit oder Lizentiatsarbeit schreiben, die einen "klassischen" theologischen Weg durchlaufen, sich auf eigene Initiative dabei mit der Arbeit der Pionierinnen feministischer lateinamerikanischer Theologie (aber auch mit Entwicklungen aus dem nordatlantischen Raum) auseinandersetzen.

"Teologanda" ist dabei ökumenisch angelegt, kooperiert mit dem evangelischen "Forum für Theologie und Gender" am Instituto Superior de Estudios Evangélicos (ISEDET) in Buenos Aires und ist durchlässig auf andere wissenschaftliche Disziplinen. Zu den zweimal jährlich veranstalteten Tagungen werden Philosophinnen, Soziologinnen, Historikerinnen, Psychologinnen usw. eingeladen, interdisziplinäres Arbeiten charakterisiert den "intellectus fidei" der Theologie der Frauen. Ziel ist es, wissenschaftlich wahr- und ernstgenommen zu werden, auf Kongressen präsent zu sein, zu publizieren, aber darüber hinaus die Ergebnisse der Arbeit auch auf Ebene kirchlicher Bildungsarbeit, in Pfarreien, Gemeinschaften usw. vorzustellen. Das fünfbändige Publikationsvorhaben "Mujeres haciendo teologias" zum "Weg der Frauen in der Theologie Lateinamerikas, der Karibik und der Vereinigten Staaten" hat eine größere Zahl von jüngeren Theologinnen eingebunden und mit feministisch-theologischer Arbeit vertraut gemacht.


Die politische Dimension theologischen Arbeitens in Erinnerung halten

Die Förderung und Begleitung jüngerer Theologinnen ist sicher ein herausragendes Merkmal der vielfältigen Arbeit von "Teologanda". Auf dem Weg der Erarbeitung der großen Themen lateinamerikanischer feministischer Theologie geht es darum, kreative neue Wege in die Zukunft zu erschließen: neben der Analyse der unterschiedlichen Gewalt- und Armutskontexte und der Menschenrechts- und Frauenrechtsperspektive sind es die Gottesfrage und eine frauengerechte und -spezifische theologische Sprache, die Schöpfungstheologie, Ökofeminismus, Fragen der Nachhaltigkeit und ein neuer Zugang zu Grundfragen der theologischen Anthropologie, vor allem immer wieder die biblische Verankerung der theologischen Themen.

Zu diesen Wegen gehört gerade ein Denken im Dialog, ein Lernen an den Wegkreuzungen und an den vielen Bruchstellen der Weltgesellschaft. "Teologanda" ist aus dem Dialog mit deutschen Theologinnen hervorgegangen, vielleicht ist auch das ein "Zeichen der Zeit" gerade für die Theologie in Deutschland. Ein entscheidender Gründungsmoment war die erste deutsch-lateinamerikanische Theologinnentagung, die im Oktober 2002 als Kooperationsveranstaltung veranstaltet wurde von der katholischen Akademie "Die Wolfsburg", von "Agenda - Forum katholischer Theologinnen", dem bischöflichen Lateinamerikahilfswerk Adveniat und dem Stipendienwerk Lateinamerika-Deutschland zum Thema "Grenzen durchbrechen - andere wahrnehmen. Optionen und Handlungsfelder lateinamerikanischer und deutscher Theologinnen". Im November 2004 fand die zweite gemeinsame Tagung statt zum Thema "Option für das Leben. Das Hereinbrechen von Biographien in Kirche und Gesellschaft", im April 2007 ein drittes gemeinsames Treffen.

In Planung ist nun ein erster gemeinsamer Kongress deutscher und lateinamerikanischer Theologinnen, der in der Osterwoche 2008 in Buenos Aires durchgeführt wird. Unter dem Themenhorizont "Biographien - Institutionen - Citizenship" wird es darum gehen, im Austausch unterschiedlicher kultureller Kontexte und Generationen, auch im Austausch von Frauen und Männern neue Wege theologischen Arbeitens im Schnittfeld von Kirche und Gesellschaft zu erschließen und dabei gerade die politische Dimension theologischen Arbeitens in Erinnerung zu halten.


Margit Eckholt (geb. 1960) ist Professorin für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern; Leiterin des Stipendienwerkes Lateinamerika-Deutschland e.V. und Mitglied des Vorstands von AGENDA. Aus weiteren Beiträgen zum Thema: Dies. und Sabine Pemsel-Maier (Hg.), Räume der Gnade. Interkulturelle Perspektiven auf die christliche Erlösungsbotschaft, Stuttgart 2006.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
61. Jahrgang, Heft 10, Oktober 2007, S. 515-520
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2007