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LATEINAMERIKA/064: Haitianer bauen Kirchen wieder auf (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - 23. Juni 2010

Haitianer bauen ihre Kirchen wieder auf und blicken hoffnungsvoll in die Zukunft

Bericht aus Haiti von Maria Halava, ACT-Bündnis


Die Gotteshäuser in Haiti blieben von dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar nicht verschont. Viele Kirchen überall in der Hauptstadt Port-au-Prince erstehen gegenwärtig neu aus Ruinen.

Die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt, die für ihre schönen, von berühmten haitianischen Künstlern gemalten Wandgemälde bekannt war, gehörte zu den zerstörten Kirchen. Die Kirche, von der nur eine Ruine geblieben ist, soll aber wieder aufgebaut werden.

"Haiti wird wieder auferstehen", erklärte Pater Ogé Beauvoir von der Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit im Gespräch mit Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der die Ruinen zusammen mit einer ökumenischen Delegation von sechs leitenden Kirchenvertretern/innen aus verschiedenen Teilen der Welt besuchte.

"Die Antwort auf die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, lautet 'Gemeinschaft'", sagte Tveit zu Pater Beauvoir und sicherte ihm die Unterstützung der ökumenischen Bewegung beim Aufbau eines neuen Haiti nach dem Erdbeben zu.

Der ökumenische Besuch diente dem Ziel, die Solidarität der ökumenischen Bewegung mit den Erdbebenopfern zu bekunden und die Kirchen seelsorgerlich bei ihren Bemühungen zu unterstützen, sich am Wiederaufbau Haitis zu beteiligen und dem haitianischen Volk zu dienen.


Kirchen können eine wichtige Rolle spielen

Seit dem Erdbeben hat Haiti Unterstützung und Stärkung von Kirchen aus aller Welt erfahren. Die haitianischen Kirchen ermutigen den ÖRK, seine Unterstützung langfristig fortzusetzen.

Eines der Probleme, die der Generalsekretär der Karibischen Kirchenkonferenz, Gerard Granado, ansprach, betrifft die fehlende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hilfswerken, die in Haiti Hilfe leisten.

"Es gibt sehr viele Akteure, die sehr viel tun, aber sie haben sich nie wirklich zusammengesetzt, um die verfügbaren Ressourcen im Interesse des haitianischen Volkes gemeinsam zu verteilen. Das Erdbeben hat uns in dieser Hinsicht die Augen geöffnet", erklärte er.

In seinem Gebet in der zerstörten Russischen Orthodoxen Schule versicherte Granado Pater Jean-Chénier Dumais von der Haitianischen Orthodoxen Mission, die Arbeit sei nicht beendet. Vielmehr, betonte Granado, "werden wir Erfahrungen miteinander austauschen und Gott gemeinsam um die Kraft bitten, Haiti nach der Tragödie wiederaufzubauen".

"Die Kirchen spielen eine wichtige Rolle und haben enormen Einfluss", erklärte Pastor Carlos Ham, der ÖRK-Referent für Lateinamerika und die Karibik. Aufgabe der Kirche sei es, so Ham, Aufklärungsarbeit zu leisten und für das haitianische Volk zu beten.

Der Besuch erdbebengeschädigter Kirchengebäude verschiedener Konfessionen sei konkreter Ausdruck der Solidarität, die das ökumenische Team den Haitianern bekunden wolle, fuhr er fort.


Langfristiges Engagement

In einer Podiumsdiskussion am Dienstag, an der Vertreter/innen mehrer haitianischer Konfessionen teilnahmen, ging die ökumenische Delegation auf die Rolle der Kirchen ein und betonte, die Kirche müsse auf allen Ebenen des Wiederaufbaus aktiv sein und sich langfristig in Haiti engagieren.

"Ohne die Kirchen wird es keinen langfristigen Fortschritt geben", bemerkte Pastor Nilton Giese, der Generalsekretär des Lateinamerikanischen Rates der Kirchen.

Die konkrete Aufgabe, Nothilfe zu leisten, sei dem ACT-Bündnis übertragen worden - einem Bündnis aus Kirchen und kirchlichen Organisationen, die gemeinsam humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe und Fürsprachearbeit leisten.

"ACT ist seit Anfang 2000 in Haiti aktiv", erklärte Prospery Raymond, der Haiti-Beauftragte von Christian Aid, einem Mitglied des ACT-Bündnisses. "Nach dem Erdbeben konnten wir dank der vorherigen guten Kooperation schnell effektiv zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen."

Die Podiumsteilnehmenden vertraten gemeinsam die Meinung, dass die Rolle der Kirchen darin besteht, im Namen derer die Stimme zu erheben, die Hilfe und Unterstützung brauchen, und zum Wohl der Menschen, insbesondere der Notleidenden, zusammenzuarbeiten.

"Die Kirche hat zwei Aufgaben", betonte Tveit. "Eine Aufgabe ist es, klar zu sagen, was verändert werden muss, die andere besteht darin zu erklären, wie dieser Wandel aussieht und wie er herbeigeführt werden kann. Gemeinsam können die Kirchen und das ACT-Bündnis sich dafür einsetzen, der Stimme der Menschen auf verschiedenen Ebenen Gehör zu verschaffen."


Gemeinsame Hoffnung für die Zukunft

Im Vorhof der zerstörten Eglise de Dieu (Kirche Gottes) haben die Wiederaufbauarbeiten begonnen. Das vierstöckige Gebäude war unmittelbar vor Gottesdienstbeginn in sich zusammengebrochen. Den Chormitgliedern gelang es gerade noch, durch ein Loch in der Mauer ins Freie zu kommen, aber die Gemeinde hat zwei ihrer Mitglieder verloren.

In der glühenden Mittagshitze räumen Gemeindeglieder Schutt weg. Die Delegationsmitglieder sehen darin ein Zeichen wahrer Gottes- und Nächstenliebe.

"Wir haben unmittelbar nach dem Erdbeben mit den Räumarbeiten begonnen, weil wir wollen, dass die Leute hierher zurückkommen", berichtet Bruder Saül Raphaël von der Kirche Gottes der ökumenischen Delegation.

In zwei Tagen wird die Gemeinde ihren ersten Gottesdienst in dem Raum ohne Dach feiern. Die Delegation ist tief beeindruckt von dem, was sie hört.

"Ich möchte Ihnen, unseren Schwestern und Brüdern aus verschiedenen Teilen der Welt, danken, dass Sie diesen sehr besonderen Moment mit uns teilen. Wir werden Sie in unsere Gebete einschließen", versichert Tveit den in der Kirche versammelten Gemeindegliedern. "Es ist ermutigend zu sehen, dass Sie voller Hoffnung in die Zukunft blicken. Diese Hoffnung teilen wir mit Ihnen."


Mitglieder der Delegation:
- Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, ÖRK-Generalsekretär
- Pastorin Dr. Bernice Powell Jackson, ÖRK-Präsidentin aus Nordamerika
- Gerard Granado, Generalsekretär der Karibischen Kirchenkonferenz
- Pastor Nilton Giese, Generalsekretär des Lateinamerikanischen Rates der Kirchen
- Lorenzo Mota King, Geschäftsführer der sozialen Einrichtungen der dominikanischen Kirchen, ACT-Bündnis
- Dr. Victoria Kamondji, stellvertretende Vorsitzende des Französischen Evangelischen Kirchenbundes
- Pastor Dr. Carlos E. Ham, ÖRK-Programmreferent für Lateinamerika und die Karibik

ÖRK-Mitgliedskirchen in Haiti:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=3b912418f96964dab100

Kirchliche Nothilfe und Entwicklungsarbeit in Haiti:
http://www.oikoumene.org/index.php?RDCT=70bc285e1b7df05014d3 (auf Englisch)


Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 23. Juni 2010
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2010