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STANDPUNKT/004: Zieht Opus Dei bereits die Fäden für die nächste Papstwahl? (Gerhard Feldbauer)


Zieht Opus Dei bereits die Fäden für die nächste Papstwahl?

von Gerhard Feldbauer, 14. Juni 2012



Seit Wochen werden aus Rom als sogenannte Vatileaks Angriffe gegen den Papst geführt, Enthüllungen über ihn angekündigt. Ein päpstlicher Kammerdiener soll geheimste Dokumente aus dem Vatikan geschmuggelt haben, die nun als Drohkulisse dienen. Alte Vorwürfe von Korruption und Mafia-Verbindungen werden laut, Benedikt soll hart durchgreifen. Was da verbreitet wird ist sehr widersprüchlich, bietet wenig Konkretes und kommt möglicherweise von verschiedenen Seiten.

In den sieben Jahre seiner Amtszeit hat sich der deutsche Papst in die reaktionäre Traditionslinie der katholischen Kirche eingeordnet, hat den schon von seinem Vorgänger, dem Polen Karol Woityla, eingeschlagenen Weg noch verschärft. Er hat 498 Kreuzritter Francos selig gesprochen, den Kirchenbann gegen die vier Bischöfe der Piusbrüder aufgehoben und sich mit der faschistoiden Bruderschaft versöhnt, die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils weiter ausgehöhlt, die Protestanten ins Abseits verwiesen, die Muslime aufs unversöhnlichste angefeindet, nicht zu vergessen, den Kreuzzug gegen den Kommunismus weitergeführt; sich als zuverlässige Stütze der weltlichen Herrschaft erwiesen.


Kurswechsel kaum zu erwarten

Benedikt ist gerade 85 geworden. Auch wenn er damit seit 109 Jahren der älteste Heilige Vater ist, irgendwann kommt das Ende hier auf Erden. Vatikankenner halten es für möglich, dass Benedikt nicht als der reaktionärste Papst der Neuzeit in die Geschichte eingehen will. Er möchte auch von seinen zahlreichen Kritikern verehrt werden. Da ist seine kürzliche Reise nach Kuba, die ihm sehr verübelt wurde. Er hat die Damen in Weiß nicht empfangen, das kommunistische Regime nicht in aller Klarheit verurteilt, ist gar mit dem bestgehassten Kommunisten Lateinamerikas, Fidel Castro zusammengetroffen, und hat auch noch das US-Embargo angesprochen.

Dass Benedetto grundsätzliche Abstriche vornimmt, ist kaum zu erwarten, eher kosmetische Tünche. Für Kuba ist schon geltend gemacht worden, dass seine Visite der katholischen Kirche dort nützlich war und er nur fortsetzte, was sein Vorgänger schon praktizierte.

Vatikankenner vermuten, dass hinter den Attacken das Machtzentrum in der Kurie, das gefürchtete Opus Dei (Werk Gottes), steckt. Die Machtkämpfe um die Nachfolge beginnen bereits zu Lebzeiten des noch Regierenden. Es scheint, dass Benedikt bei der Weichenstellung für seinen Nachfolger das Zepter in der Hand halten will, was mächtige Gegenkräfte auf den Plan ruft. Der Spiegel zitierte (Nr. 24) einen Würdenträger: Der Papst stehe in "Rom einer anderen, von ihm nicht beherrschten Macht gegenüber". Das kann eigentlich nur auf das Gotteswerk zielen.

Dabei hatte Joseph Ratzinger schon ehe er Papst wurde, beste Beziehungen zu Opus Dei gepflegt. Die Selig- und danach Heiligsprechung seines Gründers und langjährigen Generalpräsidenten, José Maria Escriva de Balaguer, hat er als Chef der Glaubenskongregation auf den Weg gebracht. Er nahm (soweit bekannt wurde, es können eher mehr sein) drei Gotteswerker in seine Kongregation auf, mit Fernando Oscariz, die Nummer Zwei der Organisation.


Josef Ratzinger vertuschte die Skandale des IOR

In den Skandal hinein spielt die Absetzung von Ettore Tedeschi, des Chefs der Vatikanbank IOR. Sie ist eine Bank des Papstes. Warum hat er den IOR-Chef abgesetzt? Tedeschi sollte "Ordnung schaffen", damit die Bank die Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche erfüllt und in die Liste der sauberen Institute der OECD aufgenommen wird. Hat Benedikt hier bereits Druck nachgegeben? Immer wieder ist das IOR beschuldigt worden, Geschäfte mit der Mafia zu betreiben, war mit der Faschistenloge P2 verknüpft, der man wiederum eine Verquickung mit Opus Dei nachsagte. Der langjährige Chef des IOR, der US-Amerikaner, Erzbischof Casimir Marcinkus, gehörte ebenfalls zum Gotteswerk. 1981 machte die Ambrosianobank in Rom, bei welcher der Vatikan die Aktienmehrheit hielt, und deren Chef der P2-Mann Roberto Calvi war, mit drei Mrd. Dollar Verlust bankrott. Um die drohenden Ermittlungen der italienischen Justiz gegen Marcinkus und weitere hohe Würdenträger der Kurie abzuwenden, kam Kardinal Ratzinger damals zu Hilfe und bildete eine eigene "Untersuchungskommission". Zur Mitarbeit gewann er keinen Geringeren als den damaligen Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs. Ratzingers "Untersuchungen" verliefen im Sande, zumal Marcinkus in die USA zurückgeschickt und Calvi in London, wie angenommen wurde von der Mafia, umgebracht worden war.

Ähnlich wie im Fall Marcinkus "bewältigte" Ratzinger 1996, wie im "Spiegel" nachzulesen war, einen Skandal, bei dem das IOR und der Opus Dei-Kardinal Ricard Maria Carles in einen internationalen Ring für Geldwäsche und Schmuggel von Waffen, Nuklearmaterialien und Diamanten verwickelt waren.

Das Gotteswerk zeigte sich erkenntlich und hat, da waren sich Insider 2005 sicher, mit dem deutschen und US-amerikanischen Episkopat, beide die reichsten und damit mächtigsten in der Kurie, Ratzingers Wahl im Konklave durchgewinkt. Benedikt bewies erneut Dankbarkeit und ernannte nicht wenige Gotteswerker zu seinen engsten Mitarbeitern. Bekannt wurde der Dozent an der römischen Opus Dei-Universität Dr. Georg Gänsewein, der zu seinem persönlichen Sekretär aufstieg. Über Gänsewein, dessen Name in den Vatileaks immer wider auftaucht, schrieb der "Stern", der "Don Giorgio" genannte Prälat habe "mehr Einfluss und Macht als jeder andere Papstberater vor ihm". Zwar versicherte Benedikt, Gänsewein habe sein volles Vertrauen, aber was will das schon heißen. Eine lange Liste von Gotteswerkern in der Umgebung Benedikts wurde bekannt, darunter die drei mächtigsten Kurienkardinäle Casado, Trujillo und Hoyes, die bei der Sammlung von Stimmen für Ratzinger im Konklave eine aktive Rolle gespielt hätten.

Wird Benedikt jetzt die Geister, die ihn auf den Papstthron halfen, nicht mehr los? Könnte seine Rolle bei der Vertuschung der Verwicklung des Vatikans in Mafia-Geschäfte und P2-Operationen in dem intriganten Spiel jetzt zum Druckmittel gegen ihn werden?


Gerhard Feldbauer schrieb das Buch: Der Heilige Vater. Benedikt XVI. - Ein Papst und seine Tradition. Papyrossa, Köln 2010.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012