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INTERNATIONAL/047: Zerstörung und Enteignung - Zur Situation der Beduinen in Israel (Martin Forberg)


Zerstörung und Enteignung: Zur Situation der Beduinen in Israel

Ein Abend mit dem Aktivisten und Historiker Gadi Algazi am 29. Oktober 2011 in Berlin

von Martin Forberg, Dezember 2011


Die Situation der Beduinen in Israel ist menschenrechtlich betrachtet gerade gegenwärtig ein dramatisches Thema: die Verdrängung von 30.000 israelischen Bürgerinnen und Bürgern beduinischer Herkunft steht im Rahmen der Verwirklichung des sogenannten Prawer-Planes bevor. Darüber informierte der israelische Historiker und Aktivist Gadi Algazi auf einer Veranstaltung in Berlin, zu der die Berliner Gruppe 1180 von Amnesty International und die Internationale Liga für Menschenrechte eingeladen hatten. (1)
Ein Videomitschnitt der Veranstaltung findet sich auf der Internetseite http://publicsolidarity.de/.

Algazi, der in Göttingen promoviert hat, ist Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Tel Aviv. Im Jahr 1979 war er der erste israelische Wehrpflichtige, der den Dienst in den besetzten Gebieten verweigerte - damals wurde er von Amnesty International als Gewissensgefangener adoptiert. Algazi ist politisch aktiv geblieben: im Jahr 2000 hat er "Ta'ayush" (Arabisch für "Koexistenz"), eine Organisation von palästinensischen und jüdischen Bürgern Israels mitgegründet. (2)

Heute engagiert sich Gadi Algazi im arabisch-jüdischen Netzwerk "Tarabut" ("Zusammen kommen"), das versucht, den politischen, gewaltlosen Widerstand gegen die Besatzung mit dem Engagement für soziale Gerechtigkeit in Israel zu verbinden. (3)

Im Zentrum seines Vortrags in Berlin stand das Dorf Al 'Araqib, das bis vor kurzem von 350 bis 400 Beduinen bewohnt wurde, und jetzt dem Erdboden gleichgemacht wurde, nachdem es seit dem 27. Juli 2010 dreißigmal vom Staat zerstört wurde - zeitweilig waren daran 1.300 Polizisten beteiligt.
Gegen die bevorstehende Enteignung von 30.000 Israelis beduinischer Herkunft müsse jetzt der politische Druck aufgebaut werden. Es hat zwar vereinzelte Medienberichte gegeben - auch in Deutschland. Und sogar die Bundesregierung zeigte sich im Februar 2011 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE über die Situation der Beduinen in Israel und speziell über die schockierenden Ereignisse in Al 'Araqib besorgt. (4)
Mittlerweile aber droht dieses Thema angesichts der zahlreichen aktuellen Nachrichten aus dem Nahen Osten wieder in Vergessenheit zu geraten.


Missverständnisse und Klischees

Gadi Algazi kritisierte die gängige Vorstellung von den Beduinen als Nomaden: tatsächlich sei der "Nahe Osten" zu klein für diese Lebensweise. Und in Israel seien Beduinen längst sesshaft und betrieben Landwirtschaft. Ein weiteres Vorurteil über die Beduinen in Israel besage, dass sie im Angesicht des modernen Staates "hartnäckig konservativ" seien und noch immer in einer traditionellen Gesellschaft lebten. Tatsächlich aber hat in der beduinischen Gesellschaft längst eine Modernisierung stattgefunden: es gibt dort Ärztinnen, Nichtregierungsorganisationen und soziale Projekte. In der Realität stehen sich daher zwei Formen von Modernisierung gegenüber: eine erzwungene und eine selbstbestimmte.
Und einem dritten Missverständnis nahm sich Algazi an - einer Vorstellung, die nicht nur zum Tragen kommt, wenn es um Israel geht: nämlich das Prinzip der "Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates". Dieses Prinzip aber gilt grundsätzlich dann nicht, wenn es um die Menschenrechte geht, betonte Gadi Algazi.


Die vielfache Zerstörung des Dorfes Al 'Araqib

Die generelle Situation der Beduinen in Israel lässt sich wie in einem Brennglas am Beispiel des Dorfes Al 'Araqib verfolgen, das in der Wüste Negev/Naqab in der Nähe der Stadt Beersheba liegt, oder besser gesagt: lag. Denn nachdem das Dorf dreißigmal von den israelischen Behörden zerstört wurde , haben sich jetzt lediglich auf dem Friedhof noch einige Menschen verschanzen können. Ihre Nachbarn dürfen ihnen aufgrund des Drucks der Behörden kein Wasser verkaufen. Vorausgegangen war ein massiver Polizeieinsatz am 10. Februar 2011, bei dem unter Anwendung erheblicher Gewalt , mit intensivem Einsatz von Tränengas und begleitet von Verhaftungen der Widerstand des Dorfes gebrochen werden sollte. Bei YouTube existiert ein Film über diesen Polizeieinsatz. (5)

Die Menschen aus Al 'Araqib mussten schließlich durch die Maschen eines neu errichteten Zaunes zusehen, wie ihr Land umgepflügt wurde - unter anderem mit Bulldozern der Firma Caterpillar. Diese Maschinen gehören dem JNF, dem "Jüdischen Nationalfonds" (auf Hebräisch Keren Kayemeth le Israel, abgekürzt KKL), in dessen Auftrag die Kolonisation des Landes von Al 'Araqib stattfindet. Der JNF will auf den Feldern des Beduinendorfes Bäume errichten, was allerdings bis zum Winter gestoppt wurde - wohl auf Druck von Menschen, die für den "Jüdischen Nationalfonds" gespendet haben. Bei der Verdrängung und Vertreibung von Beduinen spielt dieser Fonds eine zentrale Rolle.


Ein Abriss der Geschichte der Beduinen in Israel: 1948 und die 50er Jahre des 20.Jahrhunderts

Für das Verständnis der Zusammenhänge ist es bedeutsam, sich die Geschichte der Politik des Staates Israel gegenüber den Beduinen zu vergegenwärtigen. Dadurch wird auch die besondere Rolle des JNF in der Gegenwart heute verständlicher.
Vor der Gründung des Staates Israel lebten etwa 70.000 bis 100.000 Beduinen in Palästina. Sie hatten sich "nicht unbedingt mit der palästinensischen Sache identifiziert", so Algazi.

Durch den Krieg von 1948 wurde die Mehrzahl von ihnen verdrängt - übrig blieben nur 10.000, die wiederum zu Beginn der 1950er Jahre in eine "kleine Region im Norden der Negev zwangsumgesiedelt" wurden. Zwei Gesetze gossen die Konfiszierung fast des gesamten beduinischen Landes in eine rechtliche Form: erstens das Enteignungsgesetz von 1950 ("Gesetz über die Abwesenden"), das alle Palästinenser_innen betraf und zweitens das "Gesetz für den Erwerb von Land" von 1953, das sich speziell auf die Beduinen bezog und mit dem "der größte Landraub in unserer Geschichte vollzogen wurde", wie Algazi betonte. Diesem Gesetz zufolge konnte alles Land, das zu einem bestimmten Datum, am 1. April 1953 nicht bewohnt war, enteignet werden, und zwar aus Gründen der Entwicklung, der Landwirtschaft oder der Sicherheit.
Dies wurde einseitig durch den Staat entschieden, der den enteigneten Boden zum Staatsland erklärte - auch ohne Kenntnis der Besitzer_innen. Der israelische Staat war aber bei weitem nicht in der Lage, die gesamte Fläche zu besiedeln und zu bebauen - ein Widerspruch, der bis heute wirksam ist.

In den folgenden Jahrzehnten lösten sich verschiedene Strategien der israelischen Regierung gegenüber den Beduinen ab, bis hin zum Prawer-Plan aus dem Jahr 2011, der eine weitere Radikalisierung darstellt.


Von den 1960ern bis zum Jahr 2010

In den 1960ern wurden sie in einem romantischen Licht gesehen und galten als "assimilierbar". Unter Druck würden sie zu Proletariern (und damit de facto zu billigen Arbeitskräften) werden - so die Vorstellung.

Diese Strategie ging nur zum Teil auf, da die Beduinen ihre kulturelle Identität bewahrten. Ihr folgte in den 1970ern eine neue Politik, die Beduinen in Townships konzentrieren wollte. Tatsächlich hofften viele Beduinen, dass es ihnen in diesen Ansiedlungen besser gehen würde, dass sie dort mit Wasser versorgt würden, und dass sie außerdem Schulen und Krankenhäuser bekämen. Sie mussten aber nach 10 Jahren feststellen, dass die beschleunigte Proletarisierung steigende Kriminalitätsraten und eine verschärfte Drogenproblematik mit sich brachte. Solche Folgen sind auch in anderen Ländern zu beobachten, in denen derartige "erzwungene Transformationen" stattfanden.

Die Annäherung zwischen Israel und Ägypten (mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages im März 1979 als Höhepunkt) hatte indirekt für die Beduinen in Israel negative Folgen: zuvor hatte es ausgedehnte militärische Übungsanlagen für die israelische Armee in der Sinai-Wüste gegeben. Als Israel den Sinai an Ägypten zurückgab, führte die Verlagerung dieser Anlagen in die Wüste Negev/Naqab zu einer weiteren massiven Verdrängung der Beduinen.
"Sie bezahlten den Preis für den Frieden mit Ägypten, wie sie zuvor den Preis für den Krieg von 1948 gezahlt hatten", resümierte Gadi Algazi.

In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Beduinen in Israel einerseits zum Objekt eines folkloristischen Blicks - beispielsweise im Tourismus. Auf der anderen Seite fand unter dem Stichwort "Kriminalität" eine Dämonisierung statt. Folklore und Dämonisierung - das erinnert an die Stereotypen über Sinti und Roma in Europa.

Seit der Mitte der 1990er gewann in Israel das Konzept einer "inneren Kolonisation" speziell in der Wüste Negev/Naqab an Bedeutung. Die Beduinen wurden nun erst recht als "Problem" definiert.


Benjamin Netanjahus "Kriegserklärung" vom Juni 2011 und der Prawer-Plan vom September 2011

Es folgte in unseren Tagen eine "Kriegserklärung" des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahus an die Beduinen in Israel: in einer Rede im Juni 2010 sprach er von "Feinden" im Inneren und dass Israel auch von ihnen attackiert werde. "Verschiedene Elemente" würden nationale Rechte in Israel fordern. Netanjahu formulierte als Ziel, dass jede Region in Israel eine "jüdische Bevölkerungsmehrheit" haben müsse. In diese Bemerkung schloss er die Wüste Negev/Naqab mit ein. Dies sei ein Rezept für eine ethnische Säuberung, betonte Algazi. Eine Schlagzeile in der zweitgrößten israelischen Zeitung "Ma'ariv" lautete: "Die Beduinen haben die Negev übernommen". Eine solche Formulierung sei klassisch, wenn Feinbilder bewusst geschaffen würden, so Gadi Algazi: das, was in der Realität die israelische Regierung tue, werde den Beduinen in die Schuhe geschoben.

Der sogenannte Prawer-Plan vom September 2011 war gleichbedeutend mit der praktisch-operativen Umsetzung von Netanjahus "Kriegserklärung". Dabei hatte zuvor, im November 2008, das "Komitee für die Regulierung von Beduinensiedlungen in der Negev" unter dem Vorsitz des ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshof, Eliezer Goldberg , einen Bericht fertiggestellt, der sogar das an den Beduinen begangene Unrecht zum Teil anerkannte. (6)

Die dort enthaltenen Vorschläge seien zu einem Teil "interessant", zu einem anderen "unrealistisch" gewesen, meinte Gadi Algazi. Ein zweiter Bericht wurde von Ehud Prawer, dem Leiter der Politikplanungsabteilung im Büro des Ministerpräsidenten vorgelegt . Offiziell sollte er die Vorschläge des ersten Berichts "umsetzen" - was faktisch bedeutete, sie umzuschreiben.

Schon zuvor sei Prawer mit der Ansicht zitiert worden, dass die Beduinen eine "nationale Gefahr" darstellten, so Gadi Algazi. Insgesamt sollen laut Prawer-Plan mindestens 30.000 Beduinen von ihrem Land vertrieben werden. Ihre Dörfer würden dann zerstört und alle Bewohner_innen in Townships umgesiedelt.

Westlich der Straße von Beesheva nach Eilat sollen keine Beduinen mehr leben dürfen. Das sei ein Novum in der israelischen Geschichte - so Algazi. Dies komme einer Apartheidstruktur gleich: nur aufgrund ihrer Herkunft dürften Menschen in einer bestimmten Region nicht leben. Für die Verwirklichung des Prawer-Plans seien die Menschen von Al 'Araqib die "Versuchskaninchen" gewesen.


Bäume als Soldaten - oder: der "Jüdische" Nationalfonds als bedeutender Faktor in der israelischen Verdrängungspolitik gegenüber den Beduinen

Der "Jüdische Nationalfonds" (JNF) ist eine private internationale Gesellschaft, die in vielen Ländern Filialen hat. In Deutschland fließen dem JNF aus den Bundesländern und aus dem Bund Gelder zu. Für die faktische Enteignung von Palästinenser_innen spielte er auch historisch eine zentrale Rolle - er sprang als private Organisation ein, wenn der Staat Israel diese Enteignungen nicht durchführen konnte. So etwa Anfang der 1950er: damals fanden Verhandlungen zwischen Vertretern der israelischen Regierung und palästinensischen Flüchtlingen statt, über deren Rückkehr damals diskutiert wurde. Das entsprach den Vorstellungen von David Ben Gurion, dem ersten israelischen Ministerpräsidenten ganz und gar nicht. Innerhalb von drei Tagen, so Gadi Algazi wurden 1 Millionen Dunam von Ländereien, die ursprünglich den palästinensischen Flüchtlingen gehörten, an den JNF verkauft. (1 Dunum entspricht 1.000 Quadratmetern). Dadurch konnte der Staat Israel auf der internationalen Bühne erklären, über das Land der Flüchtlinge selbst nicht mehr zu verfügen.
Der Verkaufspreis war sehr niedrig. Und der JNF musste nicht einmal diesen Preis voll bezahlen: der Staat führte die Arbeiten auf diesem Land aus, das nun dem JNF gehörte.
In vielen Ländern - nicht zuletzt in Deutschland - gibt es einen Mythos rund um die vom JNF gepflanzten Bäume. Erinnert sei an den "Wald deutscher Länder", an dem sich deutsche Landesregierungen und die Bundesregierung finanziell beteiligt haben. Tatsächlich werde ein Teil eines bestehenden Gebietes als "Wald deutscher Länder" bezeichnet - es handelt sich nicht um ein geschlossenes Gebiet, so Algazi.
Der Hauptzweck der JNF-Aufforstungsmaßnahmen ist es, das Land der Beduinen unkultivierbar zu machen, also Landnahme zu ermöglichen. Diese "Begrünung" ist Teil eines internen Kolonialismus: so zeigte Gadi Algazi das Foto des "nicht anerkannten" beduinischen Dorfes Um Al-Hiran, das nun vermeintlich für einen Wald des JNF "verschwinden" soll. Auf dem Foto ist auch ein vom JNF aufgestelltes - und mit seinem Logo versehenes - Schild zu sehen, das die Aufschrift " Chiran-Wald" trägt - bislang ein "virtueller Wald". Daher sei Um Al-Hiran so bedroht wie zuvor Al 'Araqib, so Algazi. Und mittlerweile sei auch deutlich geworden, dass hier nur "nebenbei" ein Wald entstehen soll - vor allem geht es um die Schaffung einer Siedlung, die ausschließlich jüdischen Israelis vorbehalten ist. (7)

Gerade Siedlungen wie diese würden in manchen israelischen Zeitungen als Mittel gesehen, die Wohnungsnot in Israel abzumildern. Gadi Algazi sieht hier eine Tragödie heraufziehen - wenn nämlich die Regierenden in Israel versuchen, die Empörung vieler Bürger_innen über hohe Mieten und fehlenden Wohnraum auf diese Art kolonialistisch zu kanalisieren.

Der Verdrängungsprozess mit dem JNF als zentralem Akteur lässt sich auch am Beispiel des zerstörten Dorfes Al 'Araqib illustrieren: so wurde 2006 der "Wald der Botschafter" in der Wüste Negev/Naqab eingeweiht - vermeintlich dort, wo es keine menschliche Siedlung gab. Das jedenfalls dachten die Botschafter_innen verschiedener Staaten. Tatsächlich aber wurde er auf dem Land von Al 'Araqib angepflanzt.
Und ein britisches christlich-evangelikales Fernsehprogramm, das den Namen "God TV" führt, wirbt mit dem Versprechen für sich, 1 Millionen neue Bäume zu pflanzen - faktisch wiederum auf dem landwirtschaftlichen Boden von Al 'Araqib. Auf einem Foto, das dort aufgenommen wurde, nehmen sich die Bäume tatsächlich wie Soldaten aus.


Fazit: Der "Jüdische" Nationalfonds ist nicht jüdisch, sondern kolonialistisch

Meiner Ansicht folgt aus dieser Darstellung der Rolle des Jüdischen Nationalfonds, dass er im Grunde keine jüdische Institution ist - wie etwa die jüdischen Gemeinden in Berlin, Leipzig, London, Paris und Rom, oder wie beispielsweise der Jüdische Studentenverband. Der JNF ist vielmehr eine koloniale Einrichtung, für die der Begriff "jüdisch" zweckentfremdet wurde. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass in dem hebräischen Namen (Keren Kayemeth le Israel - übersetzt etwa "Existenzieller Fonds für Israel", abgekürzt KKL) das Adjektiv "jüdisch" überhaupt nicht vorkommt.
Um zu vermeiden, dass der Begriff "jüdisch" angesichts der kolonialen Funktion des JNF und der notwendigen Kritik daran einen vollkommen unberechtigten und gefährlichen negativen Beigeschmack bekommt, sollte diese Organisation am besten nur in Anführungszeichen als "jüdisch" bezeichnet werden. Anders gesagt: tatsächlich kann der Kolonialfonds den Begriff "jüdisch" für seine PR benutzen: das gute Image, das die Organisation (noch) genießt - nicht zuletzt in Deutschland - dürfte auch auf den Begriff "jüdisch" zurückzuführen sein, den sie im Namen führt. Zugleich besteht dadurch meiner Meinung nach zusätzlich die Gefahr, dass die Politik von Kolonialismus, Landnahme und Apartheid, mit der der "J"NF/KKL real verbunden ist, dazu führt, dass antijüdisch-rassistische /antisemitische Strömungen gestärkt werden - ein doppelter Missbrauch also.


Was kann getan werden?

Gadi Algazi betonte, dass - entgegen dem deprimierenden Eindruck, den sein Vortrag hinterlassen mochte - die Enteignung der Beduinen in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend widerstandslos vor sich gingen: jetzt, in den Auseinandersetzungen um Al 'Arakib gebe es demgegenüber erstmals (auch internationalen) Widerstand. Immerhin hätten insgesamt 600 Freiwillige Al 'Araqib unterstützt.

Und er erwähnte einige Ideen für die Zukunft: so könnten unterschiedliche Gruppen in verschiedenen Ländern jeweils eine beduinische Gemeinde, ein beduinisches Dorf adoptieren, es besuchen, und sich für dessen jeweilige Interessen einsetzen. Denn jedes Dorf habe ein Gesicht. Mit den Beduinen solidarische Gruppen arbeiten im Moment daran, die Geschichte von jedem Dorf kurz festzuhalten. Hier fehle es an Geld.

Immerhin: auf der Internetseite des Deutschen Bundestages findet sich eine Pressemeldung vom 08.02.2011, in der es u.a. heißt:

"Die Bundesregierung beobachtet die Situation des Dorfes Al-Arakib durch die Deutsche Botschaft in Tel Aviv. Das geht aus einer Regierungsantwort (8) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (9) hervor. Danach stehe die Botschaft in kontinuierlichem Kontakt mit mehreren Nichtregierungsorganisationen, die sich für Al-Arakib und andere nicht anerkannte Beduinendörfer im Negev einsetzten. Gegenüber dem israelischen Außenministerium habe die Botschaft den Fall hochrangig angesprochen und ihre Sorge zum Ausdruck gebracht." (10)

Mittlerweile, 10 Monate später, besteht nach wie vor Anlass zur Sorge - und Anlass zum Handeln.


Anmerkungen:

(1) http://ilmr.de/2011/zerstorung-und-enteignung-von-israels-beduinen-der-fall-al-%e2%80%98araqib-mit-referent-gadi-algazi

http://amnesty-koeln-gruppe2415.de/

Pressemitteilung:
http://www.amnesty-koeln-gruppe2415.de/Main/Informieren-Pressemitteilungen?action=download&upname=Pressemitteilung_29.7.2011.pdf
und das verbindliche englischsprachige Original:
http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/israel-sues-bedouin-villagers-cost-repeated-evictions-2011-07-29

Vergleiche auch den Appell der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost/EJJP Deutschland an den JNF vom Februar 2011:
http://www.juedische-stimme.de/?p=99

(2)
http://www.taayush.org/

(3) http://www.tarabut.info/en/home/
Algazi hat auch eine bedeutsame Analyse über die Ökonomie der Besatzung verfasst - am Beispiel der israelischen Siedlung Mod'iin Illit im besetzten Westjordanland, die auf dem Boden der 5 palästinensischen Dörfer Ni'lin, Kharbata, Saffa, Bil'in and Dir Qadis gebaut wurde.
Gadi Algazi, Israels Siedlungen als lohnendes Geschäft, in: Le Monde diplomatique Nr. 8045 vom 11.8.2006,
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2006/08/11/a0008.text.name,ask5N0Ijo.n,0

(4) Beispiele für Medienberichte:
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/israels-nomaden-die-wueste-bebt-1899816.html
http://de.nachrichten.yahoo.com/tausende-beduinen-protestieren-israel-gegen-geplante-umsiedlung-194404688.html
http://www.taz.de/!56385/
Vergleiche auch weitere Beiträge unter:
http://senderfreiespalaestina.de/

Bundestag und Bundesregierung:
http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_02/2011_047/01.html

(5) http://www.youtube.com/watch?v=JeT6faLNzV8

(6) Aviad Glickman, Report: State should recognize Bedouin villages, in: ynetnews.com, 12.11.2008,
http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3637006,00.html

(7) Weitere Informationen hierzu sind zu finden unter:
http://bedouinjewishjustice.blogspot.com/2011/07/map-of-unrecognized-negev-bedouin.html

(8) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/045/1704574.pdf

(9) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/043/1704318.pdf

(10) http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_02/2011_047/01.html


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Quelle:
© 2011 by Martin Forberg
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2011