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INTERNATIONAL/126: Israel - Tod durch Tränengas, Bericht wirft Armee Waffenmissbrauch vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2013

Israel: Tod durch Tränengas - Bericht wirft Armee Waffenmissbrauch vor

von Jillian Kestler-D'Amours



Jerusalem, 31. Januar (IPS) - Die israelische Armee setzt Waffen, die der Niederschlagung von Protesten dienen, gezielt gegen Palästinenser im Westjordanland ein und verstößt damit gegen das Gesetz. Diesen Vorwurf erhebt ein neuer Bericht der israelischen Menschenrechtsorganisation Btselem.

Die Organisation wirft dem Militär weiter vor, damit seine eigenen Grundlagen zu verletzen und durch mangelnde Ahndung der Taten der Straflosigkeit Tür und Tor zu öffnen.

Mindestens zehn Palästinenser sind der Untersuchung zufolge seit 2005 im Westjordanland bei Aktionen der israelischen Armee ums Leben gekommen, bei denen sogenannte 'Crowd and Riot Control'-Techniken (CRC) zum Einsatz kamen. Dazu gehören unter anderem Tränengas, Schockgranaten, Gummigeschosse sowie Wasserwerfer. Darüber hinaus wurden im gleichen Zeitraum 46 Palästinenser mit scharfer Munition getötet.

"Die Sicherheitskräfte machen geradezu routinemäßig auf illegale und gefährliche Weise Gebrauch von diesen Waffen", heißt es im Btselem-Bericht. "Die israelischen Behörden kümmern sich nicht darum, diese Praxis zu unterbinden." Die CRC-Waffen sind dazu da, Menschenaufläufe aufzulösen und Ausschreitungen zu verhindern. Doch so, wie die israelische Armee die Technologien einsetze, seien sie tödlich.


Forderung nach Strafverfolgung

"Die Behörden sind dafür zuständig, dass die Soldaten die Waffen nach den vorgegebenen Standards einsetzen. Wer sie zu anderen Zwecken missbraucht, sollte mit Strafverfolgung rechnen müssen", fordert die Menschenrechtsorganisation in ihrem Bericht.

Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte wies die Anschuldigungen zurück. Gegenüber IPS gab er an, die Vorfälle, auf die sich der Bericht beziehe, seien "Ausnahmen" und keineswegs die Regel. Die Führung der Armee kümmere sich darum, dass die CRC-Waffen nur zum vorgesehenen Zweck eingesetzt würden und es so wenig Kollateralschaden wie möglich gebe.

Doch bereits in den ersten Wochen des neuen Jahres sind fünf palästinensische Jugendliche im Westjordanland durch scharfe Munition, die von israelischen Soldaten abgefeuert wurde, ums Leben gekommen. Der 17 Jahre alte Samir Awad starb, nachdem er am 15. Januar im Dorf Budrus vier Schüsse abbekommen hatte. Die israelische Armee behauptete, Awad habe versucht, Israel auf illegale Weise zu betreten. Dadurch sei er ins Visier der Soldaten geraten.

Am 23. Januar wurde die 22-jährige palästinensische Studentin Lubna al-Hanash auf einer Straße nahe des Al-Aroub-Flüchtlingslagers im Süden des Westjordanlandes erschossen. Der israelischen Armee zufolge haben die Soldaten geschossen, da Molotow-Cocktails und Steine nach ihnen geworfen worden waren.


Vereinte Nationen fordern Aufklärung

Der UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten, James Rawley, erklärte am 30. Januar, er sei besorgt über den Gebrauch von scharfer Munition im Westjordanland. Um weitere zivile Opfer zu vermeiden, müsse die Armee diese Praxis sofort einstellen. "Wenn mit scharfer Munition auf Zivilisten geschossen wird, muss dies dringend untersucht werden. Die Verantwortlichen müssen für ihre Taten gerade stehen", so Rawley.

Seit Jahrzehnten wehren sich die Palästinenser gegen die israelische Okkupation des Westjordanlandes. Seit 2005 veranstalten sie jede Woche friedliche Demonstrationen in mehreren Dörfern im Westjordanland. Mehrere Palästinenser wurden dabei von Soldaten der israelischen Armee getötet und noch mehr schwer verletzt.

Im April 2009 beispielsweise wurde Bassem Abu Rahmah im palästinensischen Dorf Bil'in von einer Tränengasgranate getötet, die ihn in der Brust traf. Seine Schwester Jawaher starb im Januar 2011, weil sie auf einer Demonstration zu viel Tränengas eingeatmet hatte.

Der 28-jährige Mustafa Tamimi wurde im Dezember 2011 getötet, als ein Tränengasbehälter ihn am Kopf traf. Laut Btselem-Bericht gibt es Fotos, die beweisen, dass ein israelischer Soldat den Behälter absichtlich in Richtung Tamimi geworfen hat. Das habe die israelische Armee jedoch weit von sich gewiesen.

Obwohl die Streitkräfte behaupten, entsprechenden Beschwerden nachzugehen, geht die israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din davon aus, dass nur 3,5 Prozent der offiziellen Beschwerden von Palästinensern gegen israelische Soldaten tatsächlich auch zu Anklageschriften führen. "Der Staat Israel kommt seinen Verpflichtungen, die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten zu schützen, nicht nach", so Yesh Din. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.btselem.org/
http://www.yesh-din.org/
http://www.ipsnews.net/2013/01/israel-using-crowd-control-weapons-unlawfully/

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IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013