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DAS TURNIER/007: Endrundenkalamitäten - Blitzweltmeisterschaft der Frauen in Doha (SB)


Eine Frage der Kraftreserven


Anna Muzychuks jüngster Sieg beim Rapid-Wettbewerb in Doha erinnerte ein wenig an ihren Erfolg in Chanty-Mansijsk 2014, wo die junge Ukrainerin mit deutlichem Vorsprung vor der Konkurrenz Blitzweltmeisterin geworden war. Nun galt es, diesen Titel zu verteidigen und damit womöglich einen zweiten in Doha zu erringen. Doch das 12-Runden-Rapid war alles andere als ein Zuckerschlecken gewesen und hatte seinen Tribut gefordert. Nahtlos anknüpfen an ihren vorangegangenen Durchmarsch konnte die 26jährige nicht. Mehr noch schien sie erschöpft und abgekämpft zu sein, als die Spiele am ersten Tag der Blitzweltmeisterschaft begannen. 9 Partien en suite standen an, doch Muzychuk startete recht verhalten in den Titelkampf mit drei Remisen über Lela Javakhishvili, Dinara Saduakassova und Aleksandra Goryachkina, und das waren vergleichsweise noch leichte Kaliber. Ihren ersten Sieg fuhr sie in Runde 4 gegen ihre Landsfrau und ehemalige Weltmeisterin Anna Ushenina ein. Mit der Herausforderung wuchs die Entschlossenheit, in den Wettkampf zurückzufinden. Doch schon die nächste Runde zeigte Muzychuk Grenzen auf. Gegen die Russin Kateryna Lagno mußte sie trotz ihres Weißaufschlags eine Niederlage einstecken. Mit 2.5/5, nur der Hälfte der möglichen Punktzahl gehörte die Ukrainerin in der frühen Startphase der Meisterschaft nicht unbedingt zu den Anwärterinnen auf den Titel.

Andere hatten es deutlich besser gemacht wie zum Beispiel die Inderin Dronavalli Harika, die mit einer perfekten Bilanz von 6/6 gegen Alina Kashlinskaya, Sarasadat Khademalsharieh, Ju Wenjun, Lela Javakhishvili, Antoaneta Stefanova und Tan Zhongyi zugleich einige der Turnierfavoritinnen bezwang und zwischenzeitlich die Tabellenspitze stürmte. Gut ins Rennen ging auch die russische Großmeisterin Alexandra Kosteniuk, die am ersten Spieltag ungeschlagen blieb und neben drei Remisen sechs Siege über Zhu Chen, Vlada Sviridova, Valentina Gunina, Meri Arabidze, Dronavalli Harika und Koneru Humpy einfuhr. Harika schwächelte zum Ende des ersten Durchgangs ein wenig. Nach ihrem Sensationsstart remisierte sie gegen Lagno und mußte neben ihrer Niederlage gegen Kosteniuk auch eine Verlustpartie gegen Muzychuk einstecken. Die Ukrainerin hatte sich nach ihrem müden Start wieder gefangen und konnte aus den letzten vier Runden vier Punkte gegen Kashlinskaya, Zhao Xue, Zhansaya Abdumalik und schließlich Harika verbuchen. Dank einer starken Aufholjagd konnte sie mit 6.5/9 auf Rang 5 den Anschluß zur Tabellenspitze wieder herstellen, aber das Klassement führte Kosteniuk mit 7.5/9 vor der Chinesin Ju Wenjun (7/9), Harika (6.5/9) und Lagno (6.5/9) an.

Die deutsche Teilnehmerin Elisabeth Pähtz, die seit dem Beginn der Meisterschaft in Doha mit Fieber zu kämpfen hatte und den Schlußtag beim Rapid gar ganz aussetzen mußte, ging beim Blitzturnier zwar an den Start, aber die Erfurterin wirkte immer noch ziemlich malade, kassierte gleich zu Beginn zwei Niederlagen gegen Khademalsharieh und Kashlinskaya, vier weitere sollten noch folgen. Lediglich gegen die Abgehalfterten Jana Krivec, Maka Purtseladze und Bahar Hallaeva gelangen ihr Siege. Mit 3/9 war sie anfangs kaum mehr als eine Randfigur im bunten Treiben der Favoritinnen. Im zweiten Durchlauf steigerte sich die amtierende Deutsche Blitzmeisterin jedoch immens und holte 6 Punkte aus 6 Partien - darunter auch zwei Achtbarkeitserfolge gegen Harika und die Weltranglistenzweite Ju Wenjun -, aber die beiden letzten Partien gegen die Sturmspitze Muzychuk und Lagno endeten in Niederlagen. Dennoch war Platz 20 in der Schlußtabelle mit 9/17 kein Grund zur Klage.

Der zweite Spieltag über acht Partien schrieb seine eigene Geschichte, die so gar nicht zur ersten Wegstrecke paßte. Den Spielerinnen war anzumerken, daß die Aneinanderreihung zweier Wettkämpfe und ein Marathon von insgesamt 39 Rapid- und Blitzpartien einen substantiellen Verschleiß bedeutet. Entrichten mußte den vor allem die zweimalige russische Landesmeisterin Kosteniuk, die in den ersten vier Partien drei Niederlagen gegen Lagno, Tan Zhongyi und Kashlinskaya erlitt und nur einen halben Punkt gegen Muzychuk holte. In den restlichen Partien gelangen ihr zwar noch zwei Siege über Gaponenko und Nana Dzagnidze, doch angesichts zweier weiterer Abstürze gegen Zhao Xue und Daria Charochkina fiel sie in der Endtabelle mit 10/17 auf Rang 7 zurück. Diesmal gab es für sie keine Silbermedaille.

Hoch härter traf es Ju Wenju. Die 25jährige konnte sich am zweiten Spieltag nur zwei Siege über Kashlinskaya und Sofio Gvetadze gutschreiben lassen, aber fünf Niederlagen und ein Remis gegen Muzychuk ließen sie mit 9.5/17 auf Rang 9 herunterpurzeln. Nur etwas besser erging es Harika. Die Inderin aus Gorantla im Distrikt Anantapur mußte sich zwar nur Gunina und Pähtz geschlagen geben, aber vier Remisen und zwei Siege gegen Ushenina und zuletzt Nino Batsiashvili reichten lediglich für 10,5 Punkte und Rang 5.

Kraftreserven zurückbehalten hatte indes Lagno. Die ukrainisch-russische Großmeisterin, die seit 2014 für den russischen Schachverband spielt, kassierte nur eine Niederlage gegen Kashlinskaya, konnte im Gegenzug jedoch bei zwei Remisen fünf Siege - darunter ein 3/3-Endspurt - einfahren, was für einen Medaillenrang ausreichend war. Sie erzielte insgesamt 12,5 Punkte aus 17 Runden, gleichauf mit ihrer Landsfrau Gunina, aber aufgrund der schlechteren Zweitwertung mußte sie sich mit Bronze zufriedengeben. Gunina war überhaupt die große Überraschung des zweiten Durchlaufs. Nachdem die 27jährige die erste Etappe mit 5/9 für ihre Verhältnisse eher bescheiden abgeschlossen hatte, drehte die Blitzweltmeisterin von Batumi 2012 voll auf und ließ am zweiten Spieltag nur ein Remis gegen Muychuk zu, während sie alle anderen Begegnungen gewann. Dies und ihr 5/5-Endspurt sollten dennoch nur für Silber reichen. Denn auch Anna Muzychuk beendete den zweiten Durchlauf nach drei Remisen zu Beginn mit einem furiosen Schlußspurt von 5/5 und hatte zuguterletzt einen halben Punkt mehr auf dem Konto als Gunina.

Die Ukrainerin machte damit das Double perfekt. Nach ihrem ungefährdeten Sieg im Rapid, kürte sich die 26jährige mit einem Schwarzsieg in der letzten Runde über die ehemalige Weltmeisterin Stefanova auch noch zur Blitzweltmeisterin.


 Endstand 
1.
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32.
33.
34.
GM Muzychuk, Anna
GM Gunina, Valentina
GM Lagno, Kateryna
WGM Tan, Zhongyi
GM Harika, Dronavalli
IM Charochkina, Daria
GM Kosteniuk, Alexandra
IM Kashlinskaya, Alina
GM Ju, Wenjun
GM Koneru, Humpy
IM Javakhishvili, Lela
IM Gaponenko, Inna
WGM Abdumalik, Zhansaya
GM Zhukova, Natalia
IM Pham Le Thao, Nguyen
GM Stefanova, Antoaneta
GM Zhao, Xue
IM Khademalsharieh, Sarasadat
WGM Saduakassova, Dinara
IM Paehtz, Elisabeth
GM Ushenina, Anna
IM Gvetadze, Sofio
GM Dzagnidze, Nana
WGM Goryachkina, Aleksandra
IM Batsiashvili, Nino
IM Arabidze, Meri
WFM Sviridova, Vlada
GM Zhu, Chen
WGM Geldiyeva, Mahri
IM Purtseladze, Maka
WFM Ovezdurdiyeva, Jemal
WFM Hallaeva, Bahar
WGM Krivec, Jana
CM Sloan, Julia Elizabeth
UKR
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RUS
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IND
RUS
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CHN
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BUL
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QAT
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TKM
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USA
13.0
12.5
12.5
11.0
10.5
10.5
10.0
9.5
9.5
9.5
9.5
9.5
9.5
9.5
9.5
9.0
9.0
9.0
9.0
9.0
9.0
9.0
9.0
8.5
8.5
8.5
7.5
6.5
4.5
4.5
4.0
3.0
3.0
2.5
Punkte
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10. Januar 2017


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